Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman


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      Inhalt

       Aus Schatten wird Licht

       Sünde wider die Liebe

       Ein Märchen wird wahr

       Denn das Schicksal bestimmt

       Das Leben ist doch gut

       Alle Kinder brauchen Liebe

       Schicksalsmelodie

       Vergiß die Heimat nicht

       Wenn die Liebe fehlt

       Der Sonne entgegen

Karin Bucha – Staffel 5 –
Aus Schatten wird Licht

      Verzweifelt irrt Bettina Kröger durch die Straßen der Innenstadt. Es ist Frühling, aber der Tag ist nicht voll Sonne und Blütenduft. Es ist kalt. Ein scharfer Wind fegt durch die Straßen, und es regnet seit den frühen Morgenstunden. Alles ist Grau in Grau gehüllt. Trostlos. Und so sieht es auch in der jungen Frau aus, dunkel und trostlos. Sie weiß nicht, wohin ihr Fuß sie führt. Sie ist leer, wie ausgebrannt.

      Sie merkt auch nicht, daß ihr Gesicht tränenüberströmt ist. Fröstelnd zieht sie den brauen Mantel fester um den Körper. Plötzlich verläßt sie den Gehsteig und läuft auf die Fahrbahn.

      Ein Auto kommt herangebraust. Menschen schreien auf. Bremsen kreischen. Mit einem harten Griff wird Bettina zurückgerissen. Keine Sekunde zu spät, sonst wäre sie in den Wagen und vielleicht in den sicheren Tod gelaufen.

      Der Fahrer läßt den Wagen wieder anrollen. Er schimpft und droht Bettina mit der Faust. Sie nimmt es kaum wahr. Sie spürt nur die fremde Hand, die auf ihrer Schulter ruht. Mechanisch dreht sie sich um. Sie blickt in ein tiefbraunes Gesicht und in hellgraue Augen, die vorwurfsvoll auf ihr ruhen.

      Schon will der Mann einige verwarnende Worte über ihren Leichtsinn sagen, als er den abwesenden Blick und die Tränen sieht. Sofort ist seine Ritterlichkeit geweckt.

      »Kommen Sie!«

      Sie lauscht hinter der Stimme her. Sie ist tief und samtig. Willig läßt sie sich führen. Sie duldet auch, daß er ihren Arm in den seinen legt. Er steuert auf ein in der Nähe gelegenes Café zu. Auch dorthin folgt sie ihm, als sei jeder eigene Wille in ihr gestorben.

      Er rückt ihr einen Sessel zurecht, überzeugt sich, daß sie mit dem Rücken zu den Gästen sitzt, nimmt ihr den Mantel ab und wartet bis sie Platz genommen hat.

      Alles geschieht wortlos. Und da regt sich das erste Gefühl in ihr. Das Gefühl des Geborgenseins. Und ein ihr fremder Mann hat es in ihr geweckt. Aber immer noch weint sie lautlos.

      Der Fremde gibt dem Kellner die Bestellung auf, und Bettina dreht scheu das Gesicht seitwärts.

      »So«, sagt der Mann, als das Gewünschte auf dem Tisch steht, »nun trinken Sie. Ein Brandy wird Ihnen guttun. Sie zittern ja.«

      Gehorsam greift sie zu dem Glas. Ihre Hand zittert wirklich. Die Hälfte des Inhaltes verschüttet sie auf die schwarzglänzende Glasplatte.

      Erschrocken sieht sie ihn an. Er nickt ihr begütigend zu.

      »Aber nicht schluckweise trinken, sondern in einem Zug, damit Sie warm werden. Und hinterher den heißen Kaffee, der belebt.«

      Sie trinkt und schüttelt sich. Behutsam stellt sie das Glas auf den Tisch zurück.

      »Wollen Sie nicht Ihren Hut absetzen? Das Regenwasser tropft in Ihren Hals.«

      Er nimmt ihn ihr ab und hängt ihn auf. Als er ihr wieder gegen-übersitzt, starrt er sekundenlang auf ihr Haar. Noch nie, glaubt er, so schönes Haar gesehen zu haben. Es glänzt tiefschwarz, und die Wandleuchte zaubert rote Lichter hinein. Dazu die veilchenblauen Augen mit den dichten Wimpern und darüber die feingezeichneten Brauen.

