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mit welchem Ergebnis?

      Einseitige, oft nicht legitime Handlungen haben nicht ein einziges Problem gelöst. Vielmehr waren sie Ausgangspunkt neuer menschlicher Tragödien und Spannungsherde. Urteilen Sie selbst: Kriege, lokale und regionale Konflikte sind nicht weniger geworden. Herr Teltschik hat ganz leicht daran erinnert. Und es sterben nicht weniger Menschen bei diesen Konflikten als früher, sondern sogar mehr. Bedeutend mehr!

      Heute beobachten wir eine fast unbegrenzte, hypertrophierte Anwendung von Gewalt – militärischer Gewalt – in den internationalen Beziehungen, eine Gewalt, welche eine Sturmflut aufeinander folgender Konflikte in der Welt auslöst. Im Ergebnis reichen dann die Kräfte nicht mal für eine komplexe Lösung wenigstens eines dieser Konflikte aus. Eine politische Lösung ist ebenfalls unmöglich.

      Wir sehen eine immer stärkere Nichtbeachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts. Mehr noch: Eine Reihe bestimmter Normen, ja eigentlich fast das gesamte Rechtssystem eines Staates, vor allem natürlich der Vereinigten Staaten, hat seine Grenzen in allen Sphären überschritten: In der Wirtschaft, der Politik und im humanitären Bereich wird es anderen Staaten übergestülpt. Nur, wem gefällt das schon?

      (…)

      Das ist allerdings äußerst gefährlich. Es führt dazu, dass sich schon niemand mehr sicher fühlt. Ich will das unterstreichen: Niemand fühlt sich mehr sicher! Weil sich niemand mehr hinter dem Völkerrecht wie hinter einer schützenden Wand verstecken kann. Eine solche Politik erweist sich als Auslöser für das Wettrüsten.

      Die Dominanz des Faktors Gewalt löst in einer Reihe von Ländern den Drang nach dem Besitz von Massenvernichtungswaffen aus. Mehr noch: Es erschienen ganz neue Bedrohungen, die zwar früher schon bekannt waren, aber heute globalen Charakter annehmen, wie der Terrorismus.

      Ich bin überzeugt, dass wir heute an einem Grenzpunkt angelangt sind, an dem wir ernsthaft über die gesamte Architektur der globalen Sicherheit nachdenken sollten.

      (…)

      So ist das summierte BIP Indiens und Chinas hinsichtlich der paritätischen Kaufkraft schon größer als das der USA. Das gleichermaßen berechnete BIP der BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China – übersteigt das BIP der EU. Nach Auffassung der Experten wird diese Entwicklung weiter anhalten.

      Mit dieser Prognose hatte Putin Recht, China ist heute die größte Volkswirtschaft der Welt, nicht mehr die USA und trotz aller Probleme in den BRICS-Staaten, wächst ihre Wirtschaft wesentlich schneller als die der westlichen Länder.

      Es besteht kein Zweifel, dass das wirtschaftliche Potenzial neuer Wachstumszentren auf der Welt unausweichlich auch in politischen Einfluss umschlägt und die Multipolarität stärkt.

      In diesem Zusammenhang wächst auch die Rolle der multilateralen Diplomatie. Offenheit, Transparenz und Berechenbarkeit sind in der Politik ohne Alternative, aber die Anwendung von Gewalt sollte genauso kategorisch ausgeschlossen sein wie die Anwendung der Todesstrafe in den Rechtssystemen der meisten Staaten.

      Wir beobachten aber heute im Gegenteil, dass Länder, in denen die Anwendung der Todesstrafe sogar gegenüber Mördern und anderen gefährlichen Verbrechern verboten ist, ungeachtet dessen an militärischen Aktionen teilnehmen, die schwerlich als legitim zu bezeichnen sind. Doch bei diesen Konflikten sterben Menschen – Hunderte, Tausende Zivilisten!

      (…)

      Warum muss man jetzt, bei jedem beliebigen Vorkommnis, bombardieren und schießen. Es kann doch nicht sein, dass es uns so sehr an politischer Kultur und Achtung vor den Werten der Demokratie und des Rechts fehlt, dass wir nicht auf die Androhung von Gewalt verzichten können.

      Ich bin überzeugt, dass der einzige Mechanismus zur Entscheidung über die Anwendung von Gewalt als letzte Maßnahme nur die UN-Charta sein darf (…) Legitim ist eine Anwendung von Gewalt nur dann zu nennen, wenn ihr ein UNO-Beschluss zu Grunde liegt. Und man darf die UNO nicht durch die NATO oder die EU ersetzen. (…) Zugleich muss man erreichen, dass das Völkerrecht universalen Charakter erhält, sowohl im Verständnis wie auch in der Anwendung der Normen.

