Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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      Dr. Wendler warf einen Blick auf den Absender und murmelte:

      »Dr. Hartmut, Rechtsanwalt und Notar. Mit dem habe ich nichts zu schaffen.«

      Hastig öffnete er den Umschlag und vertiefte sich in den Inhalt des Schreibens.

      Lisa Wendler war mit einem kleinen Schreckenslaut wieder in ihren Sessel zurückgesunken. Ihre Lippen hatten jede Farbe verloren.

      »Dr. Hartmut? Was mag er von dir wollen?«

      Aus ihren Augen war alle Fröhlichkeit gewichen. Ihre Hände schlossen und öffneten sich erregt. Fast furchtsam waren ihre weitgeöffneten Augen auf das Gesicht des Sohnes gerichtet, jeden Zug beobachtete sie ängstlich, und es schien, als würde sie kleiner in ihrem Sessel, als ducke sie sich vor einer auf sie eindringenden Gefahr.

      »Mutter!« In fassungslosem Staunen kam es von seinen Lippen. »Na, das ist aber verrückt!«

      »Was ist verrückt?« fragte sie bang.

      »Da lies!«

      Zaghaft griff Lisa nach dem Schreiben. Es brannte ihr wie Feuer in ihren Händen. Mühsam entzifferte sie:

      Ich bitte Sie, mich in der Testaments-Angelegenheit Eugen Eckhardt am 16. August zwischen 10 und 11 Uhr zu besuchen…

      Lisas Augen suchten den Wandkalender. Heute schon? Mein Gott! Es gab kein Entrinnen mehr!

      Die Vergangenheit stand auf, streckte ihr die Fangarme entgegen.

      Hilflos sah sie zu dem Sohn auf. Er war ernst und nachdenklich.

      »Und du willst hingehen?«

      Unbefangen lachte Dr. Wendler auf.

      »Gewiß, Muttchen, das will ich«, sagte er und zwinkerte ihr fröhlich zu. »Eugen Eckhardt, der schwerreiche Industrielle, hat mir vielleicht gar einen Teil seines Vermögens vermacht«, scherzte er und war über die Wirkung seiner Worte überrascht.

      Leichenblässe bedeckte ihr sonst so rosiges, fast faltenloses Gesicht. Das Haupt mit dem reichen Blondhaar sank tief auf die Brust hinab.

      »Mutter!«

      Er wollte sie besorgt umschlingen, aber ihr schroffes »Nicht! Nicht!« hielt ihn augenblicklich zurück.

      »Wie merkwürdig du bist, Mutter«, sagte er betroffen. Er wurde nicht klug aus ihr. Wie konnte sich die allzeit so beherzte Frau wegen dieses Schreibens so aufregen?

      »Das ist unmöglich«, stieß sie leise hervor. »Eugen Eckhardt ist tot?«

      »Aber, Muttchen!« Dr. Wendler umfaßte die schmalen Schultern, drehte die Mutter zu sich herum und sah ihr in die weit geöffneten Augen.

      »Du tust ja geradeso, als kenntest du den Mann? Wie kann man nur so erschrecken? Das bin ich gar nicht von dir gewohnt.«

      Lisa Wendler atmete tief auf, etwas wie Erlösung lag in diesem tiefen Atemzug. Dann erhob sie sich und strebte auffallend ängstlich von ihm fort.

      »Ja, eben, Helmuth.« Mit nervösen, fahrigen Bewegungen strich sie an ihrem schlichten dunklen Seidenkleid hinab. »Wie kann man sich nur so aufregen? Dabei geht mich dieser Mann gar nichts an, gar nichts«, setzte sie seltsam hart hinzu. – »Ich muß in die Küche, erinnere ich mich eben, Frau Seidler muß ja Anweisungen erhalten.«

      Kopfschüttelnd sah Dr. Wendler der schlanken Erscheinung seiner Mutter nach.

      Was hatte sie nur?

      Er nahm das Schreiben Dr. Hartmuts nochmals zur Hand und las es noch einmal aufmerksam, Wort für Wort.

      »Merkwürdig«, murmelte er, und damit meinte er nicht nur das Schreiben, sondern auch das seltsame Verhalten der Mutter. Er spürte, es hing mit diesem Brief zusammen.

      Verheimlichte die Mutter ihm etwas? Wußte sie mehr über den kürzlich verstorbenen Industriellen, als er ahnte?

