Henryk Sienkiewicz

Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz


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auch um die Hinterlassenschaft des Abtes, und Macko verachtete ja irdische Güter durchaus nicht. Der Abt war zwar in Unfrieden von ihnen gegangen, er hatte zwar erklärt, er werde ihnen auch nicht das Geringste hinterlassen, konnte er aber nicht möglicherweise vor seinem Tode Reue empfunden haben? Daß er Jagienka etwas verschrieben hatte, das war zudem gewiß, sonst hätte es der Abt sicherlich vermieden, dies in Zgorzelic immer und immer wieder zu beteuern. Erbte aber Jagienka, dann kam auch Zbyszko durch sie nicht zu kurz. Mit einem Male verspürte der alte Kämpe Lust, in Plock zu bleiben, um sich über das Wie und Was zu vergewissern, um selbst nach dem Rechten zu sehen. Nur zu bald verwarf er aber wieder diesen Gedanken. »Wie, um irdischer Güter willen sollte ich hier bleiben?« so fragte er sich, »während mein Bruderssohn in einem Kerker der Kreuzritter schmachtet und mir, auf Rettung hoffend, flehend die Hände entgegenstreckt?« Hier gab es thatsächlich nur einen Ausweg. Macko mußte Jagienka unter dem Schutze der Fürstin und des Bischofes zurücklassen und von diesen die Zusicherung erlangen, daß sie jeder Benachteiligung der Maid entgegentreten würden, falls der Abt ihr etwas verschrieben haben sollte. Doch nach kurzem Ueberlegen verwarf der alte Kämpe auch diese Idee wieder. »Das Mägdlein besitzt an und für sich schon eine große Habe,« dachte er, »vermachte ihr aber nun auch der Abt einen Teil seines Besitztumes, dann wird, so wahr Gott im Himmel ist, irgend ein Masur sie zu gewinnen suchen. Und allzulange wird sie nicht mehr widerstehen, denn selbst der gottselige Zych behauptete, daß es ihr längst schon unter den Füßen brenne.« Dieser Gedanke versetzte den Sinnenden in großen Schrecken. Wie, wenn nun Zbyszko sowohl auf Danusia wie auf Jagienka verzichten müßte! Um nichts auf der Welt durfte dies geschehen!

      »Welche nun auch Gott ihm beschieden haben mag, die soll er nehmen,« sagte sich Macko, »eine von ihnen aber muß es sein.«

      Er beschloß nun, vor allem Zbyszko zu retten und Jagienka, wenn eine Trennung nötig werden würde, in Spychow oder bei der Fürstin Danuta, nicht aber in Plock zurückzulassen, wo ein gar prächtiger Hofhält geführt ward, und wo demzufolge viele schöne Ritter weilten.

      Erfüllt von all diesen Gedanken, kehrte er raschen Schrittes in die Behausung des Webers zurück, um Jagienka von dem Tode des Abtes zu benachrichtigen, wobei er sich indessen fest vornahm, sehr behutsam zu Werke zu gehen. Denn wie leicht konnte das Mägdlein über eine unerwartete Kunde allzusehr erschrecken und dadurch in ihrer Gesundheit geschädigt werden. An Ort und Stelle angelangt, fand er die beiden Jungfräulein schon angekleidet, ja, prächtig herausgeputzt und so fröhlich zwitschernd wie zwei Waldvögelein. So ließ er sich auf eine Bank nieder, gebot dem Gesellen des Webers, ihm einen Krug mit warmem Bier zu bringen, und noch düsterer als zuvor dareinschauend, begann er, zu Jagienka gewendet, also zu fragen: »Hörst Du, wie in der Stadt die Glocken geläutet werden? Weshalb glaubst Du wohl, daß dies geschieht? Sonntag ist heute nicht, und die Frühmesse hast Du verschlafen. Möchtest Du nicht den Abt sehen?«

      »Gewiß, gar gern möchte ich ihn sehen!« antwortete die Gefragte.

      »Traun, Deine Augen werden ihn ebenso sicher erschauen, wie den König Cwiek.«

      »So ist er denn weiter in die Ferne gezogen?«

      »Du hast es erraten. Er ist in die Ferne gezogen. Doch hörst Du nicht das Geläute der Glocken?«

      »Ist er tot?« rief Jagienka.

      »Wir wollen für seine ewige Ruhe beten.«

      Gemeinsam mit der Tochter der Sieciechowa knieten beide nieder und sprachen das Gebet für die ewige Ruhe des Abtes. Ihre Stimmen aber vereinigten sich mit dem Geläute der Glocken. Heiße Thränen rannen über das Antlitz Jagienkas, war sie doch von ganzem Herzen dem Abte zugethan, der, trotz seines jähzornigen Wesens, niemals einem Menschen ein Leid zugefügt, der stets mit vollen Händen Almosen ausgestreut, und der sie selbst, als sein Patenkind, wie die eigene Tochter geliebt hatte. Auch Macko, von dem Gedanken tief bewegt, daß ja der Abt sein und Zbyszkos Blutsverwandter war, brach in Thränen aus, faßte sich aber rasch wieder und begab sich mit dem Böhmen und den zwei Mägdlein zu der Beisetzung in die Kirche.

