Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika


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das Kap der Guten Hoffnung, besuchte kurz Kapstadt und trat im Januar 1885 seinen Dienst an. Seine Frau folgte ihm wenig später über Kairo und das Rote Meer nach. Doch das diplomatische Ränkeschmieden und die Intrigenspiele behagten dem geradeaus denkenden und dynamischen Mann nicht. Bereits ein halbes Jahr später wurde er von einem Berufsdiplomaten abgelöst.

      Eine weitere diplomatische Berufung – zur Auswahl standen die Konsulate in Jerusalem und Marokko – lehnte Rohlfs ab. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er als Privatgelehrter in Deutschland. Wegen des milderen Klimas übersiedelte er von Weimar nach Godesberg, wo am 2. Juni 1896 sein reiches und ausgefülltes Leben ein Ende fand. Eine Herzlähmung hatte einem der bedeutendsten Afrikaforscher des 19. Jahrhunderts den raschen Tod gebracht.

      In seiner Heimatstadt Vegesack wurde er in einem Ehrengrab bestattet. Der unermüdliche Entdecker war fünfundsechzig Jahre alt geworden, doch wie er selbst noch kurz vor seinem Tod sagte: »Die Jahre in Afrika zählen doppelt.« Und Gerhard Rohlfs hatte rund achtzehn Jahre seines Lebens auf dem »Schwarzen Kontinent« verbracht.

      Als Grundlage für die vorliegende Bearbeitung diente die zweibändige Erstausgabe aus den Jahren 1874/75. Wir haben versucht, behutsam zu kürzen. Etwa ein Drittel des Originaltextes musste aus Raumgründen einer Streichung zum Opfer fallen. Eine Fülle von akribischen Zeit- und Ortsangaben, zum Teil botanische, geologische und historische Exkurse des Forschers – außer für den Fachgelehrten kaum von Interesse für den heutigen Leser – machten es dem Herausgeber leicht, eine lesbare und zeitgemäße Fassung aus dem Originalwerk zusammenzustellen. Der Text wurde bis auf einige stilistische, grammatikalische und orthographische Korrekturen im Original belassen. Antiquierte Ausdrücke, die für den heutigen Leser kaum noch verständlich sind und im Übrigen beim Lesen nur stören würden, wurden modernisiert, ohne dadurch dem Text Rohlfs sein spezifisches Kolorit zu nehmen. Die Schreibweise der Eigennamen wurde mit Ausnahme der Akzente, welche dem heutigen Stand der linguistischen Forschung widersprechen, beibehalten, wenn sich auch heute allgemein eine andere Schreibung eingebürgert haben mag. Die oft in Klammern beigefügten Übersetzungen oder Erklärungen stammen von Rohlfs selbst und stehen in gleicher Weise auch im Original. Aus diesem Grund konnten wir auch das Wörterverzeichnis am Ende des Buches relativ kurz halten, in welchem wir nur erklärungsbedürftige Ausdrücke aufgenommen haben, die nicht an irgendeiner Stelle des vorliegenden Textes erläutert sind.

      Leider ist das Rohlf’sche Originalwerk von »Quer durch Afrika« nicht illustriert. Die diesem Band beigegebenen Abbildungen finden sich in den verschiedensten im Literaturverzeichnis angeführten Werken.

      Natürlich ist Rohlfs’ Afrika-Bericht ein Produkt seiner Zeit, des Zeitalters des Kolonialismus. So schimmert hier und da bei Schilderung bestimmter Kulturerscheinungen und Lebensgewohnheiten das Überlegenheitsgefühl der »weißen Rasse« durch. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Rohlfs bemüht war, der Lebenswelt der von ihm erforschten Völker Afrikas möglichst vorurteilsfrei gerecht zu werden. In grundsätzlichen Fragen ist seine Haltung – gemessen am damaligen Zeitgeist – fortschrittlich-humanistisch und aufgeklärt-kosmopolitisch. Erwähnt seien hier nur die herbe Kritik an im damaligen Afrika noch praktizierten Sklavenhandel und sein Bemühen, die farbige Bevölkerung Afrikas gegen primitive Vorurteile in Schutz zu nehmen.

      Herbert Gussenbauer

GERHARD ROHLFS

       Ölpalme

      ERSTES KAPITEL

       In Tripolis

      Ende des Jahres 1864 kam ich von meiner Reise über den marokkanischen Atlas, durch Tafilet, Tuat und die Sahara gen Osten gehend in der Stadt Tripolis an. Es war meine Absicht, gleich dort zu bleiben, ohne erst wieder nach Europa zurückzukehren; allein die große Sehnsucht, meine Geschwister nach so langer Trennung wiederzusehen, sowie der Umstand, dass ich, alles reiflich erwogen, das Interesse an meiner neu projektierten Reise nach Innerafrika durch persönliche Vorstellung in Berlin, Gotha und Bremen nachdrücklicher als auf schriftlichem Wege zu fördern hoffte, bestimmten mich zur Änderung dieses Vorhabens. Ein längeres Weilen in Europa sollte mir freilich im Winter 1864/65 nicht beschieden sein.

