den Krieg nicht wollen.«
»Sie bereiten ihn aber vor. So kamen wir zu der Ansicht, Ihre Zivilisation als primitives Leben einschätzen zu müssen. Ich habe meine Meinung geändert. Sie sind jung, tatendurstig und überaus aufnahmefähig. Ich habe Sie nach sorgfältiger Beobachtung in die Entwicklungsstufe ›D‹ eingereiht. Es steht mir zu, einen solchen Beschluss zu fassen. Thora hat die Anweisung erhalten, die Aufstufung in die positronische Speicherbank zu geben. Ich bin der wissenschaftliche Leiter dieser Expedition. Ich glaube wenigstens, Sie würden so dazu sagen. Thora ist allein für die Schiffsführung verantwortlich. Verstehen Sie das? Kennen Sie ähnliche Unterscheidungen in der Kommandogewalt?«
Rhodan bestätigte es. Gerade die Menschen kannten es nur zu gut.
»Ihre Ausführungen berührten direkt das Einstufungsgesetz des Großen Imperiums«, fuhr Crest fort. »Lebewesen, die mit der Eroberung des Kosmos bereits begonnen haben, können von einem befugten Wissenschaftler des Imperiums aufgestuft werden. Ich habe es getan. Damit sind Thoras Argumente hinfällig geworden. Wir dürfen uns mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Er lächelte schwach. Stiller Triumph glomm in seinen Augen. Rhodan war davon überzeugt, einen ganz gewaltigen Schritt nach vorn getan zu haben.
»Sie benötigen Hilfe«, wiederholte er. »Lassen Sie mich unseren Arzt holen. Wir müssen etwas tun.«
»Später. Hören Sie erst zu. Außerdem glaube ich nicht, dass Sie mir helfen können. Wenn wir äußerlich auch einander gleichen, so dürfte ich doch eine grundverschiedene Körperchemie besitzen. Unser organischer Aufbau wird ebenfalls voneinander abweichen. Immerhin erfüllen Sie das Grundgesetz des Imperiums. Sie gleichen uns sehr stark. Sie besitzen Geist, und es ist Ihnen gelungen, die von Ihnen entdeckten Kräfte des Atomkerns nutzbringend einzusetzen. Noch haben Sie nicht den Fehler begangen, die Urkräfte zu Ihrer Vernichtung einzusetzen. Ich bin ein führender Wissenschaftler des Großen Imperiums, einer der wenigen Männer, deren Wille und Lebenskraft erhalten wurde. Sie wundern sich über Thoras Stellung?«
Bully sah unbehaglich zu den apathischen Gestalten hinüber. Das eigenartige Programm auf den Bildschirmen schien sich geändert zu haben. Ein wilder Geräuschorkan war jetzt zu hören. Die geometrischen Figuren veränderten sich nur wenig.
»Ist das der Grund?«, fragte Rhodan gefasst. »Degeneration, ja?«
»Ihr Urteil war richtig. Mein Volk ist mehr als hunderttausend Jahre Ihrer Zeitrechnung alt. Früher waren wir wie Sie; eroberungsfreudig und wissensdurstig. Vor einigen tausend Jahren begann der Zerfall. Das Große Imperium wurde zersplittert. Artenfremde Intelligenzen erhoben sich gegen unsere Macht, und das Sternenreich begann zu wanken. Nun sind wir am Ende. Das Reich zerfällt, viele Gruppen kämpften um die absolute Macht. Mehr als fünfzig hochentwickelte Völker führen fürchterliche Kriege in den Tiefen der Milchstraße. Sie wissen es nicht. Ihre Sonne liegt weitab der Geschehnisse. Sie befinden sich in einem unbedeutenden Nebenarm der Galaxis.«
»Und was tun Sie dagegen?«, warf Bully ein.
»Nichts mehr«, resignierte der alte Mann. »Wir sind schwach und willenlos geworden. Ich gehöre zur herrschenden Dynastie auf Arkon. Thora ebenfalls. Arkon ist eine Welt, mehr als 34.000 Lichtjahre von hier entfernt. Sie rechnen nach Lichtjahren, nicht wahr?«
Rhodan hörte diese ungeheuerliche Zahl ungläubig.
»Demnach beherrschen Sie die überlichtschnelle Raumfahrt?«
»Natürlich. Seit einigen zehntausend Jahren Ihrer Zeit. Wir kennen die Erde seit vielen tausend Jahren. Dies ist nicht unser erster Besuch. Als die Dekadenz unter den Arkoniden begann, wurden die Forschungsflüge weitgehend eingestellt, die Raumschiffe blieben in den Häfen liegen. Man ist der Ansicht, einem Naturgesetz nicht entgehen zu können. Wir denken und planen noch; wir entwickeln auf rein geistiger Ebene wundervolle Pläne zur Verwirklichung eines neuen Imperiums, doch dabei bleibt es. Es fehlen Energie und Tatkraft, um das Erdachte auch zu verwirklichen. Man übersieht wichtige Dinge. Das Reich zerfällt immer mehr. Die herrschende Dynastie auf Arkon ist selbst dekadent geworden. Wir sind zu alt, sind einfach verbraucht. Und ...« Crests Augen verengten sich, »... bisher haben wir kein Volk entdeckt, das so wäre, wie wir einmal waren. Sie dürften die große Ausnahme sein. Ich habe Sie deshalb aufgestuft. Es ist mein Recht und meine Pflicht.«
In Rhodan erwachte der Wissenschaftler. Für ihn gab es zahllose Fragen.
