Оскар Уайльд

Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde


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mich, warum Berwick aus dem Zimmer geht, wenn ich eintrete. Er tut das, weil ich sein Leben durch und durch kenne, nicht weil er etwas von mir wüßte. Wie könnte er bei dem Blut, das in seinen Adern rollt, nicht viel auf dem Kerbholz haben? Du fragst mich nach Henry Ashton und dem jungen Perth. Habe ich dem einen seine Laster, dem anderen seine Ausschweifungen beigebracht? Wenn sich Kents schwachköpfiger Sohn sein Weib von der Straße holt, was gehts mich an? Wenn Adrian Singleton den Namen seines Freundes auf einen Wechsel schreibt, bin ich sein Hüter? Ich weiß, wie die Leute in England klatschen. Die Mittelklassen spreizen sich bei ihren endlosen Diners mit ihren moralischen Vorurteilen und munkeln von etwas, das sie die Ausschweifungen derer nennen, denen es besser geht, und um sich damit zu brüsten, daß sie in der feinen Gesellschaft verkehren und intim mit den Leuten sind, die sie durchhecheln. Bei uns zulande genügt es, daß einer Vornehmheit und Geist hat, damit sich jede gemeine Zunge an ihm wetzt. Und was für eine Art Leben führen denn diese Menschen selber, die sich so auf die Moral hinausspielen? Mein lieber Junge, du vergißt, daß wir in der Heimat der Heuchelei leben.«

      »Dorian,« rief Hallward, »darum handelt sich's nicht. Wie schlecht es um England bestellt ist, weiß ich selbst und wie die englische Gesellschaft verrottet ist. Gerade deshalb wünsche ich, daß du gut bleibst. Du bist nicht gut geblieben. Man hat ein Recht darauf, einen Menschen nach der Wirkung zu beurteilen, die er auf seine Freunde ausübt. Deine Freunde scheinen alles Gefühl für Ehre, für Anstand, für Reinheit zu verlieren. Du hast sie mit einer wahnsinnigen Genußsucht erfüllt. Sie sind tief gesunken. Ja: und du hast sie da hinabgeführt, und doch kannst du lächeln, und du lächelst jetzt noch. Und es gibt noch viel Schlimmeres. Ich weiß, du und Harry seid unzertrennlich. Schon aus diesem Grunde, wenn aus keinem anderen, hättest du den Namen seiner Schwester nicht zum Spott machen dürfen!«

      »Nimm dich in acht, Basil. Du gehst zu weit.«

      »Ich muß sprechen, und du mußt mich hören. Als du Lady Gwendolen kennenlerntest, hatte sie noch nicht der leiseste Hauch übler Nachrede berührt. Gibt es jetzt eine einzige anständige Frau in London, die mit ihr im Park spazieren fahren würde? Ja, nicht einmal ihre Kinder dürfen bei ihr wohnen. Dann gibt es andere Geschichten – Geschichten, daß man dich gesehen hat, wie du in der Dämmerung aus schrecklichen Häusern herausgeschlichen bist, daß du dich verkleidet in den niederträchtigsten Kneipen Londons herumtreibst. Ist das wahr? Kann das wahr sein? Als ich das erstemal so etwas hörte, lachte ich. Jetzt höre ich es mit Schaudern. Wie steht es mit deinem Landhause und dem Leben, das dort geführt wird? Dorian, du weißt nicht, was man über dich spricht. Ich will dir das nicht vorhalten, ich will dir keine Predigt halten. Ich erinnere mich, daß Harry einmal gesagt hat, jeder Mensch, der sich als Moralprediger versuchen will, fängt damit an, daß er sagt, er wolle nicht predigen und dann sein Wort bricht. Ich will dir also eine Predigt halten. Ich möchte dich ein solches Leben führen sehen, daß die Welt Achtung vor dir haben soll. Ich will, daß du einen reinen Namen und einen guten Ruf hast. Ich will, daß du dich von den gräßlichen Menschen losmachst, mit denen du jetzt fraternisierst. Zucke nicht mit den Achseln. Sei nicht so gleichgültig. Du hast einen mächtigen Einfluß. Laß ihn zum Guten und nicht zum Bösen wirken. Man sagt, du verderbest jeden Menschen, mit dem du intim wirst, und es sei völlig hinreichend, daß du ein Haus betrittst, damit dir Schande irgendeiner Art auf dem Fuße folge. Ich weiß nicht, ob dem so ist oder nicht. Wie sollte ich's auch wissen? Aber man sagte es von dir. Man sagte mir Dinge, die ich unmöglich länger anzweifeln kann. Lord Gloucester war einer meiner liebsten Freunde in Oxford. Er hat mir den Brief gezeigt, den ihm seine Frau geschrieben hat, als sie allein in ihrer Villa in Mentone auf dem Sterbebette lag. Dein Name war da in die fürchterlichste Beichte verwickelt, die ich je gelesen habe. Ich sagte ihm, daß es Tollheit wäre, daß ich dich durch und durch kennte und daß du zu irgend etwas Derartigem unfähig wärest. Kenne ich dich? Ich frage mich, kenne ich dich? Bevor ich darauf antworten kann, müßte ich deine Seele sehen.«

      »Meine Seele sehen«, murmelte Dorian Gray, stand vom Sofa auf und wurde beinah weiß vor Angst.