      Kaum hatte ich die Mittelmeerzone verlassen und war in Paris angelangt, als meine damals noch offenen Schusswunden mir derartige Beschwerden verursachten, dass ich daran denken musste, meinen Aufenthalt in Deutschland soviel wie möglich abzukürzen. Nach einem flüchtigen Besuch bei meinen Geschwistern in Bremen eilte ich nach Gotha und konnte hier dem Mann, der sich meiner während der Reise durch Marokko mit so aufopfernder Tätigkeit angenommen hatte, Dr. Petermann, zuerst mündlich meinen Dank abstatten. Eingehend besprach ich mit ihm den Plan, von Tripolis aus über Rhadames dem Irharhar entlang oder im Tal desselben selbst bis Ideles zu gehen, das Hogar-Plateau zu übersteigen und auf der südwestlichen Seite desselben dem Tachirt folgend zum Niger vorzudringen.

      Leider fand dieser Plan bei Dr. Barth in Berlin wenig Anklang– jedenfalls nur deshalb, weil er von Petermann, auf meine Aussagen gestützt, entworfen war. Denn der Grund, den Barth anführte, die Sicherheit meiner Person würde dabei aufs Höchste gefährdet sein, da man in Tripolis in Erfahrung gebracht hatte, dass ich ein Christ und mein Gebaren nur Maske gewesen sei, erwies sich als hinfällig: Ich besuchte später in Rhadames oft die Moscheen, ohne dass jemand in meinen Mohammedanismus Zweifel gesetzt hat. Zudem verhält es sich in Afrika ebenso wie in den anderen Weltteilen: Die großen und relativ sichersten Verkehrsstraßen ziehen sich längs der Flüsse, durch die Uadis, Täler und Niederungen hin. Barth schlug dagegen vor, ich solle durch das Gebiet der Teda nach Uadai und Darfur gehen und so zu den westlichen Nilzuflüssen zu gelangen suchen. Gewiss ebenfalls ein lohnendes Ziel, aber mindestens ebenso schwer zu erreichen, wie über Ideles an den Niger vorzudringen.

      Indes war es mir doch sehr lieb, dass ich noch mit Barth selbst über so mancherlei konferieren konnte. Mein Bruder Hermann, wegen des kalten Winters ängstlich besorgt um mich wie ein Vater um sein Kind, hatte es sich nicht nehmen lassen, mich nach Gotha und Berlin zu begleiten, und unvergesslich werden uns beiden die Stunden bleiben, die wir bei Barth, dem nun schon seit Jahren Verewigten, und in dessen gastlichem Haus zubrachten. Aber trotz der sorgsamsten Pflege, die mir mein Bruder angedeihen ließ, verschlimmerte die Kälte den Zustand meiner Wunden derart, dass ich nun, wollte ich nicht bettlägerig werden, aufs Schleunigste wieder ein warmes Klima aufsuchen musste.

      So verließ ich denn schon am 23. Februar 1865 Bremen, um über Paris, Marseille und Malta nach Tripolis zurückzukehren. Ich hatte das Glück, in Malta, wo man sonst oft wochenlang vergebens auf eine Gelegenheit nach Tripolis warten kann, guten Anschluss zu finden, und am 19. März betrat ich wieder afrikanischen Boden.

      Es ist ein eigen Ding um das Unternehmen einer Reise ins Innere von Afrika. Große und luxuriös angelegte Reisen sind in diesem Land eher hemmend als nutzbringend. Zwar hat die elegant und aufs Reichste ausgestattete Barth’sche Expedition, die im Verein mit denen Vogels, Richardsons und Overwegs mindestens hunderttausend Taler kostete – ich erinnere nur an die Kutsche, an das Schiff, welches mitgeführt wurde, und an die kostbaren Geschenke – im Ganzen sehr gute Resultate ergeben; aber diese Expedition zerlegte sich in verschiedene Reisen, die unabhängig voneinander ausgeführt wurden.

      Mir bangte deshalb auch keinen Augenblick davor, im Besitz einer verhältnismäßig so geringen Geldsumme die weite Reise anzutreten. Hatte ich doch meine erste Reise ganz ohne Mittel unternommen und auf der zweiten, durch ein Gebiet, dessen Längenausdehnung ungefähr der Distanz zwischen Lissabon und Memel gleichkommt, nicht mehr als tausend Taler gebraucht. Was mir diesmal an Geld zur Verfügung stand, belief sich auf etwa zweieinhalbtausend Taler. Dreihundert Taler hatte mir der Bremer Senat bewilligt, 275 Taler betrug das Karl-Ritter-Stipendium von Berlin; das Übrige bekam ich teils aus Gotha aus dem zur Aufsuchung Vogels in Deutschland aufgebrachten Kapital, teils aus meiner Vaterstadt Bremen, wo man eine freiwillige Sammlung zu meinem Besten veranstaltet hatte. An den mit Vogels Namen verknüpften Geldern hafteten übrigens keinerlei beschränkende Bedingungen für