Оскар Уайльд

Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde


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Tücher aus Java mit seltsamen Figuren: feine, gelbe chinesische Gardinen: Bücher, in lohfarbigen Atlas oder hellblaue Seide gebunden und eingepreßte heraldinische Lilien, Vögel und Schildereien zeigten Pointslace-Schleiergewebe aus Ungarn: sizilianische Brokate und steife spanische Sammete: georgische Arbeiten mit ihren goldenen Münzen, und japanische Fukusas mit ihren grünen Goldtönen und ihren gefiederten Vögeln wunderbarster Arbeit.

      Er hatte dann eine besondere Leidenschaft für kirchliche Gewänder wie für alles, was mit dem religiösen Ritus zusammenhing. In den langen Kästen aus Zedernholz, die auf der westlichen Galerie seines Hauses standen, hatte er viele seltene, schöne Proben des wahrhaften Kleides der Christusbraut angesammelt, die sich in Purpur, in Edelsteine und feines Linnen kleiden muß, um den bleichen, abgezehrten Leib darin zu verhüllen, der erschöpft ist von den Leiden, die sie sucht, und verwundet von selbst zugefügten Schmerzen. Er besaß einen prachtvollen Chorrock aus karminroter Seide und goldgewirktem Damast, der mit einem sich wiederholenden Muster von goldenen Granatäpfeln geziert war, die auf sechsblättrigen, regelmäßigen Blüten saßen, worunter auf jeder Seite ein in Staubperlen gestickter Tannenzapfen war. Die Goldstickereien waren in einzelne Felder geteilt, in denen Szenen aus dem Leben der Jungfrau abgebildet waren und die Krönung der Jungfrau war in der dazu gehörigen Kappe in farbiger Seide oben eingestickt. Es war italienische Arbeit aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Ein anderer Chorrock war aus grünem Samt, bestickt mit herzförmigen Bündeln von Akanthusblättern, aus denen langgestielte weiße Blüten hervorsprossen, die zart mit silbernen Fäden und farbigen Kristallperlen ausgearbeitet waren. Auf der Spange war der Kopf eines Seraphs in erhabener Goldstickerei ausgeführt. Die Borten waren fortlaufend auf blumigem Tuch in roter und goldener Seide eingewebt und mit den Medaillonbildnissen vieler Heiligen und Märtyrer ausstaffiert, unter denen sich der heilige Sebastian befand. Er hatte auch Meßgewänder aus bernsteinfarbiger Seide und blauer Seide und goldenem Brokat und aus gelbem Seidendamast und goldenem Tuch, die bedeckt waren mit Darstellungen der Passion und der Kreuzigung Christi, und bestickt mit Löwen, Pfauen und anderen Emblemen, er hatte Dalmatikas aus weißem Atlas und rosarotem Seidendamast, geziert mit Tulpen, Delphinen und heraldischen Lilien: Altardecken aus karmoisinrotem Samt und blauem Linnen, und viele Decken für Meßgeräte, Kelchhüllen und Schweißtücher. In den mystischen Diensten, zu denen diese Dinge bestimmt waren, lag etwas, das seine Einbildungskraft anregte.

      Denn diese Schätze und überhaupt alles, was er in seinem wunderbaren Hause ansammelte, waren für ihn Mittel zum Vergessen, Liebhabereien, durch die er eine Zeitlang der Angst entrinnen konnte, die ihm oft zu groß erschien, um sie zu ertragen. An die Wand des verlassenen, verschlossenen Raumes, worin er einen so großen Teil seiner Knabenzeit verbracht hatte, hatte er mit seinen eigenen Händen das fürchterliche Porträt aufgehängt, dessen Züge ihm in ihrer Veränderung die wahrhafte Erniedrigung seines Lebens zeigten, und darüber hatte er als Vorhang das Bahrtuch aus Gold und Purpur angebracht. Wochenlang mochte er nicht dahin gehen, wollte er das gräßliche Gemälde vergessen und gewann dann wieder sein leichtes Herz zurück, seine wunderbare Fröhlichkeit und seine Kraft zu leidenschaftlicher Versenkung ins Leben. Dann aber schlich er plötzlich in einer Nacht aus dem Hause, besuchte schaurige Orte in der Nähe von Blue Gate Fields und blieb dort Tag um Tag, bis es ihn wieder wegtrieb. Nach seiner Rückkehr saß er dann wohl vor dem Bilde, manchmal voll Haß vor ihm und vor sich selbst, ein andermal aber erfüllt mit dem Stolze auf das eigene Wesen, der den halben Reiz der Sünde ausmacht, und er lächelte dann mit geheimem Vergnügen das verunstaltete Abbild an, das die Last zu tragen hatte, die eigentlich für ihn bestimmt war.

      Nach einigen Jahren konnte er es nicht aushalten, lange von England weg zu sein, und gab das Landhaus auf, das er gemeinsam mit Lord Henry in Trouville innegehabt hatte, und ebenso das kleine, von weißer Mauer umrahmte Haus in Algier, wo sie mehr als einmal den Winter verbracht hatten. Er konnte es nicht ertragen, von dem Porträt getrennt zu sein, das jetzt gewissermaßen ein Teil seines Lebens geworden war, und er fürchtete auch, es könne in seiner Abwesenheit irgend jemand Zutritt bekommen trotz den sorgfältig gearbeiteten Sicherheitsschlössern, die er an der Türe hatte anbringen lassen.

