Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika


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muss ich noch, dass die Londoner Geographische Gesellschaft, die mich schon einmal großmütig durch die Verleihung eines Stipendiums ausgezeichnet hatte, mir auch zu dieser Reise ein solches bewilligte.

      Mit wie frohen Gefühlen landet der Afrikareisende, nachdem er die Fluten des Mittelmeeres durchfurcht, auf dem afrikanischen Kontinent, den er während der Dauer seiner Reisen gewissermaßen als seine Heimat betrachtet. Hier hofft er der geographischen Kenntnis neue Länder, neue Gebirge, Flüsse und Seen zu erschließen, hier hofft er neue Völker zu finden mit anderen Sitten, anderer Religion. Afrika ist in der Tat das Dorado der Reisenden.

      Das erste Erfordernis, das ein Afrikareisender, wie überhaupt jeder, der unbekannte Gegenden durchforschen will, von Haus aus mitbringen muss, ist, dass er sich selbst gründlich kennt; denn nur nach einer strengen und unparteiischen Selbsterkenntnis darf man hoffen, sich die genügende Menschenkenntnis anzueignen, und Letztere ist nirgends so unentbehrlich wie bei Reisen in Afrika, wo es täglich darauf ankommt, fremde Völker und Menschen richtig zu beurteilen. Gefahren drohen ja nur von einer Seite, von den Menschen. Die klimatischen Einflüsse dieser Gegenden lassen sich wirksam mit Chinin bekämpfen, und die von wilden Tieren kommenden Gefahren sind gleich null; aber wie schwer ist es hier, den Freund vom Feind zu unterscheiden, umso schwerer, je höher die Stufe der sogenannten Zivilisation ist, die die Menschen einnehmen. Zweitens muss der Reisende Geduld im höchsten Grad besitzen, alle Arten von Strapazen, Hunger und Durst, selbst Kränkungen und Beschimpfungen ertragen können. Ohne diese Eigenschaften wird niemand in das Innere Afrikas einzudringen vermögen.

      Mit den größten Schwierigkeiten ist immer der erste Schritt, die erste Etappe verbunden, namentlich das Durchkreuzen der Sahara. Wie viele Tausend Dinge gibt es da nicht vorzusorgen und zu bedenken. Zu einer Reise durch die Sahara gehört eine ähnliche Ausrüstung wie zur Seereise auf einem Segelschiff. So wie der Kapitän eines Segelschiffes nie mit Bestimmtheit vorhersagen kann, an dem und dem Tag werde ich den Hafen erreichen, ebenso wenig kann der Karawanenführer zuverlässig behaupten, an dem oder jenem Punkt wird Wasser zu finden sein oder in so und so viel Tagen werden wir bei einer Oase anlangen. Desgleichen muss wie zu einer Seereise hinlänglicher Proviant mitgenommen werden. Trotz der mehr als tausendjährigen Erfahrung, wie oft geschieht es, dass die Lebensmittel- und Wasservorräte nicht ausreichen. Durch den Samum, durch die Hitze geht kein Mensch zugrunde, aber wie viele verschmachten alljährlich wegen Mangels an Trinkwasser. Was mich betrifft, so hatte ich einen Teil meiner Ausrüstung schon in Deutschland und Frankreich angeschafft: Ich kaufte in Paris die notwendigsten Instrumente, Aneroids, Thermometer, Hygrometer, Hypsometer, Bussolen etc., bei Lefaucheux die Waffen für meinen persönlichen Gebrauch, in Marseille die Medikamente und später in Lavalletta Teppiche, wollene Decken, Schwimmgürtel, Gewehre, Munition, Tee, Biskuits, einige Konserven und andere Gegenstände. In Tripolis endlich sollte das noch Fehlende ergänzt werden.

      Aber abgesehen davon, dass Eingeborene und Europäer darin wetteifern, den europäischen Reisenden, den sie als eine Extrabeute betrachten, zu übervorteilen, hat das Einkaufen in Tripolis für den nicht Eingeweihten seine ganz besonderen Schwierigkeiten. Geht man z. B. auf den Markt, um ein Kamel oder irgendwelche Ware zu erstehen, so hat der Besitzer keinen Preis dafür oder er nennt wenigstens keinen. Auf die Frage: »Wie viel kostet das?«, hat er die stehende Antwort: »Biete!« oder: »Wie viel gibst du?« Was soll nun aber der Neuling, dem die dortigen Verhältnisse fremd sind, auf einen Gegenstand bieten, dessen gewöhnlichen Preis er meist auch nicht annähernd kennt?

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       Blick auf Tripolis

      Und gar vieles fehlte noch zu meiner vollständigen Ausrüstung. Außer den Dienern, Kamelen und Kameltreibern war für diese Reise durch die wasserlose Sahara zunächst die nötige Anzahl Schläuche zu beschaffen. Auf gute Schläuche hat man das Hauptaugenmerk zu richten. Als die besten gelten die von sudanischen Ziegen, nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch wegen der Dauerhaftigkeit des Leders. Ein Schlauch besteht aus dem ganzen ungenähten Fell einer Ziege oder eines Schafes. Um es ganz zu erhalten, zieht man den Körper des getöteten Tieres durch die Halsöffnung, die später als Mündung dient. Inwendig werden die Schläuche geteert, damit das Wasser länger vor Fäulnis geschützt bleibt und auch damit weniger Wasser durch Verdunstung verloren geht. Große Schläuche halten bis zu fünfundsiebzig Pfund Wasser.

