Den Ausgang eures eignen weisen Plans
Und tut, was selbst Fortuna nicht getan,
Entwürdgend, was ihr reicher habt geschätzt
Als Land und Meer? Dann pfui dem schnöden Raub!
Wir stahlen, was wir fürchten zu behalten,
Als Dieb', unwert des so gestohlnen Guts;
Was wir vergeltend raubten ihrem Strand,
Scheun wir zu schützen in der Heimat Land!
KASSANDRA
draußen. Weint, Troer, weint!
PRIAMUS
Welch Laut? Welch Schrein ist das?
TROILUS
Die tolle Schwester; ihre Stimm erkenn ich.
KASSANDRA
draußen. Weint, Troer!
HEKTOR
's ist Kassandra!
Kassandra kommt, in Verzückung [mit fliegenden Haaren ].
KASSANDRA
Weint, Troer, weint! Leiht mir zehntausend Augen,
Und alle füll ich mit prophetschen Tränen!
HEKTOR
Still, Schwester, still! –
KASSANDRA
Jungfraun und Knaben, Männer, schwache Greise,
Unmündge Kindheit, die nichts kann als weinen,
Verstärkt mein Wehgeschrei! Und zahlt voraus
Die Hälfte all des Jammers, der uns nah!
Weint, Troer, weint! Gewöhnt eur Aug an Tränen!
Troja vergeht, das schöne Ilium sinkt!
Paris, der Feuerbrand, verzehrt uns alle.
Weint, weint! O Helena, du Weh der Wehen!
Weint! Troja brennt! Verbannt sie, heißt sie gehen!
Geht ab.
HEKTOR
Nun, junger Troilus, weckt dies grause Lied
Der prophezeinden Schwester kein Gefühl
Der Reu im Herzen? Oder ist dein Blut
So toll erhitzt, daß Überlegung nicht,
Noch Furcht vor schlechtem Ausgang schlechter Sache
Die Glut dir mäßgen kann?
TROILUS
Ei, Bruder Hektor,
Wir dürfen nicht die Güte jeder Tat
Ermessen nach dem Ausgang des Erfolgs,
Noch unsre Herzen gleich entmutgen, weil
Kassandra rast. Ihr hirnverrücktes Toben
Verbittre nicht die Lust an einem Streit,
Dem unser aller Ehre sich verpfändet
Als wohlgeziemend. Mir für meinen Anteil
Gilt er nicht mehr als jedem Sohn des Priam;
Und Zeus verhüte, daß wir etwas täten,
Verföchten, drauf beharrten, was auch nur
Rechtmäßgen Grund zum kleinsten Tadel gäbe.
PARIS
Sonst dürfte wohl die Welt des Leichtsinns zeihn
Mein Unternehmen so wie euern Rat.
Doch, bei den Göttern, eur vollkommner Beifall
Gab Flügel meinem Wunsch und schnitt ganz weg
Jeglich Bedenken vor so kühner Tat.
Denn was vermag allein mein schwacher Arm?
Was nützt die Kühnheit eines Manns im Kampf, All derer Stoß und Feindschaft zu bestehn, Die solche Fehd erweckte? Dennoch schwör ich, Müßt ich allein den schweren Kampf versuchen Und käme nur die Macht dem Willen gleich, Nie widerriefe Paris, was er tat, Noch wankt' er im Verfolg.
PRIAMUS
Paris, du sprichst
Wie einer, dem von süßen Lüften schwindelt.
Du hast den Honig stets, die Galle sie;
So tapfer sein verdiente Ruhm noch nie.
PARIS
Ich trachte nicht allein den Freuden nach,
Die solche Schönheit ihrem Eigner bringt;
Des holden Raubes Vorwurf wünscht ich auch
Getilgt, indem wir ehrenvoll sie wahren.
Welch ein Verrat an der entführten Herrin,
Schmach euerm hohen Ruhm und Schande mir,
Nun aufzugeben solch ein Eigentum
Nach abgezwungenem Vergleich? Wärs möglich,
Daß so entartete Gesinnung je
Den Eingang fänd in eure edlen Herzen?
Auch dem Geringsten nicht in unserm Volk
Fehlt Mut, zu wagen und das Schwert zu ziehn
Für Helena; und kein so Edler ist,
Des Leben wär zu teur, des Tod unrühmlich,
Ist Helena der Preis. Deshalb beteur ich,
Wohl ziemt es sich, im Kampfe nicht zu weichen
Für die, der auf der Welt nichts zu vergleichen!
HEKTOR
Paris und Troilus, beide spracht ihr gut
Und habt erörtert Frag und Stand des Streits,
Doch oberflächlich – nicht ungleich der Jugend,
Die Aristoteles unfähig hielt
Zum Studium der Moralphilosophie.
Die Gründe, die ihr vortragt, leiten mehr
Zu heißer Leidenschaft des wilden Bluts,
Als die Entscheidung frei und klar zu schlichten,
Was Recht und Unrecht. Denn die Rach und Wollust
Sind tauber als der Ottern Ohr dem Ruf
Wahrhaften Urteils! Die Natur verlangt
Erstattung jedes Guts dem Eigner; nun,
Wo wär in aller Menschheit näheres Anrecht,
Als zwischen Mann und Ehfrau? Wird ein solches
Naturgesetz verletzt durch Leidenschaft
Und große Geister, dem betäubten Willen
Zu leicht sich fügend, widerstreben ihm,
So gibts in jedem Volksrecht ein Gesetz
Als Zügel solcher wütenden Begierden,
Die in Empörung alle Schranken brechen.
Ist Helena des Sparterkönigs Weib
– Wie sie's denn ist –, so ruft Moralgesetz
Des Staats wie der Natur mit lauter Stimme,
Sie ihm zurückzusenden. Fest beharren
Im Unrechttun, vermindert Unrecht nicht,
Nein, macht es schwerer. Dies ist Hektors Meinung,
Wenn er das Recht erwägt. Gleichwohl indes,
Ihr feurgen Brüder, neig ich mich zu euch
In dem Entschluß, nicht Helena zu lassen.
Denn wichtgen Einfluß hat des Streits Entscheidung
Auf aller so wie jedes einzein' Ruhm.
TROILUS
Ja,