die angestrengt lauschenden Soldaten fernes Räderrollen.
Die Kutsche!
Captain Lane wollte sich auf sein Pferd schwingen und lospreschen.
Im letzten Augenblick gelang es Sergeant Namarra, den Offizier in seinem Eifer zu stoppen.
»Ich muß zu Hester«, krächzte Lane mit versagender Stimme. »Und wenn ich allein reite.«
»Sie Narr!« zischelte der Haudegen Namarra. »Was würde es Ihrer Braut nützen, wenn wir alle getötet werden? Die Mimbrenjos stoppen die Concord, greifen die Begleitmannschaft an, krümmen dem Mädchen aber kein Haar. Wir müssen in dem Moment losschlagen, wo die Rothäute ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Kutsche richten. Wir müssen die böse Überraschung für sie sein, wenn wir das Mädchen und möglichst auch die Männer retten wollen.«
Captain Lane preßte die Lippen zusammen. Die Zurechtweisung durch seinen Untergebenen war berechtigt, das sah er ein.
Als der schrille, markerschütternde Kriegsschrei der Apachen die lastende Stille durchbrach, gab Namarra das Zeichen.
Die Soldaten saßen auf, entsicherten die Gewehre. Dann brachen sie aus der Deckung hervor, bogen in den Canyon ein.
Eine halbe Meile vor ihnen ritten die Apachen der schweren Concord entgegen.
*
»Sie kommen, sie kommen!« Eine Frau schrie die Worte voller Freude und lief auf die Heimkehrenden zu.
Der Ruf setzte sich fort, erreichte die letzte Hütte in der Apacheria. Frauen und Kinder kamen herbei, Greise trippelten zum Dorfeingang.
Die vom Beutezug zurückkehrenden Krieger wurden von den Daheimgebliebenen mit Jubel begrüßt.
»Cochise! Cochise! Sein Name ist gerufen!«
So begannen einige Squaws zu singen, bildeten einen Kreis und tanzten. »Cochise, Cochise! Er reitet allen voran. Sein Name ist gerufen!«
Der Gesang wurde lauter, schwoll an und erfüllte das Felsenrund der Bergfeste. Das Echo wurde von den Wänden hundertfach zurückgeworfen.
Die Tänzerinnen bildeten einen weiteren Kreis rings um ein helloderndes Feuer, immer wieder Cochises Ruhm besingend, bis sie sich in Ekstase gebracht hatten.
Neben dem Häuptling ritt die blutjunge Maria del Soccora. Ihre erstaunt blickenden Augen nahmen das fremdartige, heidnisch anmutende Bild, das sich ihr bot, wahr, ohne es unheimlich zu finden, oder Angst zu verspüren.
Cochise suchte Keeta. Nach einer Weile sah er den jungen Mann neben einer älteren Squaw, seiner Mutter, stehen.
Ihre Blicke trafen sich. Um den harten, schmallippigen Mund des Jefe spielte ein Lächeln. Die Augen des jungen Mannes weiteten sich. Er starrte Maria an, als wäre sie das erste weibliche Wesen, das er zu Gesicht bekam.
Cochise nickte Keeta zu und musterte ihn scharf.
Keeta verstand. Der Jefe hatte dieses Mädchen für ihn bestimmt. Später, wenn die Feuer brannten und der Häuptling die Beute unter seinen Leuten verteilte, wollte er Keeta dieses bildhübsche Mädchen zusprechen.
Der Junge freute sich unbändig. Seine schwarzen Augen leuchteten. Bald sollte die fremde Schönheit ihm gehören und seine Squaw werden. Zum erstenmal, seit er Mann geworden war, fühlte sich Keeta den andern Jungkriegern gleichwertig. Daß der Häuptling ihm, dem Kränklichen, dieses wunderbare Geschöpf zugedacht hatte, bewies, daß der Jefe ihn achtete.
Cochise war seinem Stamm ein gerechtes Oberhaupt. Er verteilte die Beute zuerst unter die Armen, an die Witwen oder Familien mit zahlreichen Kindern. Die beiden Mädchen Maddalena und Carmen wurden jungen Kriegern zugeteilt, die sich im Kampf stets besonders hervortaten.
Juan beanspruchte die dicke Pilar für sich. Sie sollte als Sklavin für ihn arbeiten. Da Cochise fand, daß Juan mit drei Squaws mehr als genug Arbeitskräfte in seinem Jacale hatte, sprach der Jefe die Mexikanerin einer Familie zu, die eine gute Kraft nötig brauchte.
Maria del Soccora blieb als letzte Zuzuweisende übrig.