      Bei dem Begräbnis ward eine große Pracht entwickelt. Bischof Jakob aus Kurdwanow schritt selbst an der Spitze des Leichenzuges, alle Priester, alle Mönche beteiligten sich daran, in allen Klöstern von Plock erklangen die Glocken. Gar viele Reden wurden gehalten, da man sich aber dabei der lateinischen Sprache bediente, konnte sie außer der Geistlichkeit kein Mensch verstehen. Den Schluß der Feierlichkeiten bildete eine von dem Bischof veranstaltete Gasterei, zu der sich geistliche und weltliche Teilnehmer von der Kirche aus begaben.

      Auch Macko befand sich mit den beiden Bürschlein unter den letzteren, wozu er, als ein Blutsverwandter des Verstorbenen und als ein dem Bischof wohlbekannter Ritter ein gutes Recht hatte. Der Bischof empfing ihn infolgedessen mit zuvorkommender Auszeichnung und bemerkte sofort nach der Begrüßung: »Euch und Euerem Geschlechte sind etliche Waldungen verschrieben, alles andere aber, was nicht den Klöstern und der Abtei zufällt, geht auf das Patenkind des Abtes über, auf eine gewisse Jagienka aus Zgorzelic.«

      Macko, der sich kaum etwas erwartet hatte, zeigte sich höchst glücklich über die ihm und Zbyszko zugefallenen Wälder. Seltsamerweise schien es aber der Bischof gar nicht zu bemerken, daß einer der jungen Bursche, die mit dem alten Kämpen gekommen waren, bei Erwähnung des Namens von Jagienka aus Zgorzelic die feuchten, gleich einer Flockenblume blauen Augen emporrichtete und sagte: »Gott lohne es ihm, doch ich wollte, er wäre noch am Leben.«

      Unverweilt wandte sich daraufhin Macko zu dem Bürschlein und raunte ihm zu: »Schweige still, Du ladest Dir ja Schimpf und Schande auf, wenn …«

      Da mit einem Male brach er ab. Auf seinem Antlitz malte sich tiefes Staunen, in seinen Blicken spiegelte sich die Wut eines wilden Tieres. Dort an der Thüre, durch welche in diesem Augenblicke die Fürstin Alexandra eintrat, stand, sich nach höfischer Sitte verneigend, Kuno von Lichtenstein, jener selbe Ritter, durch den Zbyszko in Krakau nahezu den Tod erlitten hätte.

      Jagienka hatte noch nie zuvor Macko in einem solchen Zustande gesehen. Mit seinem verzerrten Gesichte, mit den unter dem Schnurrbart fest zusammengepreßten Zähnen glich er einem wütenden Hunde, als er, den Rittergürtel fester anziehend, auf den verhaßten Kreuzritter zuschritt.

      Doch auf halbem Wege blieb er plötzlich stehen, indem er sich mit seiner breiten Hand über das Haar strich. Noch zur rechten Zeit fiel ihm ein, daß sich Lichtenstein wohl als Gast, oder, was noch wahrscheinlicher war, als Gesandter an dem Hofe von Plock aufhalte und daß er sich des gleichen Verbrechens wie Zbyszko auf der Straße von Tyniec schuldig mache, wenn er jetzt, ohne vorhergegangene Herausforderung, auf Lichtenstein losstürme.

      Da er überdies mehr Erfahrung und Bedachtsamkeit als Zbyszko besaß, bezwang er sich auch leichter. Während er daher rasch seinen Rittergürtel wieder etwas lockerte, bemühte er sich, freundlicher darein zu schauen, und als die Fürstin, nachdem sie Lichtenstein begrüßt hatte, sich in ein Gespräch mit dem Bischof Jakob aus Kurdwanow einließ, näherte er sich ihr raschen Schrittes. Sich tief vor ihr verneigend, rief er ihr seinen Namen ins Gedächtnis zurück und erklärte, er fühle sich ihr stets zu Dank verpflichtet, habe sie ihm doch seiner Zeit mit einem Schreiben die größte Wohlthat erwiesen.

      Wenn schon nun auch die Fürstin seiner gänzlich vergessen hatte, erinnerte sie sich doch sofort wieder des Schreibens und all dessen, was damit zusammenhing. Sie war zudem ganz genau über die Vorgänge unterrichtet, die sich in der Nähe des masovischen Hofes abgespielt hatten, sie wußte von dem Geschicke Jurands, von der Entführung Danusias, sie wußte von deren Vermählung mit Zbyszko und von dessen blutigem Siege über Rotgier. Selbstverständlich war ihr Interesse durch diese Nachrichten ebenso erregt worden, wie wenn sie einer Rittergeschichte oder einem jener Gesänge gelauscht hätte, welche bei den Deutschen die Minstrels und in Masovien die fahrenden Schüler vorzutragen pflegten. Freilich stand sie den Kreuzrittern nicht so feindlich gegenüber, wie dies bei Anna Danuta, dem Weibe des Fürsten Janusz der Fall war, eine Thatsache die um so begreiflicher erschien, als ihr die Kreuzritter, um sie für sich zu gewinnen, mit demutsvoller Zuvorkommenheit begegneten, ja, sie geradezu mit Gaben überschütteten. Trotzdem nahm sie aber jetzt nicht nur volle Partei für die Liebenden, sondern sie war auch bereit, ihnen ihre Hülfe angedeihen zu lassen. Wie froh war sie daher, in Macko einen