Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 5 – Liebesroman


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betrachtet. Langsam gewinnt er ihm neue, beglückende Seiten ab.

      So merkt er nicht, wie er ihr allmählich verfällt. Wie er sich nach ihrem Anblick sehnt. Ja, wie es ihm mitunter unangenehm ist, wenn Eva-Maria auch von den anderen umschwärmt und verehrt wird.

      Sie lacht zu allem ihr warmes, betörendes Lachen. Selten einmal, daß ein anderes Frauenantlitz vor ihm erscheint, schön auch und betörend, doch von einer kalten Schönheit, wie er jetzt erst feststellt, seitdem Eva-Maria in sein Leben getreten ist und darin eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt.

      Immer öfter ruft er sie an, da er viel Wert auf ihr Urteil legt.

      »Kommst du mit mir auf den Neubau, Eva-Maria?«

      Es fällt ihr manchmal schwer, sich von ihrer Arbeit loszureißen. Und wenn sie nur kurz zögert, bittet er schon. »Ich lege sehr viel Wert auf dein Kommen, Eva-Maria. Du mußt mir raten, welches Geländer ich für die Treppe wähle.«

      »Natürlich komme ich«, hört er sie dann mit einem befriedigten Aufatmen antworten.

      So steht sie auch als Beraterin an seiner Seite, und er kann immer weniger auf ihr Urteil verzichten.

      Als Onkel Charly abreist, um alles für die Hochzeit auf »Hochglanz zu polieren«, wie er sich ausdrückt, da ist er nicht mehr kummervoll über das zukünftige Glück seiner Nichte.

      Er hat sie so scharf beobachtet, alle beide eigentlich, und er hat so oft in sich hineingeschmunzelt, wenn er bemerkte, mit wieviel Charme und fraulichen Reiz Eva Maria um die Liebe des Mannes wirbt, dem sie einmal angehören wird.

      So stehen die Dinge, als unter den beiden Paaren, die sich in letzter Zeit zu gemeinsamen Ausgängen zusamengefunden haben – William und Marlies, weil er behauptet, sie müsse etwas von der Stadt und ihrem »Nachtleben« kennenlernen, und Eva-Maria und Ulrich, die gern jede Gelegenheit wahrnehmen, zusammen zu sein – Klarheit herrscht, sie wollen der Bar »Zum Blauen Engel« einen Besuch abstatten.

      »Aber das habe ich noch gar nicht gewußt, daß du Besitzer dieser Bar bist«, ruft Eva-Maria erstaunt aus.

      »Das ist ein trauriges Kapitel, Eva-Maria. Ich bin zwangsläufig Besitzer geworden, sie wurde von meinem Geld gekauft und –«

      Sie bemerkt, daß es ihm Qual bereitet, von der Vergangenheit zu sprechen, und sie hat es auch sofort erfaßt.

      »Ich verstehe, Ulrich«, sagt sie sofort und erspart ihm weitere Erklärungen damit.

      »Also auf in den Himmel ›Zum Blauen Engel‹«, kommandiert Marlies. »Ich bin zum Platzen neugierig.«

      William nimmt sie fest am Arm. »Eigentlich bist du ja viel zu jung für einen Nachtbetrieb. Aber in meiner Gesellschaft, ich bin ja dein alter Onkel, darfst du es schon wagen.«

      »Wie gütig«, spöttelt sie, läßt es sich aber gern gefallen, von ihm geführt zu werden.

      Die Herren sind im Abendanzug. Die Damen sehen entzückend aus. Marlies trägt meergrün, was eigenartig zu dem Rotblond ihrer Haare kontrastiert. Eva-Maria blau, wie die Farbe ihrer Augen.

      Sie erregen auch einiges Aufsehen, als sie den gutbesuchten Barraum betreten.

      Sie wählen, nahe der Tanzfläche, einen Tisch und geben ihre Bestellung auf. Sie sind alle vier in recht gehobener Stimmung. Die Damen sehen sich mit glänzenden Augen um.

      »Ich finde es nett hier«, bricht Eva-Maria als erste das Schweigen. »Und du willst diese Bar verkaufen?«

      »Ja – ich mag nicht an das Gewesene erinnert sein«, entgegnet er kurz.

      Eva-Maria antwortet nicht. Dafür mischt Marlies sich ein.

      »Aber das ist doch Unsinn«, hält sie mit ihrer Meinung nicht zurück. »Nie und nimmer würde ich ein so gutgehendes Geschäft verkaufen.«

      »Das verstehst du nicht«, wirft Reincke dazwischen.

      »Natürlich nicht«, rümpft sie beleidigt die Nase. »Ich bin ja noch ein dummes Kind, nicht wahr Onkel Wulli?« Das ist Hohn und Spott zugleich, und der »Onkel« Wulli stört ihn ungemein.