»Sie sagen, Sie wären seit vier Monaten hier. Warum, um alles in der Welt, sind Sie nicht wieder gestartet?«
Crest nickte bedächtig.
»Das ist die Frage einer Intelligenz, die sich nicht vorstellen kann, wie es um uns wirklich bestellt ist. Die Notlandung auf Ihrem Mond liegt in einem Maschinenversager begründet. Man kümmert sich nicht mehr um die Überholung unserer Raumschiffe. Es ist nur ein kleiner Schaden, aber wir haben keine Ersatzteile an Bord. Sie sind vergessen worden. So liegen wir hier fest. Man wartet und wartet, und nichts geschieht. Meine Krankheit hindert mich, die Arbeiten selbst zu erledigen. Wir benötigen vordringlich die Ersatzteile. Ich glaube nicht, dass wir sie auf Ihrer Welt finden können.«
»Wir werden sie anfertigen«, sagte Bully. »Zeigen Sie uns, wie es gemacht wird, und Sie bekommen alles. Unterschätzen Sie uns nicht. Die besten Köpfe der Erde werden sich Ihres Problems annehmen. Wir holen Ihnen die Sterne vom Himmel, wenn Sie uns nur sagen, was wir tun müssen. Die irdische Industrie ist ein Mammutgebilde. Wir können alles, hören Sie – alles!«
Das waren sehr optimistische Worte, und sie munterten Crest auf.
»Ich glaube es Ihnen«, flüsterte er erregt. »Sie müssen Thora für diesen Plan gewinnen. Die Frauen unseres Volkes werden von dem allgemeinen Verfall weniger betroffen als die männlichen Wesen. Daher kommt es, dass sehr viele wichtige Positionen von Frauen besetzt wurden. Thora besitzt noch einen klaren und scharfen Geist. Sie, Major Rhodan, sind der richtige Mann, um sie zur Zusammenarbeit zu bewegen. Sie fürchtet sich vor Ihnen, was ich ganz erstaunlich finde.«
Rhodan schluckte. Er bezweifelte, dass Crest recht hatte.
»Sie sollten sich nicht darüber wundern, dass ich völlig in Ihren Begriffen spreche«, erklärte Crest. »Es war schon immer meine Aufgabe, mit fremden Intelligenzen zu verhandeln. Ich bin daran gewöhnt, mich rasch auf die Mentalität eines bestimmten Volkes einzustellen. Daher war Ihr Auftauchen für mich durchaus nicht überraschend, sondern selbstverständlich. Sie sind zutiefst beeindruckt, denn Sie wussten bisher nicht, dass Sie nicht die einzigen Intelligenzen im Kosmos sind. Ich kenne viele ähnliche Fälle. Das Auftauchen überlegener Wesen ist immer ein Schock. Sie haben ihn aber schon fast überwunden.«
»Was machen Ihre Begleiter eigentlich?«, erkundigte sich Rhodan und blickte zu den Liegen hinüber. Die eigenartige Musik hatte sich in ein aufdringliches Wispern verwandelt.
Crest wandte mühevoll den Kopf.
»Das übliche Simulator-Spiel. Es ist an unserem geistigen Untergang maßgeblich beteiligt. Milliarden Arkoniden liegen täglich vor den Schirmen. Es handelt sich um Fiktiv-Spiele, jeweils ausgedacht von einem anderen Meister. Es ist die bildliche und akustische Verdeutlichung des Gedankeninhalts. Mein Volk geht darin auf. Es wird immer schlimmer. Es sind nur fünfzig Leute an Bord. Ich sehe sie sehr selten, denn die meiste Zeit liegen sie verzückt vor den Fiktiv-Schirmen. Unsere Dekadenz bewegt sich nicht im Rahmen eines Sittenverfalls, sondern in einem allmählichen Erschlaffen der Willenskraft. Man wird gleichgültig gegen alles. Nichts regt auf, nichts interessiert. Das Werk eines neuen Simulator-Künstlers geht immer vor. Man hat unendlich viel zu tun, um neues künstlerisches Schaffen schnellstens zu genießen.«
»Und da hat man Sie nun vier Monate ganz einfach liegen lassen«, sagte Rhodan innerlich aufgewühlt. »Ohne den Versuch zu machen, ein Mittel gegen Ihre Krankheit zu finden. Es müsste für Ihre Begleiter eine Kleinigkeit sein.«
»Es wäre einfach, wenn sich jemand aufraffen könnte. Wir haben genügend Medikamente an Bord, aber ich bin von einer Krankheit befallen worden, die man bei uns nicht kennt. Es wären Untersuchungen und Forschungen notwendig. Da sie aber Zeit und intensive Arbeit erfordern, geht es einfach nicht. Es sind bedeutende