Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika


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einerseits und nach Mursuk andererseits, besitzen sie doch in den reichlichen Weiden, welche der Sufedjin bietet, die Mittel zu einer guten und ausgiebigen Kamelzucht. Der Mietpreis für die Kamele wird hier nicht wie in Tuat und den westlichen Teilen der Sahara nach dem Gewicht der Ladung berechnet, sondern man mietet einfach so und so viele Kamele für die bestimmte Tour. In der Regel kostet ein Kamel nach Fesan sieben Mahbub, nach Rhadames fünf Mahbub. Die Miete nach letzterem Ort ist deshalb verhältnismäßig teurer, weil auf der ganzen Strecke zwischen Misda und Rhadames sich sehr wenig Wasser befindet, die Tiere also viel zu leiden haben.

      Einige kleine Gärten um Misda liefern Zwiebeln, Tomaten, roten Pfeffer, Kürbisse und Wassermelonen; doch ist im Ganzen der Boden wegen seines allzu großen Kalkgehalts eben nicht sehr zur Gartenkultur geeignet, auch die wenigen Palmen, die um Misda herum wachsen, sehen traurig aus.

      Gleich bei meiner Ankunft gab es ärgerliche Händel. Einer meiner Diener war vorausgelaufen, und während er aus einem Brunnen trank, hatte ein in der ganzen Gegend berüchtigter Räuber namens Omar-Bu-Cheil sich herangeschlichen und ihm sein Doppelgewehr, das er aus der Hand gelegt hatte, entwendet. Dieser Räuber nebst einem Spießgesellen wurde zu der Zeit von den Misdani beherbergt und verpflegt, wogegen seine Bande, welche das Gebiet zwischen dem Gebirge und Ghorian mit ihren Überfällen heimsuchten, den Ort verschonen musste. Vergebens hatte die türkische Regierung einen Preis auf seinen Kopf gesetzt, vergebens mehrere Male Soldaten ausgeschickt, um ihn zu fangen oder zu töten; denn die Gebirgsbewohner wagten nicht, die verborgenen Schlupfwinkel des Gefürchteten zu verraten. So zog er sich auch jetzt unangefochten mit der gestohlenen Flinte in die Moschee des unteren Ortes zurück, wo er sein Quartier aufgeschlagen hatte, während seine zwanzig Mann starke Bande irgendwo auswärts mit einem Raubzug beschäftigt war. Ich schickte meinen Diener Hammed zu ihm und ließ ihm sagen, die Flinte gehöre mir, er solle sie sofort herausgeben. Er verlangte aber ein Lösegeld von fünf Talern. Es blieb mir also nichts übrig, als mich an die Medjeles (die Rats- oder Vorsteherversammlung) des Ortes zu wenden und ihnen zu erklären, sie seien haftbar für die Sicherheit meines Eigentums, und falls sie mir die Flinte nicht zurückschafften, würde ich Soldaten vom Kasr Ghorian kommen lassen; der Ort würde dann dafür büßen müssen, dass er einem notorisch bekannten Räuberhauptmann Schutz gewährt habe. Das wirkte. Aber erst nachdem sie ihrerseits bis zum Abend mit Omar-Bu-Cheil verhandelt und ihm schließlich drei Taler bezahlt hatten, gab er die Flinte heraus. Der Räuber war frech genug, anderntags selbst in mein Zelt zu kommen und mir anzubieten, wenn ich noch zwei Taler hinzufügte, könnte ich ganz sicher die Gegend bis Rhadames mit meiner Karawane durchziehen. Ohne ein Wort zu erwidern, zeigte ich ihm meine Waffen; ein Lefaucheux mit achtzehn Schuss und ein Stutzen mit neun Schuss machten denn auch den beabsichtigten Eindruck auf ihn. Übrigens ersetzte ich, nachdem mein Zweck erreicht war, den Misdani die bezahlten drei Taler und machte außerdem dem frommen Chef ein Geschenk, damit kein Zweifel an meiner Rechtgläubigkeit aufkam.

      Noch eine andere große Unannehmlichkeit hatte ich in Misda zu bestehen. Ich musste hier frische Kamele mieten, und da die Besitzer keine Konkurrenz zu fürchten hatten, forderten sie die unverschämtesten Preise. Es war, als ob sich alle gegen mich verschworen hätten. Glücklicherweise fand ich in dem Mudir (Ortsvorsteher) einen vernünftigen Mann, der seine Mitbürger endlich bewegte, auf den üblichen Preis von fünf Mahbub (ein Mahbub ist etwas mehr als ein Taler) herabzugehen. Nun erhoben sie aber wieder neue Einwände. Sie behaupteten, die Ladungen seien zu schwer, und ich konnte ihren Nörgeleien nur dadurch ein Ende machen, dass ich einiges von dem Gepäck auf meine eigenen Kamele überlud.

      Am 2. Juni um fünf Uhr nachmittags verließen wir Misda, legten aber bis zum Abend nur noch zwei Stunden zurück und lagerten, in einer reichlich mit Kamelfutter bestandenen Gegend, mitten im Flussbett des Sufedjin. Ich musste nachts im Freien schlafen, denn der Lehmboden war, obschon bewachsen, von der Sonnenhitze so hart gebrannt, dass die eisernen Pfosten meines Zeltes sich nicht tief genug hineintreiben ließen.

