würde sie nicht erschießen!« sagte Bobby langsam. »Du würdest dich für dein ganzes Leben damit ruinieren! Nebenbei bemerkt, geht dich das doch gar nichts an. Sie sind doch von früher her alte Freunde, obendrein waren sie ein Liebespaar –«
»Willst du mich auch noch verrückt machen?« brüllte Gordon. »Ein Liebespaar! Das sind sie niemals gewesen! Am allerwenigsten hätte ich von Diana erwartet, daß sie sich so beträgt, daß sie ihn obendrein noch ermutigt! Ich kann es gar nicht anders nennen – Diana, die ich für eine Seele von Zurückhaltung hielt.«
Bobby interessierte sich nicht sehr für Dianas Seele.
»Das muß ja ein Schrecken für dich gewesen sein. Was sagt denn nun eigentlich Tante Lizzie zu der ganzen Sache?«
Gordon war so erbittert, daß er nicht mehr ruhig und höflich sprechen konnte.
»Kommt es überhaupt darauf an, was die sagt? Bobby, weißt du, was Diana zu tun versuchte? Sie wollte uns dasselbe kleine Schlafzimmer geben, irgendeine Dienstbotenkammer unter dem Dach! Sie behauptet, Heloise sei meine Komplicin … das ist gar nicht zum Lachen!«
Bobby krümmte sich in seinem Stuhl.
»Diana behandelt mich wie einen Hund!«
Bobby betrachtete seinen Bruder kritisch.
»Na, du siehst auch ein bißchen wie ein Hund aus – in diesem Aufzug! Wo hast du denn den Anzug her? Deswegen hättest du allein fünf Jahre Zuchthaus verdient!«
»Bobby, du mußt mir jetzt helfen. Ich muß hier aus dem Hause fort. Ich kann dann ins Hotel gehen und meinen Koffer wieder holen, oder ich kann auch nach Schottland reisen, dann bin ich gerettet. Aber ich habe kein Geld. Sie hat mir mit erhobener Pistole all meine Sachen abgenommen, die ich in den Taschen hatte. Sie ist die energischste Frau, die ich jemals getroffen habe. Sie behauptete, ich wolle den Geldschrank berauben, und durchsuchte mich nach Nachschlüsseln!«
Bobby nahm seine Brieftasche heraus. Die Reise nach Ostende hatte fast sein ganzes bares Geld verzehrt – und heute war Sonntag.
»Ich fürchte, daß ich nicht genügend Geld bei mir habe. Ich könnte zwar einen Scheck für zehn Pfund in meinem Klub unterbringen –«
»Eine solche Summe hilft mir nicht«, unterbrach ihn Gordon. »Aber du kannst mir einen ganz einfachen Dienst erweisen, der mich aus dieser fürchterlichen Zwangslage befreit. Wenn Diana kommt –«
Bobby dachte auch, es ließe sich dann alles leicht aufklären.
»Gewiß, wenn sie kommt, werde ich ihr natürlich sagen, daß du der richtige Gordon Selsbury bist.«
Gordon sprang erregt auf.
»Willst du mich denn vollständig ruinieren?« rief er wild. »Du willst ihr obendrein noch sagen, daß ich der richtige Gordon Selsbury bin? Das habe ich ihr doch selbst schon oft genug gesagt. Aber schließlich habe ich es aufgegeben, als ich an Heloise dachte. Wie soll ich ihr denn das erklären?«
Das war der Kernpunkt der ganzen Frage und die große Schwierigkeit. Auch Bobby wußte hier keinen Rat. Alles, was ihm einfiel, war so wenig brauchbar, daß er es sofort ohne nähere Prüfung wieder verwarf.
»Ich hatte nicht mehr an Tante Lizzie gedacht«, sagte er.
»Siehst du nicht, daß es unmöglich geht? Aber ich kann einen viel besseren Vorschlag machen als du. Ich kann entkommen, wenn dieser alte herumschnüffelnde Esel nicht auf dem Posten ist, und das ist ja oft genug der Fall. Diana muß morgen sehr früh zu ihrer Bank gehen. Das ist die günstigste Gelegenheit für mich, aber ich muß etwas Geld haben. Ich brauche es, bevor die Banken aufgemacht werden, also kannst du mir wahrscheinlich nicht dabei helfen. Aber du kannst folgendes für mich tun: Überrede Diana, dir den Schlüssel zu dem Geldschrank zu übergeben. Sie hat außer der Buchstabeneinstellung auch das andere Schloß gesichert. Nimm den Schlüssel und gib ihn mir bei der ersten besten Gelegenheit.«
Bobby sah ihn auf einmal scharf an – Bobby pfiff.
