Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman


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zu sagen gab.

      *

      Felix Norden machte sein Versprechen wahr und bat seinen Freund Eric, sich um Olivias Wagen zu kümmern. Der sagte sofort zu und verschwand schon am nächsten Nachmittag tief im Motorraum.

      »Na bitte, schnurrt wie ein Kätzchen, das gute Stück«, stellte er zufrieden fest, als er sein Werk zwei Stunden später vollendet hatte.

      »Du kennst dich echt gut aus«, erklärte Felix bewundernd. Wie bei einer Operation hatte er Eric assistiert und ihm die verlangten Werkzeuge gereicht.

      »Nur bei diesen alten Dingern«, gab sich der junge Mann bescheiden, während er aufräumte und das Werkzeug mit ölverschmierten Fingern in den entsprechenden Koffern verstaute. »Die neuen Autos stecken voller Elektronik und sind so verbaut, dass man meistens noch nicht mal mehr eine Birne selbst wechseln kann.« Zufrieden klappte er den Deckel des Werkzeugkoffers zu und sah Felix herausfordernd an. »Wie wär’s mit ’ner kleinen Spritztour?«, fragte er unternehmungslustig.

      Da Eric auf jegliche Bezahlung verzichtete, war Felix natürlich einverstanden. Er sagte seinem Vater schnell Bescheid – Daniel war inzwischen von der Klinik in die Praxis zurückgekehrt – und dann machten sich die beiden auf den Weg. Ihr erstes Ziel war das neue Zuhause von Olivia.

      »Du hast die alte Karre tatsächlich wieder hingekriegt?«, freute sie sich, und ihre Augen hingen voller Bewunderung an Eric.

      »Halb so wild«, winkte der sichtlich verlegen ab. Olivia war noch viel schöner, als er es aus Felix’ Berichten geschlossen hatte, und sofort hatte er einen Plan. »Da muss natürlich noch jede Menge gemacht werden. Wenn du willst, erledige ich das für dich«, bot er großzügig an, während er ihr die Beifahrertür aufhielt.

      Felix, dem nicht entging, was sich zwischen den beiden abspielte, verzog sich grinsend freiwillig auf die Rückbank.

      »Das wäre wirklich super von dir«, lächelte Olivia und machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem.

      »Abgemacht! Und jetzt zeigen wir dir mal ein bisschen was von deiner Wahlheimat«, versprach Eric und ließ den Motor an. Begleitet von munterem Plaudern ging die Fahrt zuerst durch die Innenstadt, vorbei an Friedensengel und Deutschem Museum, Bayerischem Landtag und Olympiastadion. Unter Felix’ fachkundigen Erklärungen lichteten sich schließlich die Häuserreihen und gaben bald den Blick frei auf das herrliche Voralpenland mit seinen Wiesen, Wäldern und Feldern. Im Hintergrund leuchteten die Berge im Abendrot.

      »Sieht so aus, als würden sie brennen«, stellte Olivia zutiefst beeindruckt fest. So etwas Schönes hatte sie bisher noch nicht gesehen.

      »Deshalb heißt dieses Phänomen ja auch Alpenglühen«, erklärte Felix bereitwillig. Seit sie die Stadt verlassen hatten, gab es nicht mehr viel zu erklären, und die drei schwiegen andächtig. Die herrliche Landschaft, die sanft geschwungenen, satt grünen Wiesen sprachen für sich. »Aber jetzt sollten wir langsam umkehren«, stellte Felix schließlich mit einem Blick auf die Uhr fest. »Sonst machen sich Mam und Dad noch Sorgen. Das können sie im Augenblick nicht brauchen.«

      »Wie geht es denn deinem Bruder?«, erkundigte sich Olivia. Obwohl sie inzwischen wusste, dass sie unschuldig war an der Infektion, hatte sie trotzdem ein schlechtes Gewissen.

      »Ach, Unkraut vergeht nicht«, bemerkte Felix leichthin, um die Sorgen zu überspielen, die auch er sich machte. »Der wird schon wieder.«

      »Ein Glück!« Nur zu gern ließ sich Olivia beruhigen und lehnte sich im Sitz zurück.

      Der Tag war lang und anstrengend gewesen, und alle drei hingen ihren eigenen Gedanken nach. Nachdem Eric zunächst Felix nach Hause gebracht hatte, verabschiedete er sich vor der Wohnung seiner Eltern von Olivia mit dem Versprechen, sie schon bald in ihrem Haus zu besuchen. Lange sah er ihr nach, ein glückliches Lächeln auf den Lippen, bis die Rücklichter in der Dämmerung verschwunden waren.

