im Blut sich ballen und matt schmelzen dann im wachen Mond!
Und immer gleich der Traum, gleich dieser Wahn, Nacht, Nacht und Nacht, der gleiche Schrecken sich im Fleische bäumend, der gleiche Traum zu gleicher Qual entbrennend! Wer tat dies in mein Blut, dies Gift der Träume, wer, wer jagt mich so mit Schrecknis? Wer hungert meines Schlafs, daß er ihn wegfrißt mir vom Leibe, wer quält, wer quälet mich? Mond, Nacht, Gestirn, ihr kalten Zeugen, wer, wer plaget mich, und wem, wem wache ich? Oh Antwort, Antwort! Wer bist du, Unsichtbares, das vom Dunkel zielt auf mich mit Pfeilen des Entsetzens, wer bist du, Schrecknis, die mich nachts beschläft, daß ich dein schwanger ward und mich hinkrümme in den Wehen? Warum dies Grauen mir, nur mir in dieser Stadt voll Schlummer und Entsinkens!
(Er horcht in die Stille hinein. Immer fiebriger.)
Oh Schweigen, Schweigen, immer Schweigen und innen Aufruhr noch und aufgewühlte Nacht. Mit heißen Fängen krallt sichs ein in mich und kann sie doch nicht fassen, mit Bildern geißelts mich und weiß nicht, wer mich treibet, in leere Luft hinfallen meine Schreie! Wohin, wohin entfliehn? Oh wirr Geheimnis dieser Jagd, der ich erliege, und weiß nicht, wessen Ziel und wem zur Beute! Tu auf dich, Netz und Wirrnis, den Sinn sag dieser Qual, du Unsichtbarer, oder laß von mir, ich kann, ich kann nicht mehr. Laß ab, du Jäger, oder fasse mich, in Wachen ruf mich, nicht im Traum, in Worten sprich und nicht in Bildern brenne, – tu auf dich, der du mich verschließest, den Sinn sag dieser Qual, den Sinn, den Sinn!
EINE STIMME (leise rufend vom Dunkel her. Sie scheint aus Tiefen oder Höhen zu kommen, geheimnisvoll in ihrer Ferne):
Jeremias!
JEREMIAS (taumelnd, wie von Steinwurf getroffen):
Wer?... mein Name ... war dies mein Name nicht ... rief es von Sternen, riefs aus meinem Traum?... (Er horcht hinaus. Alles ist wieder stumm.)
JEREMIAS:
Bist du es, Unsichtbarer, der mich jagt und plaget ... bin ich es selbst, tönt mein hinstürmend Blut ... noch einmal sprich, daß ich dich kenne, Stimme ... noch einmal ruf mich an ... noch einmal, einmal sprich ...
DIE STIMME (näher tastend):
Jeremias!
JEREMIAS (zerschmettert in die Knie stürzend):
Hier bin ich, Herr! Es hört dein Knecht! (Er lauscht atemlos. Nichts regt sich ringsum.)
JEREMIAS (erbebend vor Leidenschaft):
Sprich, Herr, zu deinem Knecht! Du riefest meinen Namen, so gib die Botschaft auch, auf daß mein Sinn sie fasse. Wach bin ich deinem Wort und offen deiner Rede! (Er lauscht wieder angespannt. Tiefes Schweigen.)
JEREMIAS:
Ist es vermessen, daß ich dein begehre? Ein Unbelehrter bin ich und geringer Knecht, ein Staubkorn deiner Erde, doch dein ist alle Wahl! Der du Könige kiesest aus den Hirten und oft entsiegelst eines Knaben Mund, daß er dann glühet deiner Rede, – du wählst nach andern Zeichen. Wen du berührest, Herr, der ist erwählet, wen du erwählest, Herr, der ist berufen. War schon dein Ruf dies, der an mich ergangen, oh sieh, ich habe ihn vernommen; bist du es, Herr, der mich gejagt, so sieh, ich flieh dir nicht. Faß deine Beute, Herr, greife dein Wild oder jag weiter mich zum Ziele! Nur mach mich wissend, daß ich dich nicht fehle, tu auf die Himmel deines Wortes, daß ich dich erschau, dein Knecht!
DIE STIMME (näher, eindringlicher):
Jeremias!