»Den Schlüssel zum Geldschrank? Donnerwetter!« Seine Augen traten hervor, und er biß sich auf die Lippen.
»Was hast du denn?« fragte Gordon und wurde plötzlich ganz mutlos.
»Sie Halunke!«
Gordon wich zurück, als ob er einen Schlag bekommen hätte.
»Was meinst du?« fragte er atemlos. Aber die Bedeutung von Bobbys Worten und Blicken war nicht mißzuverstehen.
Bobbys Haltung änderte sich jetzt vollkommen. Die Freundlichkeit verschwand aus seiner Stimme und das Mitgefühl aus seinen Zügen. Seine Augen sprühten nur noch Verachtung und Vernichtung.
»Sie sind der Doppelgänger!« rief er. »Daß ich mich so täuschen lassen konnte! Sie sind geschickt, mein Lieber, verteufelt geschickt! Carslake erzählte mir von Ihrer Schlauheit, und ich Narr glaubte, er übertriebe! Sie sind der Doppelgänger! Mein Bruder trug einen Backenbart! Wo haben Sie denn den gelassen? Ihr Aussehen erschien mir gleich etwas sonderbar, als ich Sie sah. Und wenn ich es jetzt bedenke – diese verrückte Geschichte von Tante Lizzie würden Sie auch erzählt haben, wenn Sie entdeckt worden wären! Bravo, kleine Diana!«
Gordon wurde purpurrot und gestikulierte wild.
»Ich schwöre dir –«
Bobby schüttelte den Kopf.
»Ist gar nicht notwendig, mein Freund. Ich durchschaue den ganzen Plan. Natürlich! Sie und ihre Komplicin holten meinen unglücklichen Bruder aus, der nach Paris oder sonstwohin gefahren ist, wo man ihn nicht erreichen kann. Sie brachten heraus, daß ich von der Ostender Reise wußte, und änderten Ihre Pläne. Gordon ging nach Paris – wie ich fürchte –«
»Allein?«
Gordon übte sich in Selbstbeherrschung. Allein? Das war eine schwierige Frage für Bobby.
»Daran dachte ich nicht. Aber es ist kein Grund, warum Ihre originelle Geschichte nicht wahr sein sollte. Der Ehemann erscheint, die Dame bittet ihr Opfer zu fahren, sie will nachkommen. So ist es!«
»Ich sage dir –«
»Nein, nein, mein Lieber, das nützt alles nichts. Meine Kusine, Miss Ford, die Sie so geschickt gefangen hat, muß einen ganz speziellen Grund haben, Sie nicht der Polizei zu übergeben. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, so hätte ich das zweifellos sofort getan. Aber sie hat sicher die richtige Maßnahme ergriffen, und ich will sie nicht in ihren Plänen stören. Den Schlüssel zum Geldschrank, teurer Freund? Beinahe wäre ich doch in Ihre Falle gegangen, auf mein Wort. Gehen Sie jetzt wieder an Ihre Pflicht, und danken Sie den Göttern, daß Sie noch nicht im Gefängnis sitzen!«
Gordon machte sich an die Arbeit. Aber erst wischte er sich mit dem nicht ganz sauberen Staubtuch den Schweiß von der Stirn. Das Resultat war erschreckend.
»Bobby!« stöhnte er.
Sein Bruder wandte sich um.
»Soll ich Ihnen vielleicht einen kleinen Antrieb geben?«
Gordon wünschte das offenbar nicht, denn er begann gleichgültig die Lehne eines Stuhles abzustauben.
Bobby öffnete die Tür und fand Mr. Superbus auf der obersten Treppenstufe sitzen. Er manikürte sich mit einem Taschenmesser.
»Hat er Ihnen Schwierigkeiten gemacht?« fragte er eifrig und schien sichtlich enttäuscht, als Bobby den Kopf schüttelte.
»Nicht die geringsten.« Er ging in das Zimmer zurück.
»Gehe jetzt fort, Onkel Artur!«
»Versuchte er zu entwischen?« fragte der interessierte Wächter.
Bobby lachte wieder, und Gordon hätte gern gewußt, wo Diana ihre kleine Pistole verwahrte.
»Ob er zu entwischen versuchte? Ich darf wohl sagen, daß er das tat! Sehen Sie nach ihm, Mr. Superbus. Ihren