tarnt, der aber nur gegen Moslems geführt wird. Diese Länder sehen in Putin einen Vertrauten, während das Misstrauen gegenüber den westlichen Ländern mit jedem neuen Krieg wächst.
Und so war Putins direkter Appell an die Moslems der Welt etwas, was in der islamischen Welt sehr gut ankam:
Und natürlich müssen islamische Staaten Schlüsselteilnehmer einer solchen Koalition werden. Denn der IS birgt nicht nur für sie eine direkte Bedrohung, sondern kompromittiert durch seine blutigen Verbrechen eine der größten Weltreligionen, den Islam. Die Ideologen der Kämpfer verhöhnen den Islam und verfälschen seine wahren humanistischen Werte. Ich möchte mich an die geistlichen Führer der Muslime wenden: Heute sind sowohl Ihre Autorität als auch Ihr weisendes Wort sehr gefragt. Es ist nötig, diejenigen Menschen vor unüberlegten Schritten zu bewahren, die die Kämpfer versuchen anzuwerben. Und denjenigen, die betrogen wurden und aus verschiedenen Gründen bei den Terroristen landeten, muss man helfen, einen Weg zurück zum normalen Leben zu finden, die Waffen niederzulegen und den brudermordenden Krieg zu beenden.
Diese Politik wurde später in Syrien umgesetzt: Amnestie für alle, die die Waffen niederlegen, harte Bekämpfung aller, die dazu nicht bereit sind. Putin hatte mit dieser Politik bereits in Tschetschenien gute Erfahrungen gemacht, als er mit einer Generalamnestie den Tschetschenen eine Rückkehr anbot. In der Folge wechselten tausende Tschetschenen, die auf Seiten der dort eingesickerten arabischen Terroristen gestanden hatten, die Seite und kämpften gemeinsam mit russischen Truppen gegen die ausländischen Eindringlinge.
Mit der Politik, den Terroristen eine Brücke zur Rückkehr in ein normales Leben zu bauen und nur jene zu bekämpfen, die das ablehnten, hat er den Krieg in Tschetschenien gewonnen, und auch in Syrien folgte Assad diesem Weg und nur drei Jahre später war der Krieg in großen Teilen Syriens Geschichte.
Jedoch misslang sein Versuch, auch westliche Staaten ins Boot für den Kampf gegen den Terror zu holen, den er nun ankündigte.
Schon in den nächsten Tagen wird Russland als Vorsitzender des Sicherheitsrats eine Ministersitzung für eine komplexe Analyse der Bedrohungen im Nahen Osten einberufen. Wir schlagen vor allem vor, die Möglichkeit einer Resolution über die Koordination der Aktivitäten aller Kräfte zu diskutieren, die dem IS und anderen Terrorgruppierungen widerstehen. Um es zu wiederholen, muss eine solche Koordination auf den Prinzipien der UNO-Charta basieren.
Wir hoffen darauf, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage sein wird, eine umfassende Strategie der politischen Stabilisierung und des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus des Nahen Ostens auszuarbeiten. Dann, verehrte Freunde, wird man keine Flüchtlingslager bauen müssen. Der Strom der Menschen, die genötigt sind, ihre Heimat zu verlassen, hat buchstäblich zunächst die Nachbarstaaten erfasst und dann auch Europa. Die Zahlen gehen in die Hunderttausende und können in die Millionen gehen. Das ist im Grunde eine neue große und bittere Völkerwanderung und eine schwere Lektion für uns alle, darunter auch Europa.
Ich würde gern betonen: Die Flüchtlinge brauchen zweifellos Mitgefühl und Unterstützung. Doch das Problem grundlegend lösen kann man nur durch die Wiederherstellung der Staatlichkeit dort, wo sie zerstört wurde und durch die Stärkung der staatlichen Institutionen, wo sie noch erhalten werden konnten oder wiederaufgebaut werden müssen, durch allseitige Hilfe – sei es militärisch, wirtschaftlich oder materiell – für Länder, die sich in einer schwierigen Situation befinden, und natürlich für Menschen, die trotz aller Härte die Heimatorte nicht verlassen.
Es versteht sich, dass jede Hilfe an souveräne Staaten nicht aufgezwungen, sondern nur im Einklang mit der UNO-Charta angeboten werden kann. Alles, was heute und in der Zukunft in dieser Richtung entsprechend den Normen des internationalen Rechts geleistet wird, muss von unserer Organisation unterstützt werden, und alles, was der UNO-Charta widerspricht, muss abgelehnt werden. In erster Linie erachte ich es als äußerst wichtig, staatliche Strukturen in Libyen wiederaufzubauen, die neue Regierung des Iraks zu unterstützen und allseitige Hilfe für Syrien zu leisten.
