Оскар Уайльд

Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde


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seinen Wein.

      Lady Narborough schlug ihn mit dem Fächer. »Lord Henry, ich bin nicht im mindesten überrascht, daß die ganze Welt über Ihre Ruchlosigkeit klagt.«

      »Aber welche ganze Welt tut das?« fragte Lord Henry, seine Brauen hochziehend. »Es kann nur die Nachwelt sein. Denn diese Welt und ich, wir stehen brillant miteinander.«

      »Alle meine Bekannten sagen, daß Sie sehr ruchlos sind!« rief die alte Dame den Kopf schüttelnd.

      Lord Henry sah einige Augenblicke ernsthaft aus. »Es ist ganz abscheulich,« sagte er schließlich, »wie die Leute heutzutage herumgehen und einem hinterm Rücken Dinge nachsagen, die ganz und gar auf Wahrheit beruhen.«

      »Ist er nicht unverbesserlich?« rief Dorian und beugte sich in seinem Stuhl vor.

      »Ich hoffe«, sagte die Wirtin lachend. »Aber wenn Sie wirklich alle Madame de Ferrol in dieser lächerlichen Weise anbeten, so muß ich auch wieder heiraten, um in Mode zu kommen.«

      »Sie werden nie wieder heiraten, Lady Narborough«, unterbrach Lord Henry. »Sie waren viel zu glücklich. Wenn eine Frau wieder heiratet, so tut sie es, weil sie ihren ersten Mann verabscheute. Wenn ein Mann wieder heiratet, so tut er es, weil er seine erste Frau anbetete. Frauen versuchen ihr Glück, Männer setzen das ihre aufs Spiel.«

      »Narborough war nicht vollkommen!« rief die alte Dame.

      »Wenn er es gewesen wäre, hätten Sie ihn nicht geliebt, meine teure Lady«, war die Antwort. »Frauen lieben uns um unserer Fehler willen. Wenn wir ihrer genug haben, vergeben sie uns alles, selbst unseren Geist. Ich fürchte, Sie werden mich nie wieder zu einem Diner bitten, nachdem ich das gesagt habe, Lady Narborough, aber es ist völlig wahr.«

      »Natürlich ist es wahr, Lord Henry. Wenn wir Frauen euch nicht eurer Fehler halber liebten, wo wäret ihr alle? Nicht ein einziger von euch würde verheiratet sein. Und ihr wäret eine Sekte unglücklicher Junggesellen. Das würde aber nicht viel an euch ändern. Heutzutage leben alle Ehemänner wie Junggesellen und alle Junggesellen wie Ehemänner.«

      »Fin de siècle«, flüsterte Lord Henry.

      »Fin du globe«, entgegnete die Gastgeberin.

      »Ich wollte, es wäre fin du globe«, sagte Dorian mit einem Seufzer. »Das Leben ist eine große Enttäuschung.«

      »Ah, mein Lieber!« rief Lady Narborough und zog ihre Handschuhe an, »sagen Sie mir nicht, daß Sie das Leben erschöpft haben. Wenn ein Mann das sagt, weiß man, daß das Leben ihn erschöpft hat. Lord Henry ist im höchsten Grade ruchlos, und ich wünsche manchmal, ich wäre es auch gewesen; aber Sie sind geschaffen, um gut zu sein – Sie sehen so gut aus. Ich muß Ihnen eine hübsche Frau verschaffen. Lord Henry, meinen Sie nicht, daß Herr Gray heiraten sollte?«

      »Ich sage ihm das immer, Lady Narborough«, erwiderte Lord Henry mit einer Verbeugung.

      »Schön, so wollen wir uns nach einer guten Partie für ihn umsehen. Ich werde heute nacht den Adelskalender aufmerksam durchgehen und eine Liste aller in Frage kommenden jungen Damen aufstellen.«

      »Mit ihrer Altersangabe, Lady Narborough?« fragte Dorian.

      »Natürlich mit ihrem Alter, ein wenig retuschiert. Aber man darf nichts übereilen. Ich will, daß es genau das wird, was die Morning Post eine passende Verbindung nennt, und ihr sollt beide glücklich werden.«

      »Was die Menschen doch für einen Unsinn über glückliche Ehen reden!« rief Lord Henry. »Ein Mann kann mit jeder Frau glücklich werden, solange er sie nicht liebt.«

      »Pfui! Was sind Sie für ein Zyniker!« rief die alte Dame, schob ihren Stuhl zurück und nickte Lady Ruxton zu. »Sie müssen bald wiederkommen und bei mir essen. Sie sind wirklich ein wunderbarer Appetitanreger, viel besser als das, was mir mein Hausarzt verschreibt. Sie müssen mir sagen, was für Leute Sie gern treffen würden. Es soll ein entzückendes Beisammensein werden.«

