Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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habe, die mich so fürstlich bezahlt. Mit tausend Mark Honorar komm ich mir wie eine Kapazität vor. So, halte bitte das Tablett, damit ich mich an deine grüne Seite setzen kann. Denn grün ist das verführerische Nachtgewand, grün sind die Decken, und grün ist die Hoffnung.«

      Mit einem Satz war er im Bett, stellte das Tablett in die Mitte und schmauste mit Lenore um die Wette.

      »Wie ist es mit einer Zigarette – genehmigt?«

      »Etwa für dich?«

      »Natürlich.«

      »Mein liebes Kind, ich bin Arzt.«

      »Aber jetzt im Schlafanzug und somit aller Würde bar.«

      Da lachte der Mann voll überschäumender Herzlichkeit. »Na, warte nur, du keckes Persönchen, für die allerliebste Bosheit räche ich mich noch!«

      »Daß ich nicht lache.«

      »Wird dir vergehen, wenn ich in deinen klassisch schönen Arm pieke, wovor du doch so schreckliche Angst hast.«

      »Und du willst ein barmherziger Samariter sein?«

      »Warum denn nicht?«

      »Recht barmherzig sein will heißen: wenden eines andern Pein – verlangt der Dichter Logau. Und was willst du tun? Dich an meiner Pein weiden. Schäm dich!«

      »Wenn ich es tue, dann höchstens deshalb, weil ich so gar keine Rücksicht auf deinen Zustand nehme.«

      »Wieso Zustand?« fragte sie hastig dazwischen.

      »Nun, du bist doch krank.«

      »Ach so.« Sie atmete auf. »Na, laß man, die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes.«

      »Wieder ein Zitat. Also zwingst du mich, auch damit zu kommen: Der Stunden wünsche ich mir viele, nämlich solche wie heute. Aber alle Tage ist kein Sonntag.«

      *

      Und dieser Sonntag sollte auch der letzte sein, den das junge Paar in Harmonie verbrachte. Zuerst einmal mußte sich der Arzt sechs Wochen von der Gattin trennen. Denn als er am nächsten Tag im Krankenhaus erschien, erklärte ihm der Chefarzt kurz und bündig, daß Doktor Skörsen als Leiter eines Ärztekursus angefordert worden wäre.

      »Ja, mein lieber Ralf, das kommt davon, wenn man so tüchtig ist, daß man auffällt«, lachte der joviale Herr schadenfroh. »Ob Sie das nun wollen oder nicht, Sie müssen. Befehl ist Befehl. Mir ist es wahrlich auch nicht recht, daß die Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen ist, ich werde Ihre Arbeitskraft hier sehr vermissen. So reisen Sie denn mit Gott, und zwar schon morgen früh, denn die Sache eilt.«

      Mit warmem Händedruck war er entlassen. Aber es dauerte dann doch noch Stunden, bis er aufbrechen konnte. Immer wieder kam etwas dazwischen, und so wurde es gegen Abend, bis Ralf zu Hause anlangte, wo er aber nur Lenore im Bett vorfand. Mutter und Schwester waren wieder mal unterwegs.

      So bekam die junge Frau als erste die Neuigkeit zu hören, die sie so hart traf, daß sie zuerst davon wie betäubt war. Doch dann kam eine solche Verzweiflung über sie, daß sie sich an ihren Mann klammerte und anflehte: »Geh nicht, Ralf, hörst du – geh nicht! Laß mich hier nicht so allein! Bitte, bitte, geh nicht!«

      »Aber Kind, was hast du denn?« fragte er erschrocken. »Du bist ja ganz außer dir, zitterst am ganzen Körper. Wie kannst du dich nur so erregen? Du wirst wieder Fieber bekommen, was nicht sein darf. Ich würde dann beunruhigt abfahren.«

      »Nur deshalb, Ralf?«

      »Ja, warum denn sonst?« fragte er verwundert zurück. »Ich lasse dich doch hier in guter Hut zurück.«

      »Das nennst du gute Hut?« schrie sie so jäh auf, daß er zusammenzuckte. »Wenn du fort bist und sie dich nicht mehr zu fürchten brauchen, werden sie mich so richtig in die Hand bekommen. Werden mich immer mehr peinigen und quälen mit ihren Schikanen, ihren Erpressungen um Geld. Werden mir immer meht an Arbeit aufbürden, werden mir kaum noch etwas zu essen geben. Oh, sie sind ja so gehässig und faul, deine von dir so sehr geliebte Mutter und Schwester.«

      Bis dahin hatte der Mann wie erstarrt zugehört, doch nun machte er sich mit brutalem Griff von den ihn umklammernden Armen frei. Sprang vom Bettrand auf und stand vor ihr, blaß bis in die Lippen.