      »Ja,« antwortete Hallward ernst und ein tiefschmerzlicher Klang zitterte in seiner Stimme – »deine Seele sehen. Aber das kann nur Gott.«

      Ein bitter-höhnisches Gelächter brach aus dem Munde des Jüngeren. »Du sollst sie selbst sehen, noch heute nacht!« rief er aus und nahm eine Lampe vom Tisch. »Komm: sie ist das Werk deiner eigenen Hand. Warum solltest du es nicht sehen? Du kannst nachher aller Welt davon erzählen, wenn du willst. Niemand würde dir glauben. Wenn sie dir glaubten, haben sie mich deswegen nur um so lieber. Ich kenne unsere Zeit besser als du, obwohl du darüber so langweilig faseln kannst. Komm, sag' ich dir. Du hast genug über Verderbnis geschwatzt. Jetzt sollst du sie von Angesicht zu Angesicht sehen.«

      In jedem Wort, das er sprach, klang der Wahnsinn des Hochmuts. Er stampfte in seiner knabenhaften, dreisten Art mit dem Fuß auf die Dielen. Er empfand ein furchtbares Vergnügen bei dem Gedanken, daß ein anderer jetzt sein Geheimnis teilen solle und daß der Mann, der sein Bild gemalt hatte, das der Ursprung all seiner Schande war, für den Rest seines Lebens die Last der gräßlichen Erinnerung an seine Tat mit sich herumschleppen müsse.

      »Ja,« fuhr er fort und trat näher zu ihm heran und sah ihm fest in die ernsten Augen, »ich werde dir meine Seele zeigen. Du sollst das Machwerk sehen, von dem du glaubst, daß es nur Gott sehen kann.«

      Hallward schrak zurück. »Das ist Gotteslästerung, Dorian. Du darfst nicht solche Dinge sagen. Sie sind schrecklich und unverständig.«

      »Glaubst du?« Er lachte wieder.

      »Ich weiß es. Was ich dir heute abend gesagt habe, hab' ich zu deinem Besten gesagt. Du weißt, ich war dir immer ein guter Freund.«

      »Werde nur nicht rührselig. Mach' Schluß mit dem, was du noch zu sagen hast.«

      Ein wehevolles Jucken ging durch das Gesicht des Malers. Er schwieg einen Augenblick und ein heftiger Mitleidsschmerz überkam ihn. Welches Recht hatte er schließlich, in Dorian Grays Leben hineinzuspähen? Wenn er nur den zehnten Teil von dem getan hatte, wovon die Gerüchte gingen, wie qualvoll mußte er gelitten haben! Dann richtete er sich auf, ging zum Kamin hinüber und blieb da stehen, versunken in den Anblick der brennenden Holzscheite, die mit ihrer weißen Asche wie bereift aussahen und stierte ihre zuckenden Feuerherzen an.

      »Ich warte, Basil«, sagte der junge Mann mit harter, spitzer Stimme.

      Er drehte sich um. »Was ich noch zu sagen habe, ist das«, rief er. »Du mußt mir eine Antwort geben auf diese fürchterlichen Anklagen, die gegen dich erhoben werden. Wenn du mir sagst, daß sie von Anfang bis zu Ende unwahr sind, werde ich dir glauben. Leugne sie ab, Dorian, leugne sie ab! Kannst du nicht sehen, was ich durchmache? Mein Gott, sage mir nicht, daß du schlecht und verderbt und schändlich bist!«

      Dorian Gray lächelte. Seine Lippen krausten sich in Verachtung. »Komm hinauf, Basil«, sagte er ruhig. »Ich führe da ein Tagebuch meines Lebens, Tag für Tag, und es verläßt niemals das Zimmer, in dem es geschrieben wird. Ich will es dir zeigen, wenn du mit mir kommst.«

      »Ich komme mit, Dorian, wenn du es haben willst. Ich sehe, daß ich meinen Zug versäumt habe. Das tut nichts. Ich kann morgen fahren. Aber verlange nicht von mir, daß ich heute nacht noch etwas lese. Was ich will, ist eine klare Antwort auf meine Frage.«

      »Die soll dir oben zuteil werden. Ich kann sie dir hier nicht geben. Du wirst nicht lange zu lesen haben.«

       Inhaltsverzeichnis

      Er verließ das Zimmer und begann die Treppe hinaufzugehen, Basil Hallward folgte dicht hinter ihm. Sie gingen leise, wie man es bei Nacht instinktiv tut. Die Lampe warf phantastische Schatten auf Wand und Treppe. Im Winde, der sich erhoben hatte, klirrten einige Fenster.

      Als sie den obersten Absatz erreicht hatten, stellte Dorian die Lampe auf den Boden, nahm den Schlüssel heraus und schloß auf. »Du bestehst auf einer Antwort, Basil?« fragte er mit gedämpfter Stimme.

      »Ja.«

      »Das freut mich«,