mied Willows Blicke und konzentrierte sich auf die Anzeigen im Cockpit, damit das Shuttle nicht mit Weltraumschrott, Asteroiden oder anderen Dingen kollidierte, solange sie sich noch in der Nähe der bewohnbaren Zone befanden. Er war froh gewesen, als sie sich ein paar Stunden mit dem Schiff beschäftigt hatte, doch nun saß sie wieder neben ihm. Er sprach weiterhin nur das Nötigste mit ihr, hatte jedoch schnell herausgefunden, dass er ihr überhaupt keine Befehle erteilen musste. Sie wusste, was zu tun war.
Gut! Das gab ihm Zeit, über die Reise nachzudenken. Er musste sich mit dieser Frau arrangieren, um die Mission erfolgreich abzuschließen. Bloß wie sollte er sich ihr gegenüber verhalten? Sie hatte ihn eiskalt abblitzen lassen! Dabei hatte der Abend so gut angefangen. Als er sie im Club an der Bar sitzen sah, hatte er gewusst, dass er nur sie wollte. Alle anderen Schönheiten im Raum interessierten ihn plötzlich nicht mehr. Dabei würde er Willow nicht einmal als herausragend schön bezeichnen, dennoch hatte sie etwas an sich, das ihn magisch zu ihr hinzog. War es ihr süßer Mund, der stets den Eindruck erweckte, als würde sie schmollen? Oder ihr langer, eleganter Hals, den er wunderbar mit Küssen bedecken konnte? Ihr sinnlicher, kurviger Körper war jedoch auch nicht zu verachten. Er hätte ihr gestern am liebsten das enge Kleid noch an Ort und Stelle ausgezogen, wenn sie es nicht vermasselt hätte.
Möglichst unauffällig warf er ihr einen schnellen Blick zu. Warum hatte sie ihren Overall nun gegen dieses enge T-Shirt getauscht? Um ihn wieder zu ärgern? Dieses Miststück trug nicht einmal einen BH. Das machte sie doch mit Absicht!
Er fragte sich, warum sie ihn abserviert hatte, wenn sie ihn doch so offensichtlich anmachte. Das war ihm in all seinen fünfunddreißig Jahren noch nie passiert! Gefiel ihr an ihm etwas nicht? Oder war er zu forsch gewesen? Oder liebte sie es einfach, Männer zu reizen und sie dann fallenzulassen, nur um ihre Macht zu demonstrieren? Hatte Senator Longoria sie eingestellt, weil sie eiskalt und berechnend war und das der Mission zugute kam?
Nein, Longoria hatte loyale Leute gesucht.
Tausend Fragen und keinerlei Antworten schwirrten durch seinen Kopf.
Als sie sich auf die Berechnung konzentrierte, damit der Autopilot später das Shuttle an einem Asteroiden vorbeisteuerte, verweilte sein Blick länger auf ihr. Sie wirkte nicht glücklich, neben ihm sitzen zu müssen, und fast ein bisschen bedrückt.
Das bildete er sich ein! Er war sich keiner Schuld bewusst, schließlich hatte sie ihm im Club eindeutige Signale gegeben! Noah hatte ihre leidenschaftliche Seite kennengelernt. Aber sie besaß auch andere Qualitäten. Senator Longoria hatte ihm mit »Will Blisswater« nicht zu viel versprochen. Willow machte ihren Job verdammt gut. Sie war nicht nur eine äußerst fähige Co-Pilotin, sondern sollte auch als Mechanikerin einiges auf dem Kasten haben. Käme es zu einer Notsituation – was er nicht hoffte – machte er sich mit Willow an seiner Seite keine Sorgen. Tatsächlich war er der einzige, um den er sich Sorgen machte. Wie sollte er in den nächsten Tagen bloß ihrer Anziehungskraft widerstehen?
***
Willow wusste nicht, wie lange sie das Schweigen zwischen ihnen noch ertrug. Acht Stunden später hatte Noah den Vorfall im Club immer noch mit keinem Wort angesprochen und redete auch sonst nur das Nötigste mit ihr. Das schmerzte. Vielleicht sollten sie sich einfach aussprechen und sie ihm erzählen, warum sie ihr Liebesspiel unterbrochen hatte? Und dass es nicht – na ja, zumindest fast nicht – an ihm gelegen hatte. Das würde sein Ego aufpolieren.
Nur wie sollte sie beginnen, welche Worte wählen, um seinen männlichen Stolz nicht komplett einzustampfen?
Während sie überlegte, schaltete er auf Autopilot und überprüfte, ob der Scanner aktiviert war, der die Flugroute nach Hindernissen absuchte. Sie hatten die Zone mit dem Weltraumschrott hinter sich gelassen, und sollten weitere Störenfriede überraschend ihren Weg kreuzen, würde der Autopilot Alarm geben oder, falls möglich, von selbst um das Hindernis fliegen.
Gerade als es Willow geschafft hatte, sich gedanklich die passenden Worte zurechtzulegen, wünschte ihr Noah murmelnd eine »Gute Nacht« und verließ das Cockpit.