      Karsten lenkt geschickt ab. »Wollen wir tanzen, Eva-Maria?« Bereitwillig folgt sie ihm auf die Tanzfläche.

      Aus großen Augen sieht Marlies den beiden hochgewachsenen Menschen nach. Sie passen schon rein äußerlich wunderbar zusammen. Sie seufzt ein wenig. Es müßte doch schön sein, zu wissen, daß man geliebt wird – sinnt sie.

      Williams Auge ruht auf ihrem verträumten Gesicht. Wie lieb sie aussieht. »Darf ich dir das Glas noch einmal füllen?«

      Er fragt das ganz anders als sonst, wie ein Gentleman eine Dame, nicht mit dem brummigen, sie maßlos reizenden Unterton.

      »Ich möchte lieber tanzen«, sagt sie. Und bald wiegt sie sich in seinen Armen. An einem der Seitentische lehnt Frank Bendler. Er hat die kleine Gesellschaft eintreten sehen. Sein von Alkohol umnebeltes Hirn sieht nur Marlies, die rotblonde Marlies mit den graugrünen Augen und der grazilen Gestalt.

      Er hockt in sich zusammengesunken, ein unheimliches Glühen in den Augen. Die vier Menschen ahnen nicht, daß sich im Innern des Mannes ein furchtbarer Kampf abspielt, daß ihn Grauen packt und dann ein schier berauschendes Glücksgefühl.

      Marion ist zurückgekehrt! Marion, seine Marion!

      Er muß erst die Lähmung überwinden. Gerade als die Paare wechseln und Karsten mit Marlies zu einem schwermütigen Tango über die Tanzfläche gleiten, taumelt er empor und torkelt auf die Tanzfläche.

      Eva-Maria und William sitzen am Tisch und verfolgen gedankenvoll den Tanz. Plötzlich sehen sie sich in stummem Entsetzen an. »Das ist Bendler«, stößt Reincke hervor und läßt keinen Blick von dem, was sich da auf der Tanzfläche abspielt.

      Frank Bendler wankt die paar Schritte vorwärts. Mit den Armen rudert er und schiebt rücksichtslos die Tanzenden zur Seite, bis er vor dem erstaunt aufblickenden Karsten und Marlies steht.

      Er zwingt sie mit einer herrischen Bewegung zum Stillstehen. Karsten sieht, in welcher Verfassung der Betrunkene sich befindet und will ihm gut zureden, doch Bendler schiebt ihn brüsk beiseite.

      Er sieht unheimlich aus, mit den wirr in die Stirn fallenden dunklen Haaren, den wie im Fieber glühenden Augen und der schwankenden Gestalt. Ängstlich schmiegt Marlies sich an Karsten.

      »Was will der Mann von mir?« flüstert sie, von Entsetzen gepackt, denn der unheimlich glühende Blick des Fremden läßt sie nicht los.

      »Marion!« stöhnt Bendler, und seine Hände greifen nach Marlies. »Bist du wiedergekommen?« Es klingt wie ein Schluchzen. »Also hast du mich doch nicht vergessen?«

      »Bendler«, warnt Karsten leise, aber entschlossen. »Lassen Sie den Blödsinn. Sie verwechseln die Dame.«

      Bendler schiebt mit ungewöhnlicher Kraft den Arm Karstens von sich. Er schließt die Augen zu einem schmalen Schlitz.

      »Sie wollen mir Marion rauben? Das lasse ich nicht zu. Sie gehört mir. Sie hat es mir gesagt, und ich glaube daran. Marion ist wiedergekehrt – Marion ist da – denkt er in seinem Delirium und drängt sich dichter an die wie erstarrte Marlies heran.

      »Marion«, bettelt er. »Willst du mit mir tanzen? Bitte, tanz mit mir. Kennst du diesen Tango noch? Wir haben ihn zuerst getanzt. Es war, als wir uns kennenlernten. Ich habe dich sofort geliebt. Ach, Marion.«

      »Sie sind betrunken«, herrscht Karsten ihn an. Er bemerkt, wie die anderen Paare sich um sie scharen. Nur die Musik spielt leise weiter, die Melodie, die alle Erinnerungen in Bendler wachgerufen haben.

      Karsten versucht, mit Marlies den Kreis zu durchbrechen. Aber Bendler stellt sich abermals in den Weg.

      »Hände weg von Marion«, schreit er, seiner Sinne nicht mehr mächtig. »Marion gehört mir.«

      »Bendler«, versucht Karsten es noch einmal mit aller Güte. »Sie sehen Gespenster. Seien Sie doch vernünftig. Legen