Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman


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einem Spediteur übergeben. Kleider, Wäsche und sonstiges schicke ich an Deine neue Adresse. Einen Koffer erhältst du gleichzeitig mit diesem Brief, er enthält das, was Du jetzt wohl nötig haben wirst. Der Kofferschlüssel steckt im Umschlag. Nun leb wohl, Lenore! Zürne mir nicht sehr, obwohl ich es verdient habe.

      Ralf

      »Ja, Kind, du hast es nicht anders gewollt«, sagte Gertraude, als sie den Brief zurückgab. »Nun beklage dich nicht!«

      »Tue ich auch gar nicht, Tante Traude. Es ist gut so.«

      Damit nahm sie den Schlüssel und öffnete den Koffer, in dem unter anderen Sachen auch ihr Pelz lag, den sie bei der Kälte wirklich nötig hatte. Ebenso den warmen Pullover nebst Rock, denn sie war ja in Hauskleid und Küchenschürze im Krankenhaus eingeliefert worden.

      Auch feste Schuhe fand sie vor, Mütze, Schal, Handschuhe. Ralf schien tatsächlich an alles gedacht zu haben.

      Selbst die Kassette mit dem Schmuck fehlte nicht. Als Lenore diese öffnete, lag obenauf ein Umschlag, in dem einige Hundertmarkscheine und ein Zettel steckten, auf dem stand:

      Dieses zuerst für Deinen Unterhalt. Weitere Summen gehen über Dein Bankkonto. Die Raten werden selbstverständlich weiter gezahlt.

      Ralf

      »Sieh mal, Tante Traude, wenn das da kein Unsinn ist!« hielt Lenore ihr unmutig die Scheine unter die Nase. »Ich habe doch Geld, von dem ich leben kann, schon allein von den Raten …«

      »Das ist aber dein Geld, mein Kind«, unterbrach Gertraude sie gelassen. »Der Ehemann ist jedoch verpflichtet, für den Unterhalt seiner Frau zu sorgen.«

      »Gewiß. Na, egal. Er muß ja wissen, was er tut.«

      Am nächsten Vormittag standen die beiden im Zimmer des Professors, um Abschied von ihm, der Oberschwester und dem jungen Arzt zu nehmen. Gertraude rundlicher denn je, so daß die Kleider ihr knapp paßten, Lenore schlank und biegsam wie eine Gerte. Der Pullover war so blau wie das leuchtende Augenpaar, das natürliche Gelock glänzte und gleißte im Schein der Wintersonne, die ins Zimmer strahlte. Jetzt sah man erst, wie schön dieses junge Menschenkind war, von einer natürlichen, bezaubernden Schönheit.

      »Die Narren werden eben nicht alle«, brummte Wilmar, und man wußte wohl, wen er mit diesem Narren meinte: nämlich Skörsen, der es nicht verstanden hatte, so viel Köstlichkeit zu hüten.

      Lenore jedoch sah ihn kopfschüttelnd an. »Wer ist denn hier ein Narr, Herr Doktor?«

      »Ich. Ich werde weinen, wenn wir voneinandergehn.«

      »Wir sehen uns ja bald wieder«, tröstete Gertraude. »Ich will doch hoffen, daß Sie uns bald besuchen werden.«

      »Wenn ich darf, gnädige Frau, so will ich mich gewiß nicht lumpen lassen.«

      »Sähe Ihnen auch gar nicht ähnlich. Daß du kommst, geliebter Schwager, ist ja Selbstverständlichkeit, aber auch die Frau Oberin möchte ich gern mal zu unseren Gästen zählen. Wie wär’s, wenn Sie Ihren Urlaub bei uns verlebten?«

      »Ich nehme dankend an, gnädige Frau, komme mit tausend Freuden.«

      »Dann wäre ja alles aufs beste geregelt.«

      *

      Der Hollgarthof war ein kleines, aber schmuckes Anwesen, blitzsauber und solide gebaut. Zwölf Morgen Land gehörten dazu, die ein Mann namens Matthes Ergurat bewirtschaftete. Er war schon auf dem Hollgarthof vor einem halben Jahrhundert geboren und hatte ihn nie länger als nur auf Stunden verlassen, mit so zäher Liebe hing er an ihm.

      Genauso wie sein Riekchen, das so wunderbar zu ihm paßte.

      Er schwang sein Zepter draußen, sie ihres in Küche und Keller. Und somit befand sich der Hollgarthof in den treuesten Händen.