Mist!
Jetzt musste sie bis nach der Schlafenszeit warten, um mit ihm zu reden. Sie wusste jetzt schon, dass sie in den nächsten Stunden kein Auge zumachen würde, weil ihr das Thema schwer im Magen lag. Trotzdem begab sie sich wenige Minuten später ebenfalls in ihre winzige Kajüte. Vielleicht konnte sie ja doch schlafen, immerhin hatte sie letzte Nacht auch schon wachgelegen.
In ihrer Kabine zog sie sich aus und räumte ihren Spind ein. Trotz der Enge, stieß sie sich kein einziges Mal irgendwo an. Sie kannte die Ausmaße der Kajüte in- und auswendig, schließlich hatte sie Jahre auf solch einem Schiff verbracht. Oft malte sie sich aus, was aus ihr geworden wäre, wenn man ihren Vater nicht verhaftet hätte. Würde sie dann immer noch mit ihm durch das All düsen und dubiose Geschäfte erledigen?
Plötzlich musste sie an Noah denken. Was, wenn er sie beim Schmuggeln erwischt und verhaftet hätte? Er würde sie auf seinem Shuttle zum nächsten Stützpunkt des Imperiums bringen, doch bis sie dort ankamen, würde er sie in seiner Kabine gefangen halten und auf lustvolle Weise … Hör auf, Will!, ermahnte sie sich. Keine Sexfantasien mit deinem Captain!
Sie zog sich ihr Schlaf-T-Shirt über, schnappte sich den Beutel mit ihren Hygieneartikeln und trat hinaus in den Gang. Gegenüber von ihrer Tür lag die Kajüte von Noah. Ob er bereits schlief?
Daneben befand sich das winzige Badezimmer, beziehungsweise die »Nasszelle«. Sie war nicht verschlossen und ein grünes Licht zeigte an, dass sie nicht besetzt war. Schade eigentlich, zusammen mit Noah würde sie wesentlich weniger Wasser unter der Dusche verschwen… Schluss jetzt!
Schnell betrat sie den kleinen Raum, der quasi nur aus einem Waschbecken, einer Toilette und einer Dusche bestand, um sich fertig fürs Bett zu machen. Danach kehrte sie zurück in ihre Kajüte, verließ sie aber sofort wieder, wobei sie hoffte, Noah über den Weg zu laufen. Vielleicht genehmigte er sich in der Bordküche noch einen Schlummertrunk?
Dort war er jedoch auch nicht anzutreffen. Die winzige Kombüse lag im Dunkeln.
Willows Magen knurrte. Sie hatte seit Reisebeginn nichts zu sich genommen! Obwohl sie sich gerade erst die Zähne geputzt hatte, beschloss sie, sich etwas zu essen zu machen, denn mit leerem Magen würde sie erst recht nicht schlafen können. Das Licht flackerte automatisch auf, als sie die Kombüse betrat und die auf Hochglanz polierten Schränke durchsuchte. Sie stieß auf Kakaopulver, das sie in einen Becher schüttete, mit Wasser aufgoss, umrührte und zum Aufwärmen in den Heater stellte. Danach gab sie weiße Rice-Crisps und regenbogenfarbene Vingjan-Flocken dazu. Die liebte Willow, denn die knusperten so schön.
Wenige Sekunden später setzte sie sich an den schmalen, runden Tisch in der Mitte des Raumes und löffelte gedankenverloren ihr Müsli. Was würde der morgige Tag bringen?
Kapitel 4 – Morgendlicher Überfall
Als sie der Wecker des Bordsystems mit den durchdringenden Klängen eines Akkuschraubers weckte – ja, Willow hatte ein Faible für außergewöhnliche Wecktöne –, stellte sie ihn mit einem harsch gemurmelten »Schnauze« ab und blieb mit geschlossenen Augen liegen. Wie erwartet war die Nacht höllisch gewesen, denn all ihre Gedanken hatten sich natürlich um Noah gedreht. In ihren wirren Träumen war er einfach zu ihr in die Kabine gekommen, hatte sich zu ihr auf das schmale Bett gelegt, sie geküsst und sich für sein Verhalten entschuldigt.
Willow schreckte auf und setzte sich kerzengerade hin. Beinahe wäre sie wieder eingeschlummert, aber sie durfte nicht zu spät kommen! Sie würde Noah bloß einen Grund liefern, auf ihr rumzuhacken, und den wollte sie ihm auf keinen Fall gönnen. Deshalb sprang sie aus dem Bett, schnappte sich ihren Kulturbeutel und riss die Tür auf. Draußen fiel sie fast in Noah hinein, als er den Gang kreuzte, um ebenfalls zum Waschraum zu gelangen.
Abrupt blieb er stehen und hielt sie an den Schultern fest. Doch sofort ließ er sie los, machte einen Schritt zurück und musterte ihre nackten Beine in ihrem viel zu kurzen Schlafshirt. Willow konnte auch nicht den Blick von ihm nehmen. Bei Orion, sah der Kerl verboten heiß