Claudia Torwegge

Mami Staffel 6 – Familienroman


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nichts dazu sagen. Mach’s gut.«

      Werner stutzte einen Moment, so hatte Nathalie früher niemals gewagt, mit ihm zu sprechen. Aber dann nickte er. Es konnte ihm schließlich egal sein, zu welcher Megäre sich seine Exfrau entwickelte, solange er sie nicht am Hals hatte.

      Im stillen beglückwünschte er sich für sein gütiges Schicksal, das ihn vor dem Leben an der Seite einer alten, zeternden Frau bewahrt hatte. Mit Marlies würde er die ewige Jugend gepachtet haben. Ewige Jugend und nie versagende Manneskraft! Konnte man sich mehr wünschen?

      Er machte kehrt und verließ das Haus, ohne sich von Steffi oder Dennis zu verabschieden. Er kam nicht einmal auf die Idee, nach den Kindern zu schauen.

      *

      Nathalie wartete, bis die Haustür hinter ihrem Ehemann ins Schloß gefallen war, dann eilte sie die Treppe hinauf und stand gleich darauf vor Sandys geschlossener Zimmertür. Deutlich hörte sie das verzweifelte Weinen ihrer Tochter. Dieser Besuch ihres Vaters hatte mehr als nur ein paar Kinderträume zerstört. Dafür haßte Nathalie ihn in diesem Moment.

      »Sandy?« Vorsichtig klopfte sie und betrat den Raum.

      Das Mädchen sah ihr aus geröteten, verquollenen Augen entgegen.

      »Mami!« Plötzlich war Sandra wieder das kleine Mädchen, das sich vertrauensvoll in die Arme der Mutter schmiegt, dem einzigen Ort, wo aller Schmerz, aller Kummer geheilt werden kann. »Er ist ja so ein – so ein – Arsch!«

      »Sandy.« Obwohl Nathalie ihrer Tochter im stillen recht gab, durfte sie derartige Ausdrücke nicht dulden. »Dein Vater ist wahrlich kein Charakterbeispiel, aber er ist trotzdem dein Vater. Und als solcher hast du ihm ganz einfach einen gewissen Respekt entgegenzubringen.«

      »Wieso?« Sandy lehnte sich in den Armen ihrer Mutter zurück und sah sie empört an. »Wieso soll ich diesen Kerl respektieren, wenn er uns am liebsten in die Tonne treten würde? Wir bedeuten ihm nichts, das hat er selber gesagt. Wir waren wahrscheinlich nur so ’ne Art Übungsstücke für ihn, was weiß ich. Mir braucht der jedenfalls mit nichts mehr zu kommen.«

      Nathalie seufzte. Plötzlich keimte Zorn in ihr auf. Wieso hielt sie eigentlich immer noch zu Werner? Faselte ihrer Tochter was von »Respekt« vor und davon, daß er als Vater zu ehren sei, einfach weil er nun mal Vater war? Werner hatte freiwillig auf sein Besuchsrecht verzichtet. Er schaffte es nicht einmal, seinen Kindern zum Geburtstag oder den höchsten Feiertagen eine Karte zu schreiben, und jetzt wollte er ihnen auch noch den Unterhalt streichen! Ja, Sandra hatte vollkommen recht. Werner war ein…!

      Mit sanfter Gewalt zog Nathalie ihre Tochter erneut an ihre Brust und strich behutsam über Sandys noch weiches, kindliches Haar.

      »Du hast recht«, flüsterte sie zärtlich. »Wir brauchen den Kerl nicht. Wir schaffen es auch alleine.« Dann schob sie das Mädchen entschlossen von sich. »Hör zu!« forderte Nathalie ihre Tochter auf. »Du beruhigst dich jetzt, und dann feiern wir Steffis Geburtstag. Wir dürfen es nicht zulassen, daß dieser Doofmann uns diesen Tag vermiest, nicht wahr? Und heute abend, wenn hier wieder Ruhe eingekehrt ist, reden wir noch einmal ausführlich über die ganze Sache. In Ordnung?«

      Sandy nickte, wobei sie sich mit beiden Händen über das nasse Gesicht rieb.

      »Ich muß mir erst mal die Tränen abwaschen.« Ein kleines, verschmitztes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. »Wenn mich die Kiddys so verheult sehen, kriegen die ja gleich’n Affen und rennen kreischend davon.«

      Nathalie atmete erleichtert auf.

      »Laß dir Zeit«, riet sie noch, bevor sie sich erhob und das Zimmer verließ. »Bis gleich.«

      »Bis gleich«, murmelte Sandy und kuschelte sich wieder in die Kissen. Als die Tür hinter Nathalie ins Schloß fiel, war sie bereits eingeschlafen.