      *

      Rechtsanwalt Dr. Hartmut empfing Dr. Wendler mit sehr viel Wärme.

      »Bitte, nehmen Sie Platz.«

      Steif ließ sich Helmuth Wendler nieder. Er sah den alten Herrn mit dem wuchtigen Schädel heute zum ersten Mal. Gehört hatte er jedoch schon viel von ihm. Er war ja auch Rechtsbeistand der Eckhardt-Werke.

      Eine solche Firma müßte man zu vertreten haben, dann würde man mit einem Schlag bekannt, ging es ihm durch den Kopf.

      Indessen blätterte Dr. Hartmut in Papieren, die vor ihm auf dem riesigen Schreibtisch lagen.

      »Sie sind hier noch nicht allzu lange als Anwalt ansässig«, begann er einleitend.

      »Als Anwalt noch nicht«, antwortete Dr. Wendler offen, aber doch etwas befremdet. »Ich habe meine Kindheit hier verlebt, habe dann auswärts studiert und mich nun hier selbständig gemacht.«

      »Und –?« Väterlich wohlwollend ruhten Dr. Hartmuts jugendlich blitzende Augen auf seinem Besucher.

      Dr. Wendler verstand.

      »… und warte auf Kundschaft«, lachte er unbekümmert, »die sich leider nur sehr schwer einstellen will.«

      »Kann ich mir denken, Herr Kollege«, erwiderte Dr. Hartmut mit feinem wissenden Lächeln. »So einfach wird es einem Anfänger nicht gemacht. Aber das kommt auch noch«, tröstete er gutmütig.

      »Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben«, warf Dr. Wendler trocken ein. Seltsam, um sich über diese Sache trösten zu lassen, war er wirklich nicht hierhergekommen.

      »So, nun wollen wir mal zum geschäftlichen Teil übergehen«, ließ sich wieder Dr. Hartmut vernehmen.

      Dr. Wendlers Erstaunen wuchs. Er ließ sich aber nichts anmerken.

      »Haben Sie sich nicht über meine Aufforderung gewundert?«

      »Das gebe ich zu. Was habe ich mit Eugen Eckhardt zu schaffen?« fragte Dr. Wendler. »Es handelt sich, wenn ich mich nicht irre, doch um den Industriellen Eckhardt.«

      Dr. Hartmut nickte.

      »So ist es. Um es kurz zu machen: Eugen Eckhardt hat Ihnen in einer letztwilligen Verfügung ein recht beträchtliches Erbe hinterlassen.«

      »Sie treiben gewiß einen Scherz mit mir«, fiel ihm der junge Anwalt impulsiv ins Wort.

      »Keinen Scherz«, erwiderte Dr. Hartmut ernst. Er konnte die Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit seines Gegenübers wohl begreifen. »Mein langjähriger Freund war ein warmherziger und sehr gerechter Mann. Sie hatten, unbewußt natürlich, einen Gönner in ihm.«

      »Einen Gönner?« wiederholte Dr. Wendler. Er fühlte, wie sich seine Aufregung steigerte. »Bitte, drücken Sie sich etwas klarer aus. Wie soll ich das auffassen?«

      »Eugen Eckhardt, der leider viel zu früh verstarb, hat heimlich sehr viel für Sie getan.«

      Mit einer ratlosen Handbewegung fuhr sich Dr. Wendler durch den blonden Haarschopf.

      »Wie kam denn der Mann dazu, Gutes an mir zu tun? Zumindest müßte ich doch etwas davon wissen. Können Sie mir das nicht näher erklären?«

      Dr. Hartmut hob die Schultern. Jetzt stand Ratlosigkeit auf seinen Zügen.

      »Tut mir leid, darüber kann ich Ihnen wenig Aufklärung geben.« Er versuchte, die aufkommende Verlegenheit durch einen Scherz zu überbrücken. »Fragen Sie nicht so viel, Herr Doktor. Freuen Sie sich dieses Erbes, und legen Sie das Ihnen zugefallene Vermögen gut an. Ich glaube, jetzt wissen Sie, was Sie zu tun haben.«

      Wendler schüttelte den Kopf.

      »Das begreife ich nicht. Wir leben doch nicht in einer phantastischen Welt. Ich kann mich auch nicht entsinnen, einem alten Mann das Leben gerettet zu haben, der sich verpflichtet gefühlt hätte, mir seine Dankbarkeit zu beweisen.«

      »Mein Freund war kein alter Mann.«

      »Ihr