      »Ich liebe Männer, die eine Zukunft haben, und Frauen, die eine Vergangenheit haben«, antwortete er. »Oder beabsichtigen Sie, eine Weibergesellschaft zustande zu bringen?«

      »Ich fürchte fast«, sagte sie lachend, indem sie sich erhob. »Ach, verzeihen Sie tausendmal, Lady Ruxton,« fuhr sie fort, »ich habe nicht bemerkt, daß Sie mit Ihrer Zigarette noch nicht fertig waren.«

      »Macht nichts, Lady Narborough. Ich rauche viel zuviel. Ich muß mich darin in Zukunft einschränken.«

      »Bitte, tun Sie das nicht, Lady Ruxton«, sagte Lord Henry. »Mäßigung ist eine unglückliche Sache. Genug ist nicht besser als eine Mahlzeit. Mehr als genug ist so gut wie ein Festessen.«

      Lady Ruxton sah ihn neugierig an. »Lord Henry, Sie müssen mich eines Nachmittags besuchen und mir das erklären. Es klingt wie eine verlockende Theorie«, sagte sie, während sie aus dem Zimmer rauschte.

      »Jetzt bitte, sitzt mir nicht zu lange bei eurer Politik und euerm Klatsch!« rief Lady Narborough von der Tür aus. »Wenn ihr das tut, zanken wir sicher mit euch, wenn ihr nach oben kommt.«

      Die Männer lachten, und Herr Chapman stand feierlich vom Ende der Tafel auf und setzte sich oben hin. Dorian Gray wechselte seinen Platz und setzte sich neben Lord Henry. Herr Chapman begann mit lauter Stimme über die parlamentarische Lage zu sprechen. Er heulte laut auf über seine Widersacher. Das Wort Doktrinär – ein Wort voller Schrecken für den britischen Geist – tauchte von Zeit zu Zeit in seinen Wutausbrüchen auf. Eine doppelt ausgesprochene Vorsilbe diente seiner Rede als Alliteration zum Schmuck. Er hißte den Union Jack auf dem Mast des Gedankens auf. Die angestammte Dummheit der Rasse – gesunder englischer Menschenverstand nannte er sie wohlwollend – wurde als das Hauptbollwerk der Gesellschaft hingestellt.

      Ein Lächeln kräuselte Lord Henrys Lippen, und er drehte sich um und blickte zu Dorian hin.

      »Geht dir's jetzt besser, lieber Junge?« fragte er. »Du schienst bei Tisch gar nicht recht wohl zu sein.«

      »Mir ist ganz wohl. Ich bin müde. Sonst nichts.«

      »Du warst entzückend gestern abend. Die kleine Herzogin hat dich ganz in ihr Herzchen geschlossen. Sie hat mir erzählt, sie käme nach Selby.«

      »Sie hat mir versprochen, am zwanzigsten zu kommen.«

      »Wird Monmouth auch da sein?«

      »Oh, gewiß, Harry!«

      »Er langweilt mich entsetzlich, fast ebenso sehr, wie er sie langweilt. Sie ist sehr verständig, zu verständig für eine Frau. Es fehlt ihr der unbeschreibliche Reiz der Schwäche. Die tönernen Füße sind's, die erst das Gold der Bildsäule wertvoll machen. Ihre Füße sind ganz allerliebst, aber es sind keine Tonfüße. Weiße Porzellanfüße, wenn du willst. Sie sind schon im Feuer gewesen, und was das Feuer nicht zerstört, macht es hart. Sie hat ihre Erfahrungen.«

      »Wie lange ist sie verheiratet?« fragte Dorian.

      »Sie sagt, eine Ewigkeit. Nach dem Adelskalender, glaube ich, sind es wohl zehn Jahre, aber zehn Jahre mit Monmouth müssen wie eine Ewigkeit gewesen sein, wenn man die Zeit mitrechnet. Wer kommt sonst noch?«

      »Oh, die Willoughbys, Lord Rugby und seine Frau, unsere Wirtin, Geoffrey Clouston, die gewöhnliche Aufmachung. Ich habe auch Lord Grotrian gebeten.«

      »Den habe ich recht gern«, sagte Lord Henry. »Viele Leute können ihn nicht leiden, aber ich finde ihn reizend. Dafür, daß seine Kleidung manchmal übertrieben elegant ist, entschädigt er dadurch, daß er immer übertrieben gebildet ist. Es ist ein ganz moderner Typus.«

      »Ich weiß nicht, ob er kommen kann, Harry. Es ist möglich, daß er mit seinem Vater nach Monte Carlo muß.«

      »Ach, was für ein Kreuz die Familiensimpelei ist! Versuch doch, daß er kommt. Übrigens, Dorian, du bist gestern abend sehr früh weggelaufen. Du hast uns vor elf Uhr sitzen lassen. Was hast du denn noch vorgehabt? Bist du gleich nach Hause gegangen?«

      Dorian blickte ihn rasch an und runzelte