Glauben und Gewissen, Du, Komtur!«
»Zeugen hast Du jedoch nicht und in diesem Falle könnte von einer Berufung auf Zeugen auch nicht die Rede sein, da es sich um mein Versprechen und um meine Ehre handelt!«
»Ich beschwöre Dich bei Deiner Ehre! Bei der Ehre des Ordens!« rief Jurand.
»Die Tochter soll Dir wiedergegeben werden,« antwortete Danveld. Dann wendete er sich zu der Versammlung und sprach: »Alles, was ihm hier widerfuhr, ist unschuldiger Zeitvertreib und steht nicht in richtigem Verhältnis zu seinen Verbrechen. Dieweil wir aber versprachen, ihm die Tochter wiederzugeben, sobald er sich stelle und sich vor uns demütige, soll es sich auch zeigen, daß wir unser Wort halten, indem wir jenes Mädchen, das wir den Händen der Ränder entrissen, frei lassen und nach des Gefangenen strenger Buße wegen seiner Sünden gegen uns, auch ihm gestatten, sich in seine Burg zu begeben.«
Diese Rede setzte viele in Erstaunen, da sie Danveld und seinen langjährigen Haß auf Jurand kannten und solche Zugeständnisse nicht von ihm erwartet hatten. Der alte Zygfryd sowie Rotgier und Bruder Godfryd schauten ihn daher voll Verwunderung an, indem sie die Stirne runzelten, jener indessen that, als ob er die fragenden Blicke nicht sehe, und setzte hinzu: »Deine Tochter werden wir unter Bedeckung zurücksenden. Du aber bleibst hier, bis ihre Begleiter ungefährdet wiedergekehrt sind und Du das Lösegeld bezahlt hast.«
Jurand selbst war ein wenig erstaunt, denn er hatte schon die Hoffnung aufgegeben, daß sein Opfer Danusia etwas nützen werde. Deshalb schaute er fast dankbar auf Danveld und erwiderte: »Gott lohne Dir, Komtur! Da ich aber das Kind lange Zeit nicht gesehen habe, gestatte mir, es zu umarmen und ihm meinen Segen zu geben.«
»Wohl, doch nur in Gegenwart all der Unsrigen, daß sie Zeugen unserer Treue und unserer Gnade sind!«
So sprechend, gebot er einem auf der Seite stehenden Knappen, Danusia hereinzuführen, er selbst aber trat zu Zygfryd de Löwe, Rotgier und Godfryd heran, die ihn sofort umringten und eifrig auf ihn einzureden begannen.
»Ich werde keinen Einspruch erheben, obgleich ich ganz andere Absichten hatte,« erklärte der alte Zygfryd.
Und der heißblütige, wegen seiner Tapferkeit und Grausamkeit berüchtigte Rotgier sagte: »Wie! Nicht nur das Mädchen, sondern auch diesen verteufelten Hund läßt Du frei, auf daß er uns wiederum beißen kann?«
»Nun wird er sich noch toller gebärden!« rief Godfryd aus.
»Das Lösegeld wird er jedenfalls bezahlen!« entgegnete Danveld in sorglosem Tone.
»Und wenn er auch alles hingiebt, so stiehlt er in einem Jahre wieder zweimal soviel zusammen.«
»Ich erhebe keinen Einwand wegen des Mädchens,« wiederholte Zygfryd, »aber ist der Wolf frei, so müssen die Schäfchen des Ordens dafür büßen.«
»Und unser Wort?« fragte Danveld lachend.
»Du hattest früher andere Ansichten …«
Danveld zuckte die Achseln: »Habt Ihr Euch noch nicht genug ergötzt?« fragte er. »Verlangt Euch nach größerer Belustigung?«
Die andern umringten Jurand abermals, und überzeugt, daß von dem Lobe, welches Danveld ob seiner Redlichkeit gezollt ward, ein Abglanz auch auf sie falle, überboten sie sich dem Gefangenen gegenüber in Prahlereien.
»Was meinst Du, Steinadler,« sagte der Hauptmann der Bogenschützen, »Deine heidnischen Brüder würden doch mit unsern christlichen Rittern nicht so verfahren?«
»Du aber hast Dich in unserm Blute berauscht.«
»Und für Steine gaben wir Dir Brot.«
Doch Jurand achtete kaum auf den Hochmut, die Verachtung, welche in diesen Worten lagen. Sein Herz war allzuvoll, in seinen Augen standen Thränen. Dachte er doch, daß er innerhalb weniger Minuten Danusia wiedersehen werde, und daß er dies Wiedersehen der Gnade der Kreuzritter verdanke. Deshalb blickte er beinahe reuevoll auf die Sprechenden und schließlich sagte er: »Das ist die Wahrheit! Das ist die Wahrheit! Schwer bedrückte ich Euch, aber … Hinterlist kannte ich nicht.«
In diesem Augenblick rief eine Stimme am andern Ende des Saales: »Sie bringen das Mädchen!« und sofort trat tiefe Stille ein. Die Söldlinge stellten sich in zwei Reihen einander gegenüber auf, und da keiner von ihnen bisher Jurands Tochter gesehen hatte, ward ihr Interesse um so größer, als Danveld seine That in den Schleier des Geheimnisses gehüllt hatte und ihnen bisher nichts von der Ankunft des Mädchens in der Burg bekannt gewesen war. Die wenigen unter den Anwesenden, welche schon davon wußten, teilten flüsternd Bemerkungen über die wunderbare Schönheit der Erwarteten aus, aller Augen richteten sich daher mit außerordentlicher Neugier auf die Thüre, durch welche sie eintreten sollte.