      Er war sich vollauf bewußt, daß niemand etwas verraten könne. Allerdings bewahrte das Bild unter all der Gemeinheit und Häßlichkeit seines Antlitzes noch eine deutliche Ähnlichkeit mit ihm, aber was konnte das den Leuten sagen? Er würde jeden auslachen, der es versuchen wollte, ihn zu schmähen. Er hatte es ja nicht gemalt. Was ging es ihn an, wie abscheulich und schändlich es aussah? Selbst wenn er jemand die Wahrheit erzählte, konnte sie einer glauben?

      Und doch hatte er Angst. Wenn er manchmal in seinem großen Hause in Nottinghamshire war und die eleganten jungen Leute, die meistens seine Gesellschaft bildeten, bewirtete, und die Leute der Grafschaft durch den ausschweifenden Luxus und den verschwenderischen Glanz seines Lebens in Erstaunen setzte, dann verließ er wohl plötzlich seine Gäste und eilte zurück in die Stadt, um nachzusehen, ob sich niemand an der Türe zu schaffen gemacht habe und ob das Bild noch da sei. Wie, wenn es jemand gestohlen hätte? Der bloße Gedanke erfüllte ihn mit kaltem Entsetzen. Gewiß würde dann die Welt sein Geheimnis erfahren. Vielleicht hatte sie schon Verdacht geschöpft.

      Denn genau wie er viele fesselte, gab es auch nicht wenige, die ihm mißtrauten. Er wäre fast schwarz ballotiert worden in einem Westend-Klub, zu dessen Mitgliedschaft ihn soziale Stellung und Geburt vollständig berechtigten, und es hieß, daß einmal, als ihn ein Freund in das Rauchzimmer des Curchill-Klubs mitgebracht hatte, der Herzog von Berwick und ein anderer Herr in auffallender Weise aufgestanden und hinausgegangen wären. Sonderbare Geschichten waren über ihn im Umlauf, als er sein fünfundzwanzigstes Jahr vollendet hatte. Man munkelte, daß man ihn in einer elenden Kaschemme in einem entlegenen Winkel Whitechapels mit fremden Matrosen habe zechen sehen, und daß er mit Dieben und Falschmünzern umgehe und die Geheimnisse ihres Gewerbes kenne. Seine auffallende Gewohnheit, zu bestimmten Zeiten zu verschwinden, war bekannt, und wenn er dann wieder in der Gesellschaft auftauchte, flüsterte man sich in den Ecken Bemerkungen zu oder man ging an ihm mit einem unzweideutigen Lächeln oder mit kühlen, forschenden Blicken vorbei, als wäre man entschlossen, sein Geheimnis zu enthüllen.

      Von diesen Unverschämtheiten und versuchten Beleidigungen nahm er natürlich keine Notiz, und in den Augen der meisten Leute war sein offenes, freundliches Wesen, sein reizendes Knabenlächeln und die unendliche Grazie der wundervollen Jugend, die ihn nie zu verlassen schien, an sich eine genügende Antwort auf die Verleumdungen, denn so nannte man es, die über ihn im Umlauf waren. Indessen bemerkte man, daß einige von denen, die früher sehr innig mit ihm verkehrt hatten, ihn nach einiger Zeit zu meiden anfingen. Frauen, die ihn glühend geliebt hatten und um seinetwillen allem Tadel der Gesellschaft getrotzt und die Konvention verachtet hatten, konnte man vor Scham oder Entsetzen erbleichen sehen, wenn Dorian Gray ins Zimmer trat.

      Doch dieses Skandalgeflüster erhöhte in den Augen vieler nur seinen seltsamen und gefährlichen Reiz. Auch sein großer Reichtum bot ein gewisses Unterpfand der Sicherheit. Die Gesellschaft, wenigstens die zivilisierte Gesellschaft, ist niemals schnell geneigt, etwas Schlechtes von denen zu glauben, die zugleich reich und interessant sind. Sie begreift instinktiv, daß Manieren wichtiger sind als Moral, und ihrer Meinung nach ist die höchste Ehrbarkeit weniger wert als der Besitz eines guten Küchenchefs. Und schließlich ist es auch ein sehr schwacher Trost, wenn einem gesagt wird, daß der Mann, bei dem es ein schlechtes Diner oder einen elenden Wein gegeben hat, in seinem Privatleben unantastbar dasteht. Selbst die Kardinaltugenden können nicht für kalt gewordene Entrees entschädigen, bemerkte Lord Henry einmal, als man über dieses Thema sprach; und für seine Ansicht spricht wahrscheinlich sehr viel. Denn die Gesetze der guten Gesellschaft sind oder sollten wenigstens dieselben sein, wie die Regeln der Kunst. Form ist für sie unbedingt wesentlich. Sie sollte die Würde ebenso wie die Unwirklichkeit einer Zeremonie haben und sollte den unaufrichtigen Schein eines romantischen Schauspiels mit dem Witz und der Schönheit verbinden, die für uns das Entzücken solcher Spiele ausmachen. Ist Unaufrichtigkeit denn etwas so Furchtbares? Ich glaube nicht. Sie ist nur ein Mittel, wodurch wir unsere Persönlichkeit vervielfachen können.

      Das war wenigstens die Meinung von Dorian Gray. Er pflegte sich über die seichte Psychologie derer zu wundern, die sich, das Ich eines Menschen als etwas Einfaches, Beständiges, Verläßliches und Einheitliches vorstellen. Für ihn war der Mensch ein Wesen mit Myriaden von Leben