Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman


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ihn und überlegte, wie er wohl ohne Verbände aussehen mochte. Seine Augen waren von einer undefinierbaren Farbe. Mit einem merkwürdigen Ausdruck ruhte sein Blick auf ihrem Gesicht. Es irritierte sie, und überstürzt begann sie von Bambi und Manuel zu erzählen. Das schien ihr am unverfänglichsten.

      »Sie haben Kinder gern?«, fragte er einmal in eine Atempause hinein. Ulla nickte.

      Dann begann die Visite, und Ulla verabschiedete sich schnell. Glühende Röte stieg in ihre Wangen, als ihr der Chefarzt aufmunternd zunickte.

      Später sprach sie mit Schwester Martha über Harald Herwig. Eigentlich fing diese davon an und meinte, dass Ulla ihm doch öfter einmal die Zeit vertreiben könnte.

      »Ich brauche doch nicht mehr lange hierzubleiben«, meinte Ulla gepresst.

      »Ein paar Tage noch, aber er wird noch Wochen liegen müssen, wenn nicht Monate«, erwiderte Schwester Mar­tha.

      »Ist es so schlimm?«

      »Schlimm genug. Es steht nicht mal fest, ob er wieder laufen kann. Aber das darf er natürlich nicht wissen.«

      Eisige Schauer liefen über Ullas Rücken. Er wollte leben, er war voller Optimismus. Es kam ihr nun doppelt verwerflich vor, dass sie die Nerven verloren hatte.

      Leben heißt kämpfen – irgendwo hatte sie es einmal gelesen. Man bewies sich nichts, wenn man kapitulierte und anderen schon gar nicht. Und man musste seinem Leben einen Sinn geben, auch wenn man allein war. Aber sie war nicht allein, sie hatte Freunde.

      *

      Fabian hustete noch immer, und er sah sehr elend aus. Henrike war so erschrocken, dass ihr die Tränen in die Augen traten.

      »Komm mir nicht zu nahe, Ricky, damit ich dich nicht auch noch anstecke«, sagte er heiser. »Aber es ist lieb, dass du mich besuchst. Wie geht es Ulla?«

      »Besser als dir. Du solltest lieber noch im Bett bleiben.«

      »Das macht mich mürbe. Ich muss mich jetzt darauf vorbereiten, die 7. und 8. Klasse zu unterrichten.«

      »Alles meinetwegen«, murmelte sie niedergeschlagen.

      »Für dich würde ich noch viel mehr tun«, erwiderte er. »Dumm ist nur, dass sie dich mit dieser Prüfung peinigen.«

      »Ich werde es ihnen schon zeigen«, sagte sie aggressiv. »Sind deine Eltern jetzt böse auf mich?«

      Er lachte, wenn es auch eher wie ein Krächzen klang. »Aber warum denn, Liebes. Sie freuen sich auf ihre Schwiegertochter. Schließlich bin ich ja kein Opfer deiner Verführungskünste, und außerdem bin ich nicht der erste Lehrer, der eine seiner Schülerinnen heiratet. Nehmen wir deinen Geburtstag als Termin?«

      Sie lächelte. »Damit du dir den Hochzeitstag später sparst?«, scherzte sie.

      Er ging auf die Neckerei ein. »Natürlich – so ein Pauker kann ja keine großen Sprünge machen. Hast du dir das eigentlich schon überlegt? Sandra hat das bessere Los gezogen.«

      »Du, das vertrage ich gar nicht«, begehrte sie auf. »Wenn du so dummes Zeug redest, nehme ich mein Mitbringsel wieder mit.«

      Aber das tat sie doch nicht, und beglückt betrachtete er das kleine goldene Medaillon an einem feinen Kettchen.

      Sie legte es ihm um. »Nun hänge ich an deinem Hals«, sagte sie zärtlich.

      »Und ich darf dir nicht mal einen Kuss geben«, murmelte er.

      Sie legte ihren Zeigefinger auf ihren Mund und dann auf seinen. »Ich habe Mami versprochen, dass ich dich nicht in Verlegenheit bringe. Wir werden uns so wenig wie möglich sehen!«

      »Warum?«

      »Es ist besser für uns beide, meinte sie.«

      »Diese weisen Mütter. Und was meinst du?«

      »Sie werden schon recht haben, diese weisen Mütter.«

      »Nur wer die Liebe kennt, weiß was er leidet«, zwitscherte Stella, als Fabian später dem davonfahrenden Wagen nachblickte.

