Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika


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der anderen berühren zu müssen. Die beiden Sauyas und das Gebäude des Gouverneurs stehen außerhalb der eigentlichen Stadt. So schroff indes die Beni-Uasit und die Beni-Ulit zu Hause sich noch gegenüberstehen, so bringen sie doch ihre Stammesfeindschaft in der Fremde jetzt nicht mehr zur Geltung. Treffen Söhne der zwei verschiedenen Triben in Timbuktu oder an einem anderen fremden Ort zusammen, dann meiden sie sich nicht, sondern verkehren miteinander als Landsleute und Stadtgenossen.

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       Tuareg

      Gegen Fremde zurückhaltend, verkehren die Eingeborenen unter sich ganz ungezwungen und frönen dann auch dem heimlichen Genuss des Lakbi und Araki miteinander. Hingegen ist der Umgang mit den Frauen nach festem Zeremoniell geregelt. Die Männer nehmen hier meist nur eine Frau; nur wenn sie in der Fremde weilen, pflegen sie noch eine oder mehrere Sklavinnen zu haben, ohne sich jedoch mit diesen zu verheiraten. Äußerst selten lässt sich in Rhadames eine Frau auf öffentlicher Straße blicken. Nur Atrya-Weiber sieht man auf dem Markt und in den Gassen, meistens sogar unverschleiert. Die Frauen der vornehmeren Stände wagen sich schon deshalb nicht auf die Straße zu gehen, weil alle Straßen überbaut, deshalb vollkommen dunkel sind, sodass man ohne Lampe nur tappend vorwärtsschreiten kann und durch Husten und Räuspern sein Nahen verkünden muss. Sie besuchen und versammeln sich auf den flachen Dächern der Häuser, welche ausschließlich den Frauen vorbehalten sind; mit Behändigkeit werden die niedrigen Stufen von einem Dach zum anderen überhüpft, und oft geht es da oben lebhafter zu als unten in den finsteren Straßen der Stadt.

      Dem Wort eines Rhadamesers darf man vertrauen; er hält, was er verspricht. Europäische Kaufleute geben daher ihren rhadamesischen Geschäftsfreunden Waren im Wert von mehreren Tausend Talern auf Kredit, und noch nie ist es vorgekommen, dass ein Rhadameser seinen Gläubiger unbefriedigt gelassen hätte.

      In den meist unschönen Körperformen und Gesichtszügen der Eingeborenen verrät sich die häufige Kreuzung mit Negern. In ihrer Kleidung, die von der Tracht anderer Städtebewohner Nordafrikas kaum irgendwie abweicht, herrscht die weiße Farbe vor. Die Männer tragen ein langes baumwollenes Hemd, darüber ein kürzeres wollenes, Djilaba genannt, oder einen Haik (großer weißwollener Plaid), auf dem Kopf den weißen, um eine rote Mütze gewundenen Turban und gelblederne Pantoffel oder Sandalen an den Füßen. Bei den Reichen, besonders wenn sie sich längere Zeit in Zentralafrika aufgehalten haben, ist die gestickte Tobe aus den Sudanländern beliebt, ein Kleidungsstück, das eigentlich nur aus zwei ungeheuer weiten, oben zusammenhängenden Ärmeln besteht, zwischen welche durch ein enges Loch der ganze Körper hindurchgezwängt wird. Verschleierte Männer habe ich in Rhadames nie gesehen; auf Reisen aber benutzen sie, wie die Tuareg, ein Ende des Turbans als Litham (Gesichtsschleier). Das Haupt wird glatt rasiert, und auch vom Bart bleibt nur oberhalb und unterhalb des Mundes ein schmaler Streifen stehen. Die meisten haben einen oder mehrere silberne Ringe am Finger und um den Oberarm eine zollbreite Spange Serpentinstein. Beim Ausgehen hängen sie sich stets den mächtig großen eisernen Hausschlüssel an einem Lederriemen um den Hals. Tabak-Schnupfen gilt für erlaubt; der Genuss des Haschisch wird nicht gern gesehen, ist aber trotzdem ganz allgemein, der von Spirituosen wird mehr im Geheimen geübt.

      Auch zur Tracht der Frauen gehört das lange baumwollene Hemd, die Gandura, von weißer Farbe, bei den Atrya-Weibern jedoch von blauer. Ihr Schmuck besteht aus Arm- und Beinringen, je nach dem Vermögen der Einzelnen aus Silber oder Messing, Ohrringen, Korallenhalsbändern und Schnüren von Korallen und Glasperlen im Haar, das man nach der in den Negerländern üblichen Weise zusammenflicht und dann während des ganzen Lebens selten mehr als einige Male wieder auflöst, um es zu reinigen und neu zu ordnen.