      Früh um fünf Uhr zogen wir weiter. Schon um neun Uhr vormittags nötigte uns die furchtbare Hitze, Rast zu machen; weder die Kamele noch die Treiber konnten der Sonnenglut länger widerstehen. Meinem weißen Araberhund, einem Spitz, mussten wegen des brennend heißen Erdbodens Sandalen angelegt werden: Eine ebenso schwierige wie gefahrvolle Operation, da er äußerst bissig war und sich von niemand berühren ließ; nur mit List gelang es endlich, ihm das Maul zuzubinden, worauf die Sandalen an seinen Beinen befestigt wurden. Später brachte ich ihn dahin, dass er während des Marsches auf dem Rücken eines Kamels Platz nahm. Er war außerordentlich wachsam, sowohl bei Tag wie bei Nacht, und deshalb unentbehrlich für unsere Karawane.

      Bis halb drei Uhr »gielten« wir – ich bediene mich dieses undeutschen Ausdrucks und werde ihn noch öfters brauchen müssen, weil es für das arabische »geila«, d. h. während der heißesten Tageszeit lagern, kein Wort in unserer Sprache gibt –, dann wurde der Tagesmarsch in Richtung 200 Grad fortgesetzt. Beim Austritt aus dem Uadi Fessano gelangt man auf ein ausgedehntes Plateau mit derselben Vegetation wie in den Tälern. Hier wohnen die Uled Mschaschia, welche Schaf- und Kamelzucht treiben. Die Gegend ist reich an Gazellen, Hasen, Kaninchen, auch Schakalen und Hyänen, und im Gebirge Kaf-Masusa, das wir südöstlich in etwa fünfzehn Kilometer Entfernung erblickten, sollen noch viele Antilopen hausen. Wir kamen an einem großen Duar (Zeltdorf) der Uled Mschaschia vorbei und wurden von den Bewohnern gastfreundlich mit einem Trunk Kamelmilch gelabt. Ihre Zelte sind geräumiger und besser als die der anderen in Tripolitanien wohnenden Araber. Nun kreuzten wir die von Sintan im Norden nach Ghorian in Fesan führende Straße und betraten nach einer Stunde die Landschaft Brega, in der um halb sieben Uhr das Nachtlager aufgeschlagen wurde. Da hier im Gebiet der Mschaschia kein Raubüberfall zu befürchten war, hielt ich es nicht für nötig, des Nachts Wachen aufzustellen, auch wurden unseren Kamelen nicht die Fußeisen angelegt. Überhaupt ist das Reisen in Tripolis, ausgenommen an der tunesischen Grenze, von wo bisweilen räuberische Stämme auf tripolitanisches Gebiet herüberstreifen, im Allgemeinen sicher. Leute wie Bu-Cheil, dessen Bekanntschaft ich in Misda gemacht habe, und seine Bande gehen mehr auf den Raub von Viehherden aus, als dass sie sich an Karawanen vergreifen, zumal Letztere ihnen doch meist durch ihre Stärke und gute Bewaffnung imponieren.

      5. Juni, Aufbruch um fünf Uhr morgens in Richtung 195 Grad. Über einen niedrigen, nach Westen und Nordwesten streichenden Höhenzug führt der Pass Chorm er-Reschade. Dicht vor demselben machten wir um dreiviertel elf halt, um zu ›gielen‹. Der Boden ringsum ist wie übersät mit fossilen Überresten, doch entdeckte ich wenige nur einigermaßen gut erhaltene Stücke; allerdings machte die erdrückende Sommermittagshitze am Rande der Sahara das Suchen und Einsammeln fast unmöglich. Um halb drei Uhr nachmittags passierten wir den Chorm er-Reschade und gelangten nach einstündiger Wanderung in die sandige, aber gut bewachsene Landschaft Areg-el-Leba. Einer der Kameltreiber hatte hier das Glück, eine Gazelle zu schießen, eine sehr erwünschte Zugabe zu unserer mehr als einförmigen Kost, die des Morgens aus Brot, Butter und Datteln, des Abends aus Basina (Weizenpolenta mit Ölsoße) bestand, welchen Gerichten ich durch Zusatz von Fleischextrakt etwas Geschmack und Kraft zu geben versuchte. Aus der Areg-el-Leba kamen wir an die mehr hammadaartige, doch von vielen kleinen kräuterreichen Oasen, Gra genannt, unterbrochene Gegend Gra-es-Ssoauin. In einer dieser kleinen Oasen wurde um halb sieben Uhr Rast gemacht, und bald waren meine Diener und Kameltreiber zu einem homerischen Mahl versammelt, indem sie neben einem großen Topf voll Basina die halbe Gazelle verzehrten. Endlich waren sie gesättigt, was bei diesen Leuten viel sagen will; denn es blieb noch ein Rest von der Basina übrig, der aber schon am anderen Morgen um zwei Uhr auch noch vertilgt wurde.

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       Karawane in der Sahara

      Am 6. Juni befanden wir uns bereits morgens um drei Uhr wieder auf dem Marsch in derselben Richtung wie am Tag vorher. Um neun Uhr schlugen wir, um zu ›gielen‹, beim Aghadirel-Cheil (Pferdewasserplatz) unsere Zelte auf. Mit Futter für die Tiere war unser Zug genügend versehen, aber der Wasservorrat reichte nur noch für zwei Tage, während wir bis Derdj wenigstens noch fünf Tagesmärsche zurückzulegen hatten. Ich beschloss daher, einen des Landes genau kundigen Kameltreiber mit einigen meiner Diener, mit den übrigen Treibern und sämtlichen Kamelen nach dem Bir (Brunnen) el-Klab, der gerade nördlich vor uns liegen sollte, abzusenden, damit