      »Sei nicht so frivol«, ermahnte Rosemarie Rückert ihre Tochter. »Dir wird es eines Tages auch noch so ergehen.«

      »Ich lasse mir Zeit, Mamachen. Ich freue mich viel zu sehr darauf, dass ich mal Hahn im Korb sein werde, wenn Fabian unter deinen Fittichen hervorgekrochen ist. Es sei denn, sie hätten es sehr eilig, euch Enkelkinder zu bescheren.«

      »Das wird eine schöne Rauferei geben zwischen den Großeltern«, brummte Fabian. »Ich überlege schon, ob ich mich dann nicht lieber versetzen lasse.«

      Erschrocken sah ihn seine Mutter an. »Das tust du uns doch nicht an, Junge«, seufzte sie.

      »Es würde Mama das Herz brechen«, meinte Stella.

      Nein, das würde er nicht fertigbringen. Seine Kinder sollten einmal im Sonnenwinkel aufwachsen, das stand für ihn schon fest.

      *

      Unter Ausschluss der Öffentlichkeit war Conny von Rosch beerdigt worden. Nicht einmal neugierige Zaungäste hatten sich eingefunden. Die Zeit der Roschs war endgültig vorbei, und bald munkelte man, dass sie nach einem anderen Wohnsitz suchten. Niemand bedauerte das.

      Henrike hatte einen neuen Wagen bekommen, diesmal auf ihren eigenen Wunsch einen Käfer, weil Fabian auch einen hatte. In der Schule waren sie jetzt doppelt nett zu ihr, obgleich Fabian trotz des Protestes aller Eltern nicht in die Abiturklase zurückkehrte. Ihre Prüfung, in der man ihr wirklich nichts erspart hatte, hatte sie glänzend bestanden und damit auch denen eine Schlappe versetzt, die nicht auf Fabian Rückerts Seite standen.

      Ulla erholte sich noch ein paar Tage unter der mütterlichen Fürsorge von Frau von Rieding, dann nahm auch sie wieder am Unterricht teil. Es war ein banger Augenblick, als sie an Henrikes Seite die Klasse betrat. Aber sie wurde nicht anders begrüßt, als wäre sie eben nur mal krank gewesen.

      Alles ging seinen Gang, wenngleich sich im Sonnenwinkel neue Aufregungen anbahnten, als eines Mittags, kaum dass sie aus der Schule gekommen waren, vor dem Nachbarhaus ein großer heller Wagen hielt.

      »Das ist Herr Ullrich«, erklärte Hannes, der die Ankunft als erster bemerkt hatte, aufgeregt.

      »Das ist er«, bestätigte Bambi. »Er sieht genauso aus wie auf dem Bild.«

      »Die Zwillinge haben es gar nicht gesagt, dass er kommt«, meinte Hannes.

      Für die Zwillinge war es ebenso eine Überraschung wie für Georgia. Sie begrüßten ihren Vater stürmisch, Nonna begrüßte ihn mit einem sichtlichen Aufatmen. Georgia verschwand vorerst in ihrem Zimmer und versuchte, ihrer Erregung Herr zu werden. Damit hatte sie nicht gerechnet.

      Arnold Ullrich ließ ihr nicht viel Zeit für Überlegungen. Er trat in ihr Zimmer, als sie sich das Haar bürstete.

      »Das ist aber eine Überraschung«, sagte sie mit einem gequälten Lächeln. Die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, war eiskalt. Flüchtig zog er sie an seine Lippen.

      »Allem Anschein nach keine angenehme für dich«, bemerkte er gleichmütig. »Hübsch ist es hier. Es war wohl das Beste, was Hessler je für dich getan hat.« Beißender Sarkasmus tönte in seiner Stimme. »Dieser charmante Herr wird ja wohl schon hiergewesen sein.«

      »Nur kurz«, erwiderte sie tonlos.

      »Was hat er für die nächste Zeit geplant?«, fragte er kühl.

      »Nichts. Ich habe die Tournee abgesagt. Aber die Kinder werden dir sicher viel zu erzählen haben«, lenkte sie überstürzt ab.

      »Du nicht?« Seine Augenbrauen hoben sich leicht. »Damit wir uns recht verstehen, Georgia, ich bin nicht wegen der Kinder hier. Die kann ich mitnehmen, wenn ich will.«

      Seine Selbstsicherheit raubte ihr die Fassung. Ihr ohnehin heißblütiges Temperament rebellierte.

      »Das kannst du nicht«, brauste sie auf.

      Er