      Ich schätze die einheimische Bevölkerung von Rhadames auf fünftausend Seelen, wozu noch tausend sich auswärts Aufhaltende hinzukommen mögen. Als oberster Beamter der Stadt fungierte früher nur ein Mudir, seit 1864 ein türkischer Kaimakam, der unter dem Gouverneur von Tripolis steht; er hat aber keine militärischen Kräfte außer einigen Soldaten aus dem Ghorian-Gebirge zur Verfügung. Zweiter Beamter ist der Scheich el-bled oder Stadtältester. Dieser, einige angesehene Kaufleute, der Kadhi und der Mufti bilden zusammen den Rat, welcher sich wöchentlich einmal, in außerordentlichen Fällen auch öfter, beim Kaimakam versammelt und bei Verteilung der öffentlichen Abgaben Stimmrecht hat, das heißt, zu allem »Ja« sagen muss, was die türkische Regierung befiehlt. Von den europäischen Mächten lässt sich nur Frankreich durch einen Konsularagenten, einen Eingeborenen, vertreten. England hat hier seit Jahren keinen Konsul mehr.

      Ihre Handelsbeziehungen dehnen die Rhadameser nördlich bis Tunis und Tripolis, südlich bis Tuat, Timbuktu, Sokoto, Kano und Kuka aus. Sie sind die hauptsächlichsten Vermittler des Handels zwischen Zentralafrika und dem Mittelmeer: Sie bringen den zentralafrikanischen Ländern Tuche, weiße und bunte Kattune, fertige Tuchburnusse, rote Mützen, bunte seidene und baumwollene Tücher, Glasperlen, echte und nachgemachte Korallen, echte und gefälschte Essenzen, Messing, Papier, Blei, Pulver, Schwefel, kleine Spiegel, Messer, Scheren, Nadeln usw. und tauschen dagegen Sklaven, Elfenbein, Straußenfedern und Goldstaub ein. Letzterer kommt indes jetzt nur noch in unbedeutenden Quantitäten nach Rhadames, der meiste wird von Innerafrika aus nach der Westküste gebracht.

      Die Stadt Rhadames gleicht von außen, wenn man die vor den Toren zerstreut stehenden Wohnungen der Beni-Belil abrechnet, mit ihren dicht aneinander geschlossenen mehrstöckigen Häusern, deren nackte Wände kaum hier und da im obersten Teil von einer winzigen Fensteröffnung durchbrochen sind, einer unregelmäßig emporgemauerten kompakten Festung. Im Inneren führen die überbauten Gassen selten zu einem kleinen offenen Platz; fast alle aber münden auf den Markt oder auf den Platz, der das Bassin der Quelle umgibt. Abgesehen davon, dass die Quelle sich hier im Ort selbst befindet, erinnert Rhadames in seiner Bauart sehr an die Stadt Siuah in der Oase des Jupiter Ammon.

      Sehr interessant ist der große Kirchhof, eine Grabstätte von zwei Kilometern Länge, die sich im Westen um die Stadt herumzieht. Die Menge der Gräber und Grabsteine geht ins Unglaubliche, doch konnte ich kein einziges antikes darunter entdecken, obwohl zu vermuten ist, dass längs der hindurchlaufenden Straße römische Grabmäler gestanden haben. Auch alte Inschriften in arabischer Sprache fand ich nicht. In der Mitte und am nördlichen Ende des Feldes liegen nur Gräber aus neuerer Zeit. Die Platten, mit denen sie gedeckt sind, namentlich die aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert, sind nicht wie die älteren aus hartem Kalkstein, sondern aus Ton. Namen, Jahreszahl und ein Koranspruch wurden in den Ton geschrieben, solange er noch weich war; dann verhärtete die Masse an der Sonne, und durch die sehr trockene Luft hat sich die Schrift meistens ganz gut erhalten.

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       Wanderdünen in der Sahara

      Die Moscheen, von denen es zwei große und mehrere kleine gibt, haben keinen architektonischen Wert, obgleich die darin verwendeten Säulen fast alle, wie es scheint, antiken Bauwerken entnommen sind. Das Innere der Wohnhäuser zeichnet sich durch Reinlichkeit und durch einen verhältnismäßigen Reichtum an Gerätschaften wie Truhen, Messinggeschirr, Spiegeln und dergleichen aus. Doch sind die Räume sehr beschränkt und entbehren daher gesunder Luft; nur einige außerhalb der eigentlichen Stadt in den Gärten stehende Häuser haben offene luftige Höfe. Von fern gesehen bietet die blendend weiße Häusermasse, aus einem dichten dunkelgrauen Palmenhain mitten in der vollkommen öden Sahara sich erhebend, einen überraschenden, höchst malerischen Anblick dar.

      VIERTES KAPITEL

       Meine Erlebnisse in Rhadames

      Nicht ganz frohen Mutes hatte ich diesmal die Reise nach Rhadames unternommen. Einmal war die Jahreszeit, im Hochsommer, die möglichst ungünstigste für einen Aufenthalt am Rand der Sahara; sodann musste ich befürchten, die Einwohner möchten derweil in Erfahrung gebracht oder wenigstens Verdacht geschöpft haben, dass mein Renegatentum nur ein vorgebliches sei. Allein ich war entschlossen, allen Eventualitäten die Spitze zu bieten, konnte ich doch auf den Schutz der türkischen Regierung und auf die moralische Unterstützung der europäischen Konsuln zählen.

      Wirklich