      »Genug, Lenore, kein Wort weiter!« gebot er scharf und schneidend. »Du bist ja ein ganz boshaftes Geschöpf, hinterhältig und verlogen! Wäre dein wahrer Charakter schon damals zutage getreten, dann hätte ich mich nimmermehr von deiner Mutter zur Heirat überreden lassen, selbst nicht um aller Dankbarkeit willen, die ich ihr zu schulden glaubte …«

      »Hör auf! Hör doch auf!« unterbrach sie ihn mit ganz fremder Stimme, die wie zerbrochen klang, wie sprödes Glas, und das brachte den erregten Mann endlich zur Besinnung.

      Zögernd streckte er seine zitternde Hand nach ihr aus, doch nachdrücklich wurde sie zurückgestoßen.

      »Rühre mich nicht an!« sagte sie dumpf und schwer. »Ich verachte dich.«

      Da fuhr der Mann auf, als habe ihn ein Stich getroffen durch und durch. Doch ehe er etwas erwidern konnte, hörte er die Korridortür schließen, riß sich mit aller Energie zusammen und trat in den Korridor, um zu verhüten, daß die Mutter ins Zimmer kam, um nach Lenore zu sehen, was er als selbstverständlich annahm. Denn wie er seine Frau jetzt kennengelernt hatte, hielt er sie zu allem fähig, auch daß sie ihm im Beisein der Mama weitere Szenen machte.

      Also ging er dieser entgegen, die hastig fragte: »Junge, du bist schon hier?«

      »Und zwar aus einem besonderen Grund. Ich muß morgen früh nach Berlin, als Leiter eines Ärztekursus.«

      »Ralf, welch eine Auszeichnung!« rief die Mutter entzückt. »Dann wird es bestimmt nicht lange dauern, bis du Oberarzt wirst.«

      »Daß weiß ich nicht, Mama«, dämpfte er ihre Hoffnungsfreudigkeit. »Zuerst möchte ich mit dir über Lenore sprechen.«

      »Warum, ist sie kränker geworden?«

      »Nein, sie ist fieberfrei. Aber da du dich so oft über ihre trotzige, launenhafte Art beklagtest, wirst du kaum mit ihr fertigwerden, wenn ich fort bin.«

      »Aber Junge, darüber brauchst du dir doch keine Sorge zu machen«, schauspielerte sie so überzeugend, daß manch ein Star vor Neid erblaßt wäre. »Ich bin bisher ganz gut mit ihr ausgekommen und werde es auch weiter tun. Gott ja, man muß wohl so allerlei einstecken, aber was tut man nicht alles seinem Sohn zuliebe. Lenore ist eben von ihren Eltern zu sehr verzogen worden, die in dem einzigen Kind einen Abgott sahen, mit dem andere Menschen sich dann abplagen müssen. Aber ich beschwichtige sie schon, wenn sie zu bocken anfängt«, schloß die vortreffliche Dame lachend. Und da beugte der Sohn sich voll Verehrung über ihre Hand.

      »Ich danke dir, Mama.«

      Für Lenore hatte er keinen Blick, kein Wort. Er tat so, als ob sie gar nicht anwesend wäre. Regungslos lag sie da, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den schmerzverdunkelten Blick auf die Decke gerichtet. Ihr war sterbenselend zumute.

      Sie zuckte zusammen, als die Schlösser des Koffers einschnappten. Ungemein aufreizend klang es, so als wollte der Mann damit ausdrücken, daß er nun sein Bündel geschnürt hätte, um damit einen Weg zu wandern, der weit ab von dem ihren führte.

      Dann ging er hinaus.

      Als er nach Stunden zurückkehrte und zu Bett ging, stellte Lenore sich schlafend. Ach, wenn sie es doch wirklich könnte! Aber sie lag schlaflos da, starrte in die Dunkelheit und zergrübelte sich das Hirn, was nun werden sollte.

      Sie hatte Angst, eine bebende Angst vor der Zukunft. Für die wenigen Minuten, da sie die Beherrschung verlor und ihm entgegenschrie, was sie so lange schweigend erduldet hatte, würde sie schwer büßen müssen.

      Erst beim Morgengrauen schlief sie ein, und zwar so fest, daß sie nicht merkte, wie der Gatte aufstand. Erst als sie die Stimme der Schwiegermutter hörte, die im Korridor laut und wort­reich den Sohn verabschiedete, da schreckte