      Sodann mussten Kisten gezimmert werden, Kochgeschirr für die Leute und für mich, Proviant in benötigter Menge, Tauwerk, Beile und andere Werkzeuge, endlich Waren, die als Geschenke und Tauschmittel dienen sollten, gekauft werden: Burnusse von Tuch in den schreiendsten Farben, mit Gold bestickt, bunte Taschentücher, feineres und gröberes Baumwollenzeug, Maltese genannt, Turbane, achtzig Ellen lang (man denke sich, welche Zeit dazugehört, um einen solchen Turban, der allerdings aus ganz leichtem Stoff besteht, um den Kopf zu wickeln!), rote Mützen, einige Stück Samt und Seide, Essenzen, echte und unechte Korallen, ganze Zentner Glasperlen der verschiedensten Art, circa fünfzigtausend Nadeln, wovon man in Tripolis für einen Mariatheresientaler etwa sechstausend Stück bekommt, natürlich von sehr grober Arbeit. Auch ordinäres Schreibpapier, das von Deutschland kommt, und Hunderte von Messern, ebenfalls deutschen Fabrikats, kaufte ich ein, sodass nach und nach meine Wohnung einem Kaufladen glich. Vor allem mussten dann noch Mariatheresientaler eingehandelt werden, die man in Malta, Tripolis oder Alexandria zum Durchschnittspreis von eineinhalb Talern erstehen kann.

      Die Mariatheresientaler sind für Zentralafrika die beliebteste Münze. Sie müssen aber vom Jahr 1780 sein, und auf der Krone der Maria Theresia müssen sieben Punkte sich befinden. Taler, die nicht diese Jahreszahl haben oder der sieben Punkte ermangeln, werden von den Sudannegern unbedingt zurückgewiesen. In früheren Jahren hielt man in den Negerländern auch darauf, dass die Taler ein altes geschwärztes Aussehen hatten, und der Gatroner erzählte mir später, er habe unter Barth das mitgenommene Geld durch Lagerung zwischen Pulver geschwärzt. Den Grund, weshalb in ganz Zentralafrika ausschließlich der österreichische Taler gang und gäbe ist, vermochte ich nicht zu erfahren.

      Überhaupt ist Deutschland keineswegs in geringem Maß an den nach Zentralafrika eingeführten Waren beteiligt. Nicht nur der Mariatheresientaler ist deutsch, die Waffen aus Hagen und Solingen, die Nadeln aus Iserlohn, Zündhölzchen und Stearinkerzen aus Wien, Tuche aus Sachsen, Papier und kleine Industrieerzeugnisse aus Nürnberg bekunden, dass die Mehrzahl der in Zentralafrika gebrauchten Waren am billigsten in Deutschland gefertigt werden. Dennoch mangelt es, mit Ausnahme weniger großer Häuser in Ägypten, gänzlich an direkten Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Nordafrika. Zum Teil liegt das wohl daran, dass bisher in den nordafrikanischen Staaten der Deutsche vollkommen schutzlos oder höchstens für seine persönliche Sicherheit auf einen fremden Konsul angewiesen war. Kamen aber, wie es vielfach geschehen ist, deutsche Kaufleute mit Waren nach Tripolis, oder wollten sie mit den dortigen Geschäftsleuten direkte Handelsverbindungen anknüpfen, so blieben ihre Bemühungen jedes Mal ohne Erfolg, weil ihnen die fremden Konsuln, auf die sie zählen zu können glaubten, alle möglichen Hindernisse in den Weg legten – ganz natürlich, denn es wäre dadurch ihren eigenen Schutzbefohlenen ein Teil des lukrativen Handels entzogen worden. Mit Unrecht sagen daher die Regierungen Deutschlands: »Weshalb sollen wir nach dem und dem Ort einen Konsul hinschicken? Wir haben dort keine Interessen, es leben keine deutschen Kaufleute da, die unseres Schutzes bedürftig wären.« Deutsche Kaufleute können eben nicht hingehen, weil sie gegen die neidischen Umtriebe anderer Nationen keinen Schutz finden.

      Ich bewohnte während meines Aufenthalts in Tripolis ein Haus in der Mschia, das ich zu dem Zweck von einem Eingeborenen gemietet hatte. Ein einfaches Haus, nach orientalischer Sitte mit einem großen Hofraum, auf den sich die Wohnzimmer öffneten, auch mit Küchen-, Keller- und Wirtschaftsräumen versehen; hinter dem Haus war ein kleiner Garten, mit der Aussicht auf das Meer und mit Orangenbäumen bewachsen, welche zu der Zeit gerade blühten, sodass man sich kaum einen angenehmeren Aufenthalt wünschen konnte. Ich hatte die Wohnung auf dem Land vorgezogen, um ungestörter zu sein, da ich in der Stadt vor der allzu großen Liebenswürdigkeit und Umgänglichkeit der Tripoliner wenig Ruhe gehabt hätte.

      Die eigentliche Glanzperiode in gesellschaftlicher Beziehung, die Zeit, als der Generalkonsul Warrington dort herrschte, war allerdings für Tripolis schon vorüber. Doch auch die