      *

      Das Eintreffen der Geburtstagsgäste ließ der Familie keine Zeit, über den Besuch zu diskutieren. Schon bald war der Garten erfüllt von den fröhlichen Stimmen der Kinder, die wie die Heuschrecken über die Torten und Süßigkeiten herfielen.

      Clemens hatte sich ein kleines Kasperlespiel ausgedacht, das er hinter einem aufgespannten Laken für die kleinen Gäste aufführte.

      Erst, als er den Grill entzündete und die ersten Mütter eintrafen, um ihre Kleinen abzuholen, fiel Nathalie auf, daß sich Sandra immer noch auf ihrem Zimmer verschanzt hatte.

      »Ich schaue mal nach ihr«, bot Dennis an, der gerade den Tisch deckte. »Bin gleich wieder da.«

      Nathalie klopfte ihm dankbar auf die Schulter, doch ihre Besorgnis wuchs, als sie bei seiner Rückkehr den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, der höchste Aufregung verriet.

      »Sie ist weg.« Sein ganzer Körper schien vor Angst zu beben. »Sie hat ein paar Klamotten zusammengerafft und ist einfach auf und davon.«

      Nathalie spürte, wie der Schock ihre Glieder lähmte. Eisige Kälte machte sich in ihr breit, die ihren Magen zu einem unförmigen, schweren Klumpen zusammenschmolz.

      »Hier.« Dennis reichte ihr einen Zettel, auf dem Sandra in hastig hingeworfenen Zeilen eine Nachricht hinterlassen hatte. »Das habe ich auf ihrem Bett gefunden.«

      Gehe nach München, werde Fernsehstar. Die Buchstaben verschwammen vor Nathalies Augen. Dann sorge ich für uns alle, und Papa kann sein verdammtes Geld behalten. Tschüs, macht Euch keine Sorgen.

      Mit zitternden Fingern faltete Nathalie den Zettel zusammen und sah sich nach Clemens um. Er stand am Grill, aber er spürte ihre Blicke. Mit seinem charmantesten Lächeln überredete er eine der Mütter, auf die Würstchen aufzupassen, und kam zu Nathalie herbeigeeilt, die ihm verzweifelt entgegenblickte.

      »Sandra ist weggelaufen.« Ihre Stimme klang schrill vor Angst. »Sie – oh, Gott, lies selbst.«

      Mit zitternden Fingern reichte Nathalie ihm den Zettel. Clemens überflog die wenigen Zeilen, dann sah er auf.

      »Was ist passiert?«

      Nathalie berichtete ihm in dürren Worten, was sich am Nachmittag zwischen Sandra und ihrem Vater abgespielt hatte.

      »In Ordnung.« Clemens Miene war bei Nathalies Bericht ganz hart geworden. Er ärgerte sich maßlos über Werners ungeschicktes, ja, rücksichtsloses Verhalten, aber er nahm sich nicht die Zeit, diesen Ärger zum Ausdruck zu bringen. Jetzt waren andere Dinge wichtiger.

      »Sie will nach München, schreibt sie«, überlegte Clemens laut. »Wieso ausgerechnet dorthin?«

      »Was weiß ich?« Nathalie begann, vor verzweifelter Ungeduld im Zimmer auf und ab zu gehen. »Vielleicht hat ihr irgend jemand erzählt, daß sie dort die größten Chancen hat. Oder sie hat in einer ihrer Lieblingszeitschriften was gelesen…«

      »Freundinnen!« unterbrach Clemens Nathalies Rede. »Freundinnen wissen immer mehr als die Eltern. Mit wem ist Sandra befreundet?«

      Da brauchte Nathalie nicht lange zu üerlegen.

      »Ihre beste Freundin ist momentan Maggy, Margarete Lohner. Die beiden stecken eigentlich in jeder freien Minute zusammen.«

      »Ruf’ sie an«, forderte Clemens ungeduldig. »Quetsch sie aus, ob sie irgend etwas weiß.«

      »Das mache ich«, mischte Dennis sich ein. »Ich hab’n besseren Draht zu Maggy als Mutti.«

      »Dann los!« Clemens hakte Nathalie unter, und zu dritt eilten sie ins Haus, wo Dennis sofort an den Apparat stürmte und Maggys Nummer aus dem Speicher suchte.

      Er hatte recht, Margarete zeigte sich sogar hocherfreut, als sie Dennis Stimme erkannte. Obwohl sie momentan mit Mike ging, stand die doch unheimlich auf Sandras großen Bruder, weil der nicht so ein angeberischer Macho war wie Mike und auch total gut aussah.

      Deshalb zierte sie sich auch gar nicht lange, Dennis die gewünschten Auskünfte zu geben.

      »Ich hab’ deine Schwester ’n Date als Fotomodell verschafft«, prahlte sie stolz. »Sechzehn Uhr,