JEREMIAS (entbrennend):
Ich höre, Herr, ich höre! Mit meiner ganzen Seele horche ich dir zu! Aufgetan sind die Quellen meines Bluts und strömen, ausgereckt jede Faser meines Leibs, dich zu fassen, offen bin ich, unwürdig Gefäß, deiner Verkündung. Rede mir deine Rede, befiehl deine Befehle, dein bin ich mit dem Fleisch und dem Inwendigen meiner Seele! Ich will werden in deinem Willen und vergehen in deinem Geheiß. Ich will verlassen, die ich liebte, um deinetwillen und abseits werden meinen Freuden, ich will lassen die Süße des Weibes und die Hausung der Menschen, in dir allein will ich wohnen und wandern deine Wege. Keinen Ruf will ich hören, da ich deinen erhörte, und ertauben der Rede von Menschen. Dir allein gelobe ich mich, Herr, dir allein, denn durstig ist meine Seele deines Dienstes – offen bin ich deinem Wort und gewärtig deiner Zeichen!
DIE STIMME DER MUTTER (nun schon ganz nahe und kenntlich):
Jeremias!
JEREMIAS (in Ekstase):
Brich ein in mich, Herr, mein Herz birst vom Schauer deiner Nähe schon! Schütte dich aus, selig Gewitter; wühl mich auf, daß ich deinen Samen trage, mache fruchtend meine Erde, mache trächtig meine Lippe – einbrenn mir das Brandmal deiner Hörigkeit! Wirf dein Joch über mich, siehe, gebeuget schon ist mein Nacken, – dein bin ich, dein für immerdar. Nur erkenne mich, Herr, wie ich dich erkenne, nur laß mich deine Herrlichkeit schauen, wie du erschautest im Dunkel meine Niedrigkeit, den Weg nur weise deines Willens, Herr, weise ihn, weise ihn deinem ewigen Knecht!
DIE MUTTER (ist suchend die Treppe emporgestiegen. Ihr Blick ist ängstliche Sorge, ihre Stimme voll Zärtlichkeit):
Oh hier ... hier bist du, mein Kind.
JEREMIAS (auffahrend von den Knien, voll Schreck und Ingrimm):
Weg ... fort ... oh, verloschen die Stimme ... zerschlagen der Weg ... verborgen für immer ...
DIE MUTTER:
Weh ... wie du hier stehest im dünnen Gewand am Kalten der Mauer ... komm hinab, mein Kind ... Fieber schwelt her von den Sümpfen des Morgens ...
JEREMIAS (voll Wildnis):
Was folgst du mir, was verfolgst du mich! Oh Jagd ohne Ende, umstellt von Stirn und Rücken, in Wachen und Schlaf ...
DIE MUTTER:
Jeremias, wie faß ich dich? Ich lag unten im Schlafe, da war mir, als hörte ich Zwiesprach vom Dache und Rede und Wort ...
JEREMIAS (auf sie zu):
Du hörtest ... Du auch ... um der ewigen Wahrheit willen ... Du hörtest Ihn reden, vernahmest den Ruf ...
DIE MUTTER:
Wen meintest ... keinen seh ich mit dir ...
JEREMIAS (sie fassend):
Mutter ... ich beschwöre dich, sprich mir ... Tod oder Seligkeit trägt mir dein Wort ... Du hörtest eine Stimme ... wachen Sinnes hörtest du sie ...
DIE MUTTER:
Eine Stimme hört ich vom Dache und tastete, daß ich dich weckte. Doch kalt war das Linnen, leer lag dein Bett. Da fiel Angst über mich, und ich rief deinen Namen ...
JEREMIAS (erschwankend):
Du riefest ... Du riefest meinen Namen ...
DIE MUTTER:
Zu dreien Malen rief ich ihn ... Doch warum ...
JEREMIAS:
Zu dreien Malen? Mutter, des bist du gewiß ...
DIE MUTTER:
Dreimal rief ich dich an ...
JEREMIAS (mit brechender Stimme):
Zernichtung und Hohn! Oh, Trügnis überall, außen und innen. In Angst schrie eine zu mir, und mein Grauen vermeinte den Gott ...
DIE MUTTER:
Wie bist du sonderlich! Kein Unrecht glaubt ich zu tun. Und stieg, da keiner Antwort gab, selbstens empor, ob hier einer wäre. Doch keiner war hier.
JEREMIAS:
Oh doch! Ein Rasender, ein Verblendeter ... oh Qual und Marter der Träume ... Sinn und Widersinn im Betruge ... ich Narr, ich Narr meines Wahns!...
DIE MUTTER:
Was redest du ... was ficht dich an ...
JEREMIAS:
Nichts,