Zuerst erschien ein Knappe, hinter ihm die allen wohlbekannte Dienerin des Ordens, dieselbe, welche sich einige Zeit in dem Jagdschlößchen aufgehalten hatte, und dieser folgte ein weißgekleidetes Mädchen mit aufgelösten, durch eine Stirnbinde festgehaltenen Haaren.
Und plötzlich ließ sich ein lautes Gelächter im ganzen Saale vernehmen. Jurand, welcher auf seine Tochter zugeeilt war, fuhr sofort wieder zurück und stand wie erstarrt, mit totenbleichem Antlitz da, indem er voll Verwunderung auf den spitzen Kopf, die bläulichen Lippen und blöden Augen der Jammergestalt sah, welche für Danusia galt.
»Das ist nicht meine Tochter!« sagte er mit bebender Stimme.
»Nicht Deine Tochter?« rief Danveld. »Beim heiligen Liborius von Paderborn, dann ist es entweder nicht Deine Tochter gewesen, die wir den Händen der Räuber entrissen, oder irgend ein Schwarzkünstler hat sie verzaubert, denn eine andere Jungfrau befindet sich nicht in Szczytno.«
Der alte Zygfryd, Rotgier und Godfryd wechselten Blicke miteinander, welche das größte Staunen über Danvelds Schlauheit und Verschlagenheit ausdrückten, doch keiner von ihnen hatte Zeit, sich zu äußern, da Jurand in diesem Augenblick mit furchtbarer Stimme ausrief: »Ja! Es befindet sich noch eine Jungfrau in Szczytno. Ich hörte wie sie sang, ich hörte Danusias Stimme!«
Nun wendete sich Danveld zu den Versammelten, indem er in ruhigem, entschiedenem Tone erklärte: »Ich rufe Euch, die hier Anwesenden, besonders aber Dich, Zygfryd aus Insburk und Euch Rotgier und Godfryd zu Zeugen darüber auf, daß ich meinem Worte und Versprechen gemäß diese Jungfrau, welche nach der Aussage der durch uns überwältigten Räuber die Tochter Jurands aus Spychow ist, zurückgebe. Ist diese Aussage unrichtig – dann darf man uns keine Schuld beimessen, wohl aber eine glückliche Fügung darin sehen, daß durch dies Mittel Jurand in unsre Gewalt gekommen ist.«
Zygfryd, sowie die beiden jüngeren Brüder neigten ihre Häupter zum Zeichen, daß sie seine Worte gehört hatten und Zeugnis ablegen wollten, wenn es nötig sei. Und abermals wechselten sie rasche Blicke – war dies doch mehr als sie selbst hatten erwarten können, denn welcher andere wäre im stande gewesen, Jurand festzunehmen, ihm die Tochter vorzuenthalten und den Anschein zu wahren, als ob er das gegebene Versprechen einlöse?
Aber Jurand warf sich auf die Knie nieder und beschwor Danveld bei allen Reliquien von Marienburg sowie bei der Asche seiner Väter, ihm die Tochter zurückzugeben und nicht wie ein Betrüger, ein Verräter an ihm zu handeln, der sich durch keinen Eid, kein Versprechen gebunden glaube. In seiner Stimme lag soviel ungeheuchelte Verzweiflung, daß manche der Anwesenden sich sagten, hier müsse ein Geheimnis im Spiele sein, wieder andere hingegen auf den Gedanken kamen, irgend ein Schwarzkünstler müsse in der That die Gestalt des Mädchens verwandelt haben.
»Gott sieht auf Deinen Verrat hernieder!« rief Jurand. »Bei den Wundmalen des Erlösers! Bei Deiner Todesstunde! Gieb mir mein Kind zurück!«
Und sich erhebend, schritt er tiefgebeugt auf Danveld zu, wie wenn er dessen Knie umfassen wolle, während seine Augen glühten wie im Wahnsinn, und er in abgerissenen Lauten bald seinen Schmerz, seine Angst und Verzweiflung äußerte, bald in unverhohlene Drohungen ausbrach. Als Danveld hörte, daß er vor der ganzen Versammlung der Verräterei und des Betrugs beschuldigt ward, begann er förmlich