      (…)

      Uns beunruhigen auch Pläne zum Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa. Wer braucht eine neue Runde eines in diesem Falle unausweichlichen Wettrüstens? Ich zweifele zutiefst daran, dass es die Europäer selbst sind.

      Über Raketenwaffen, die, um tatsächlich Europa gefährden zu können, eine Reichweite von 5000 bis 8000 Kilometern haben müssen, verfügt keines dieser so genannten „Problemländer“.

      Zur Erinnerung: Das US-Raketenabwehrsystem, das damals in der Entwicklung war und heute zum Teil bereits in Europa stationiert wurde, wurde mit der Bedrohung durch den Iran und Nordkorea begründet.

      Und in der absehbaren Zukunft werden sie auch keine haben, nicht einmal die Aussicht darauf. Selbst der hypothetische Start einer nordkoreanischen Rakete in Richtung des Territoriums der USA über Westeuropa hinweg widerspricht allen Gesetzen der Ballistik. Wie man bei uns in Russland sagt, ist das so, „als ob man sich mit der linken Hand am rechten Ohr kratzt“.

      (…)

      Aber was geschieht zur selben Zeit? In Bulgarien und Rumänien entstehen so genannte leichte amerikanische Vorposten-Basen mit jeweils 5000 Mann. Das bedeutet, dass die NATO ihre Streitkräfte immer dichter an unsere Staatsgrenzen heranbringt, und wir, die wir uns streng an den Vertrag halten, in keiner Weise auf dieses Vorgehen reagieren.

      Hier meint Putin die Nato-Russland-Akte, in der eine dauerhafte Stationierung von Nato-Soldaten in den neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa verboten war und bis heute ist. Der Vertrag gilt bis heute und wurde nie gekündigt oder geändert, trotzdem stationiert die Nato heute Soldaten in den osteuropäischen Ländern.

      Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Osterweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt. Nun haben wir das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese Erweiterung? Und was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben? Wo sind jetzt diese Erklärungen? An sie erinnert man sich nicht einmal mehr. Doch ich erlaube mir, vor diesem Auditorium daran zu erinnern, was gesagt wurde. Ich möchte ein Zitat von einem Auftritt des Generalsekretärs der NATO, Herrn Wörner, am 17. Mai 1990 in Brüssel bringen. Damals sagte er: „Schon der Fakt, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der BRD zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.“ Wo sind diese Garantien?

      Die Steine und Betonblocks der Berliner Mauer sind schon längst zu Souvenirs geworden. Aber man darf nicht vergessen, dass ihr Fall auch möglich wurde dank der historischen Wahl, auch unseres Volkes, des Volkes Russlands, eine Wahl zugunsten von Demokratie und Freiheit, für Offenheit und echte Partnerschaft mit allen Mitgliedern der großen europäischen Familie.

      Jetzt versucht man uns schon wieder neue Teilungslinien und Mauern aufzudrängen – wenn auch virtuelle, trotzdem trennende, die unseren gesamten Kontinent teilen. Soll es nun etwa wieder viele Jahre und Jahrzehnte dauern und den Wechsel von einigen Politiker-Generationen, um diese neuen Mauern zu „demontieren“?

      Nach dieser ausführlichen Kritik an der Politik der „Global Dominance“ der USA und der Nato-Osterweiterung kam Putin auch zu wirtschaftlichen Themen und Fragen des Freihandels, wobei sich Putin als entschiedener Globalisierungsgegner outete:

      Zu einem anderen wichtigen Thema, das unmittelbar die globale Sicherheit beeinflusst. Heute reden viele von dem Kampf gegen die Armut. Aber was passiert denn wirklich? Einerseits werden für die Hilfsprogramme zugunsten der ärmsten Länder Finanzmittel zur Verfügung gestellt, und nicht einmal geringe. Aber ganz ehrlich, auch das wissen viele, ist es so, dass sich Unternehmen der Geber-Länder dieses Geld „aneignen“. Zur selben Zeit werden andererseits in den entwickelten Ländern die Subventionen in der Landwirtschaft aufrechterhalten.

      Nennen wir die Dinge doch beim Namen: Mit der einen Hand wird „wohltätige Hilfe“ geleistet, aber mit der anderen