      Diese beiden Getreuen standen nun am Fenster der geräumigen Küche und warteten voll Sehnsucht auf ihre Herrin. Und was da zwischen ihnen vor Aufregung zappelte, war der Abgott Ilga. Als das Auto dann endlich da war, stürmte Ilga davon und kam gerade zurecht, der aussteigenden Mutter um den Hals zu fallen. Vom Hof her rasten die beiden Hunde herbei, die an dem lieben Frauchen vor Freude jaulend hochsprangen, und um Frauchens Füße schnurrte die Katze Eulalia.

      »Herrschaften, laßt mich leben!« flehte Gertraude. »Laßt ab von mir und stürzt euch hier auf unsern Gast.«

      Allein bei dem benahmen sie sich denn doch gesitteter. Ilga hieß den Gast artig willkommen, Jagdhund und Dackel beschnupperten ihn vorsichtig, und Eulalia beäugte ihn aus der Ferne.

      »Nun kommt schon!« lachte Gertraude. »Sonst frieren wir hier noch an.«

      Also zog man vereint in die Diele, wo Matthes und Riekchen standen, Hand in Hand. Er lang und hager, mit einem Gesicht, als wäre braunes Leder über die Knochen gespannt, sie klein und rundlich, wie es sich für eine gute Wirtschafterin gehört.

      »Na, ihr beiden Getreuen, ihr seht mich ja so angstvoll an? Nichts da, ich bin wieder gesund und fidel wie eh und je. Schaut mal, was ich mitgebracht habe, einen lieben Gast.«

      »Das ist schön – ja, ja, das ist schön!« lachte und weinte Riekchen durcheinander. »Aber am schönsten ist, daß wir unsere liebe Frau wiederhaben. Kein Leben war das ohne sie.«

      »Nein, kein Leben.« Matthes nickte bekräftigend. »Aber jetzt ist wieder Leben, und wir können gehen.«

      Sprach’s, hängte die Pfeife in den Mundwinkel und stapfte befriedigt ab.

      »Bring aus dem Auto den größeren Koffer ins Fremdenzimmer!« rief Gertraude ihm nach. »Der kleine gehört mir. Und du, Riekchen, gib dem Chauffeur von dem Festessen, das du doch sicher zum Empfang bereitet hast. Aber keinen Akohol, er muß heute noch zurückfahren.«

      »Nein, nein, wo werd ich denn so was! Der kriegt einen steifen Kaffee.«

      Weg war sie, und Ilga lachte hellauf.

      »Die beiden sind vor Freude ganz durcheinander. Riekchen hat jeden Winkel im Haus unter die Bürste genommen, dazu gebacken und gebrutzelt, als stände ein Hochzeitsfest bevor. Matthes hat Pferd und Kuh gestriegelt und die Hufe so blank geputzt, als müßten sie auf Lackschuhen zum Tanz. Die Schweine wurden gewaschen, am liebsten hätte er auch die Hühner in die Wanne gesteckt. Und alles zu deinem Empfang, Mutzileinchen.«

      »Ja, sie sind rührend«, entgegnete Traude warm. »Nur mein Herr Gemahl …«

      »Erscheint wie auf ein Stichwort«, kam eine Baßstimme von der Tür her, durch die ein Mann trat – groß, breit, mit einem frischen Gesicht, graumeliertem Blondhaar und lustigen Blauaugen, von denen er jetzt das eine verschmitzt zusammenkniff.

      »Sei mir gegrüßt, mein Weib, fleuche an mein Herz!«

      Damit breitete er die Arme aus, in die Gertraude lachend sank. Nach herzlicher Begrüßung machte sie sich frei und zeigte auf Lenore, die dem allen mit großen Augen gefolgt war.

      »Das da ist unser lieber Gast, Frau Skörsen.«

      »So was ist nun schon Frau.« Der Hüne betrachtete das Persönchen kopfschüttelnd. »Das ist ja kaum aus den Windeln und zum Umpusten zart. Na, unser Riekchen wird schon Fleisch auf die Knochen bringen. Doch erst mal herzlich willkommen.«

      Sacht nahm er das Händchen, das sich ihm zaghaft entgegenstreckte, in seine braune Faust – und eine spontane Freundschaft war geschlossen.

      »Jetzt aber ab mit euch«, sagte Gertraude, befriedigt von der beiderseitigen Sympathie. »Bring Lenore in ihr Zimmer, Ilga. Aber schwatzt euch nicht fest! Denn wie ich Riekchen kenne, wird das Festmahl bald zum Vertilgen bereitstehen.«

      Die Treppe, die sie emporstiegen, war so breit, daß drei schlanke Menschen bequem nebeneinander gehen konnten. Überhaupt war alles in dem Haus weit und geräumig, wie man eben vor einem Jahrhundert gebaut hatte.

      Und so alt war das Gebäude bereits, aber tadellos gehalten und auch modernisiert, doch nur so viel, wie erforderlich war. Elektrisches Licht gab es natürlich, Anlage