Verehrte Kollegen, eine Schlüsselaufgabe der internationalen Gemeinschaft mit der UNO an der Spitze bleibt die Gewährleistung des Friedens, der regionalen und der globalen Sicherheit. Wir glauben, dass von der Schaffung eines Sicherheitsraums gesprochen werden muss, der gleich und ungeteilt ist, der Sicherheit nicht nur für Auserwählte, sondern für alle bietet. Ja, es ist eine komplexe, schwierige und zeitaufwändige Arbeit, doch dazu gibt es keine Alternative.
Jedoch dominiert leider bei einigen unseren Kollegen immer noch das Blockdenken des Kalten Krieges und das Streben nach der Aneignung neuer geopolitischer Räume. Zunächst wurde die Politik der NATO-Erweiterung weiterverfolgt. Es stellt sich die Frage: wozu, wenn der Warschauer Pakt aufhörte zu existieren und die Sowjetunion zerfallen ist? Nichtsdestotrotz bleibt die NATO nicht nur, sondern sie expandiert, wie auch ihre militärische Infrastruktur. Danach wurden postsowjetische Staaten vor eine falsche Wahl gestellt: Sollen sie mit dem Westen oder mit dem Osten sein? Früher oder später musste diese Konfrontationslogik eine schwere geopolitische Krise herbeiführen. Genau das passierte in der Ukraine, wo man die Unzufriedenheit eines bedeutenden Teils der Bevölkerung ausnutzte und von außen einen bewaffneten Umsturz provozierte. Als Ergebnis davon entflammte ein Bürgerkrieg.
Wir sind überzeugt: Man kann das Blutvergießen stoppen und einen Ausweg aus der Sackgasse nur bei vollumfänglicher und gewissenhafter Realisierung der Minsker Vereinbarungen vom 12. Februar dieses Jahres finden. Durch Drohungen und Waffengewalt kann die territoriale Einheit der Ukraine nicht gewährleistet werden. Wobei dies aber getan werden sollte. Wir brauchen eine reale Berücksichtigung der Interessen und der Rechte der Menschen im Donbass, die Respektierung ihrer Wahl, die gemeinsame Bestimmung – wie in der Minsker Vereinbarung vorgesehen –, der Schlüsselelemente des politischen Aufbaus des Staates. Darin liegt das Unterpfand dafür, dass sich die Ukraine als ein zivilisierter Staat und als wichtigstes Bindeglied beim Aufbau eines Sicherheitsraums und einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowohl in Europa als auch in Eurasien entwickelt.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt nicht zufällig von einem gemeinsamen Raum der wirtschaftlichen Kooperation gesprochen. Erst vor kurzem schien noch, dass wir es lernen, in der Wirtschaft, wo objektive Marktgesetze herrschen, ohne Trennlinien auszukommen und auf der Grundlage der transparenten und gemeinsam ausgearbeiteten Regeln, darunter den Prinzipien der WTO, handeln können, die Handels- und Investitionsfreiheit sowie eine offene Konkurrenz bedeuten. Doch inzwischen wurden einseitige Sanktionen unter Umgehung der UN-Charta fast schon zur Norm. Sie verfolgen nicht nur politische Ziele, sondern dienen auch als Mittel zur Beseitigung wirtschaftlicher Konkurrenten.
Auch die Freihandelsabkommen, die meist zu Lasten der schwächeren Partner gehen, kritisiert Putin immer wieder. Zu dieser Zeit war in Deutschland das Handelsabkommen zwischen der EU und USA TTIP in aller Munde und Putin kritisierte auch dies, ohne es freilich beim Namen zu nennen.
Es gibt noch ein weiteres Symptom des wachsenden wirtschaftlichen Egoismus. Eine Reihe von Staaten haben den Weg von geschlossenen exklusiven wirtschaftlichen Vereinigungen beschritten, wobei die Gespräche über ihre Schaffung intransparent und geheim verlaufen, selbst für die eigenen Bürger, Geschäftskreise und andere Länder. Andere Staaten, deren Interessen betroffen sein könnten, werden über nichts informiert. Vermutlich will man uns alle vor vollendete Tatsachen stellen, dass die Spielregeln neu geschrieben wurden, zugunsten eines engen Kreises der Auserwählten, dabei ohne Beteiligung der WTO. Das kann das Handelssystem völlig aus der Balance bringen und den globalen Wirtschaftsraum zerstückeln.
Die genannten Probleme betreffen die Interessen aller Staaten, sie beeinflussen die Perspektiven der ganzen Weltwirtschaft, daher schlagen wir vor, sie in solchen Formaten wie der UNO, der WTO und der G20 zu diskutieren. Als Gegenentwurf der Politik der Exklusivität schlägt Russland eine Harmonisierung der regionalen wirtschaftlichen Projekte vor, die so genannte Integration der Integrationen, die auf universalen und transparenten Prinzipien des internationalen Handels beruht. Als Beispiel führe ich unsere Pläne zur Verbindung der Eurasischen Wirtschaftsunion mit der chinesischen Initiative der Schaffung des „wirtschaftlichen Gürtels der Seidenstraße“ an. Nach wie vor sehen wir große Perspektiven in der Harmonisierung der Integrationsprozesse im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Europäischen Union.