Cochise winkte Keeta zu sich.
»Mein junger Vetter hatte schon lange den Wunsch, sich eine Squaw unter den Gelbhäutigen zu suchen. Als wir loszogen, um in Mexiko reiche Beute zu machen, gab Cochise seinem Vetter einen Auftrag, der ihn in der Apacheria festhielt. Deshalb hat Cochise anstelle von Keeta eine junge Squaw mitgebracht. Keeta möge sie in sein Jacale führen und sie zu seiner Ehefrau machen.«
Der Häuptling ergriff Marias Hand, schob sie dem jungen Krieger zu.
Maria del Soccora war trotz ihrer Jugend sehr klug. Daß der Mann, dem sie gehören sollte, kein starker gesunder Krieger war, sah sie auf den ersten Blick. Sie konnte sich ausmalen, daß Apachenväter den kränklichen Keeta wohl bei der Werbung um ihre Töchter abgewiesen hätten. Impulsiv fühlte sie sich dem Jungen verbunden.
»Sprichst du spanisch?« fragte sie, als Keeta zögernd ihre Hand ergriff und sie mit sich zog.
»Si.« Er nickte beklommen. Die unwahrscheinliche Schönheit des Mädchens raubte ihm den Atem.
»Ich denke, wir werden uns verstehen«, sagte Maria leise. »Das Schicksal hat es gewollt, daß wir zusammenkommen. Mein geldgieriger Onkel wollte mich an seinen alten, hartherzigen aber reichen Freund verkuppeln. Der Überfall durch eure Krieger auf die Hazienda war sozusagen meine Rettung. Denn ich hätte dem Onkel gehorchen müssen.«
»Auch mich zwingt man dir als Ehemann auf«, gab Keeta ihr zu verstehen. Er war ein sanfter Typ, und das Mädchen tat ihm leid.
»Du bist jung und hübsch und gefällst mir.« Maria sah ihn offen an. »Und ich glaube, du bist ein guter Mensch.«
»Vielleicht hast du recht, aber ich bin krank und kein starker, mutiger Krieger«, kam es leise von seinen Lippen. »Keine Apachin hätte mich genommen. Ich bin kein guter Jäger, jedoch könnte sich keine Squaw meiner Tapferkeit rühmen.«
»Ich will einen Ehemann, keinen Helden«, sagte Maria mit Nachdruck. »Männer, die mit der Kraft ihres Körpers protzen oder mit ihren Reichtümern prahlen, sind mir zuwider. Ich schätze mehr die Weisheit und Güte eines Mannes.«
Das Lächeln, mit dem Keeta ihre Worte quittierte, war voller Wärme und Zuneigung.
Das Zusammenfinden der beiden jungen Menschen so verschiedener Herkunft war für Cochise ein erneuter Beweis dafür, daß zwischen beiden Rassen die Möglichkeit bestand, neben- und miteinander zu leben, wenn beide Seiten es wollten.
Daß es der Mehrzahl der Weißen an gutem Willen dazu fehlte, davon war der Häuptling überzeugt.
Keeta und Maria aber besaßen diesen guten Willen und durften glücklich sein.
*
Während John Haggerty sich auf den Weg nach Tombstone machte und Cochise von seinem Beutezug nach Mexiko zurückgekehrt war, rollte ein Wagenzug durch die Gila-Wüste.
Es war eine beschwerliche Fahrt. Denn die sechs Murphy-Fahrzeuge waren hoch beladen mit Waren, die aus Santa Fé nach Tombstone gebracht wurden. Dort warteten die Storekeeper bereits ungeduldig auf die kostbare Ladung.
Die schwerfälligen Wagen, von je vier Ochsen gezogen, kamen nur langsam voran. Sie waren viel langsamer als die leichteren Conestogas, die Planwagen, die von Pferden gezogen wurden und wegen ihrer Schnelligkeit Prärieschoner genannt wurden. Weil man sie mit den wendigen Seglern, den Schonern, verglich.
Mark Billings, der Treckführer, war ein erfahrener Mann. Schon viele Wagenzüge hatte er durch das Land geführt. Schon manchen Kampf mit Indianern und Desperados hatte er durchgestanden. Seiner Kaltblütigkeit und Erfahrung verdankten viele, daß sie noch am Leben waren.
Die Ochsen stampften durch den trockenen Wüstensand und prusteten. Die Fahrer fluchten, knallten mit den Peitschen. Die Tiere blieben stupid. Zu mühselig war das Stapfen durch den Sand, zu schwer die Ladung der Murphys.
Die Männer fieberten dem Ende