      *

      Auch Olivia hing ihren sehr angenehmen Gedanken nach, als sie durch die fremde Stadt fuhr und den Wagen schließlich vor dem Haus ihrer Mutter parkte. Sie hatte den Motor noch nicht abgestellt, als die Haustür aufgerissen wurde.

      »Bist du noch ganz bei Trost!«, dröhnte eine zornige Stimme durch den Garten.

      Zu Tode erschrocken starrte Olivia hinüber zum Haus und erkannte in der Dämmerung eine Gestalt, die auf sie zueilte.

      »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt, Fräulein?«, polterte Paul weiter, als er um den Wagen herumeilte und Olivia vom Fahrersitz zerrte.

      »Hey, hey, hey, was soll denn das?«, rief sie verwirrt. Zu erschrocken, um sich zur Wehr zu setzen, ließ sie sich von ihrem Mitbewohner ins Haus ziehen.

      Keuchend warf Paul die Tür hinter ihr ins Schloss und starrte sie aus rot geränderten Augen wutentbrannt an.

      »Raus mit der Sprache! Wo warst du?«, wiederholte er seine Frage mit bebender Stimme.

      Langsam erholte sich Olivia von ihrem Schrecken. Sie strich die Bluse glatt und zupfte in aller Ruhe den Rock gerade, ehe sie aufreizend ruhig sagte: »Tja, tut mir leid, dass du dich zu früh gefreut hast. Jetzt bin ich wieder hier.«

      Paul zitterte noch immer, als er vor ihr stand. Einen Augenblick fürchtete Olivia, er würde sie schlagen. Doch dann wandte er sich plötzlich ab und begann, vor ihr hin und her zu wandern.

      »Ein Glück, dass du wieder da bist«, brummte er endlich und brachte es nicht über sich, ihr in die Augen zu sehen. »Ich wundere mich ja selbst. Aber ich hab mir Sorgen gemacht.«

      Um ein Haar hätte Olivia laut aufgelacht. Dieser Mann und Sorgen? Doch der Ausdruck in seinem Gesicht hielt sie davon ab, und so biss sie sich verlegen auf die volle Unterlippe. Plötzlich wurde ihr Herz schwer. Auf der ganzen Welt gab es niemanden, der sich Sorgen um sie machte. Außer diesem Mann, den sie nicht ausstehen konnte.

      »Ich dachte, du bist froh, wenn du mich wieder los bist«, sagte sie und ärgerte sich, dass ihre Stimme zitterte.

      »Dachte ich auch«, gab Paul zurück. »Muss wohl an Christine liegen. Sie hat mir das Versprechen abgenommen, auf dich aufzupassen, falls du hier aufkreuzen solltest.«

      Olivias Augen wurden rund vor Staunen.

      »Das hat sie gesagt?«, fragte sie ungläubig.

      Paul beendete seinen rastlosen Marsch und ging in die Küche, um sich ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Überall strahlte ihm duftende Sauberkeit entgegen. Doch zu einem Lob konnte er sich nicht durchringen.

      Olivia kümmerte das nicht. Sie lief hinter ihm her, um mehr über ihre Mutter zu erfahren.

      »Warum?«

      »Warum was?« Mit der Flasche in der Hand drehte sich Paul wieder zu ihr um.

      »Warum hat sie das gesagt?«

      »Weil du, verdammt noch mal, ihre Tochter bist und du ihr nicht halb so egal warst, wie du denkst«, schimpfte Paul und spülte seinen Unmut mit einem großen Schluck Bier hinunter. Erst jetzt bemerkte Olivia die Aufschrift auf der Flasche.

      »Alkoholfrei?«, entfuhr es ihr ungläubig.

      »Sei bloß still«, warnte Paul sie und ließ sie in der Küche stehen. Eine Weile hörte Olivia, wie er im Wohnzimmer herumkramte, und wollte schon in ihr Zimmer gehen, als er schließlich doch zurückkehrte.

      »Da! Lies das!«, verlangte er und hielt ihr ein Blatt Papier hin. »Du kannst doch lesen, oder?«

      Ärgerlich riss Olivia ihm das Blatt aus der Hand und überflog es. Als sie die Augen wieder hob, stand Panik darin geschrieben.

      »Du hast mich auf dem Gymnasium angemeldet?« Kraftlos sank sie auf einen der Küchenstühle, auf die sie die geblümten Kissen gelegt hatte, die sie in einem Schrank gefunden hatte.

      Paul lachte, zum ersten Mal seit Langem zufrieden mit sich und der Welt.

      »Toll, nicht? Wir bleiben nur auf Erden, um zu wachsen. Das hat schon Robert Browning gewusst.«