      Sie ist schön, sehr schön sogar, aber unglücklich, denkt er.

      »Warum tun Sie das alles für mich?« fragt sie, ihn dabei prüfend betrachtend. Mit dem Versiegen der Tränen hat sie allmählich ihr Gleichgewicht zurückgewonnen.

      Er lacht leise auf. »Als Ihr Lebensretter fühle ich mich für Sie verantwortlich. Geht es Ihnen jetzt besser?«

      »Danke«, würgt sie hervor. Als ob es für ihren Schmerz eine Linderung gäbe! Wahrscheinlich wird sie nie wieder lachen können. Und das Kind, das sie unter dem Herzen trägt? Wird es auch niemals richtig lachen lernen?

      Fortan werden sie beide im Schatten leben, im Schatten jener Frau, mit der Jürgen sie betrügt. Sie schließt die Augen. Deutlich steht das Bild vor ihr, wie eingegraben in ihr Gehirn.

      Jürgen und die Frau Arm in Arm, als sie das Hotel verlassen. Sie hört das charmante Lachen ihres Mannes und das girrende der Frau.

      Mit diesem Lachen hat er sie einst auch betört, und sie ist jung und unerfahren blindlings in diese Ehe getaumelt, die eine einzige Demütigung war, eine Kette wi-derwärtiger Szenen, die er ihr machte, wenn er sie mitten in der Nacht oder morgens aus unruhigem Schlaf riß, betrunken. Wem hätte sie sich anvertrauen können? Ih-rem Schwiegervater, diesem vornehmen gütigen Mann, der sie

      aufrichtig wie das eigene Kind liebt, der sie erfreute, wo er konn-te und sie mit Geschenken überhäuft? Oder ihrer Mutter? Nein! Sie war schwer herzkrank. Es würde sie umbringen, wenn sie wüß-

      te, wie unglücklich sie geworden war.

      Hat sie wegen dieser beiden lieben Menschen bisher geschwiegen, gelitten und vermieden, Jürgen anzuklagen – jetzt kann sie es erst recht nicht mehr, da sie ein Kind erwartet. Sie muß den bitteren Kelch bis zur Neige leeren.

      Sie hebt die schweren Lider und sieht mitten hinein in die grauen Augen des Fremden, der sie stumm beobachtet hat.

      »Verzeihen Sie«, stammelt sie verwirrt und beschämt, daß sie sich so hat gehenlassen. Was muß er von ihr denken? Sie ist erschöpft, körperlich wie seelisch. »Ich muß nach Hause.«

      »Warten Sie einen Moment, ich möchte zahlen, und dann rufe ich Ihnen ein Taxi. Mir scheint, daß Sie in Ihrem augenblicklichen Zustand kaum heimfinden werden.«

      Er ruft den Kellner, zahlt, holt ihren Mantel, hüllt sie hinein und reicht ihr den Hut.

      Das Taxi steht schon vor der Tür. Er hilft ihr in den Wagen. Sie läßt sich in den Sitz fallen. Er steht neben dem Wagen, den Hut in der Hand, ein hochgewachsener Mann, breitschultrig, mit einem gebräunten kühnen Gesicht. Er grüßt sie noch einmal höflich, dann fährt der Wagen an.

      Bettina wirft noch einen Blick aus dem Rückfenster. Er steht immer noch auf demselben Fleck, den Hut in der Hand. Der Wind spielt mit seinen braunen Haaren.

      Ein Schreck durchzuckt sie. Nicht einmal gedankt hat sie dem Fremden, dabei hat er so viel Ruhe in ihr Herz gesenkt!

      Sie hat wenig Erfahrung mit Männern, aber das weiß sie mit Bestimmtheit: Der Fremde ist anders, ganz anders als Jürgen…

      Sie weint leise vor sich hin über ihr verpfuschtes Leben.

      *

      Bettina betritt die prachtvolle Villa, die sie und Jürgen mit dem Schwiegervater bewohnt, durch den Hintereingang. Auf Zehenspitzen, wie ein Dieb, schleicht sie sich zu ihren Zimmern und ist vor