Готфрид Келлер

Gesammelte Werke von Gottfried Keller


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es würde mir auch zum Vergnügen und zur Erheiterung gereichen, Ihnen meine Dienste anzubieten; da aber meine Verhältnisse leider nicht derart sind, daß ich dies ganz ohne Entschädigung tun könnte, wenigstens wenn es nicht durchaus sein muß, so besprechen Sie sich mit Ihrer Frau Mutter, ob Sie monatlich zwei Louisdors daranwenden wollen. Ich bleibe jedenfalls einige Zeit hier, und in einem halben Jahre hoffe ich Sie so weit zu bringen, daß Sie später besser vorbereitet und selbst imstande, einigen Erwerb zu finden, Ihre Reisen antreten könnten. Sie würden jeden Morgen um acht Uhr kommen und den ganzen Tag bei mir arbeiten.«

      Ich wünschte nichts Besseres zu tun und lief eiligst nach Hause, den Vorschlag meiner Mutter zu hinterbringen. Allein sie war nicht so eilig wie ich und ging, da es sich um Ausgabe einer erklecklichen Summe handelte und ich selbst einen Teil des an Habersaat Bezahlten für verlorenes Geld hielt, erst jenen vornehmen Herrn, bei dem sie schon früher einmal gewesen, um Rat zu fragen; denn sie dachte, derselbe werde jedenfalls wissen, ob Römer wirklich der geachtete und berühmte Künstler sei, für welchen ich ihn so eifrig ausgab. Doch man zuckte die Achseln, gab zwar zu, daß er als Künstler talentvoll und in der Ferne renommiert sei; über seinen Charakter jedoch hüllte man sich ins Unklare, wollte nicht viel Gutes wissen, ohne etwas Näheres angeben zu können, und meinte schließlich, wir sollten uns in acht nehmen. Jedenfalls sei die Forderung zu groß, unsere Stadt sei nicht Rom oder Paris, auch hielte man dafür, es wäre geratener, die Mittel für meine Reisen aufzusparen und diese desto früher anzutreten, wo ich dann selbst sehen und holen könne, was Römer besäße.

      Das Wort Reisen war nun schon wiederholt vorgekommen und war hinreichend, meine Mutter zu bestimmen, jeden Pfennig zur Ausstattung aufzubewahren. Daher teilte sie mir die bedenklichen Äußerungen mit, ohne zuviel Gewicht auf die den Charakter betreffenden zu legen, welche ich auch mit Entrüstung zunichte machte; denn ich war schon dagegen gewaffnet, indem ich aus verschiedenen rätselhaften Äußerungen Römers entnommen, daß er mit der Welt nicht zum besten stehe und viel Unrecht erlitten habe. Ja, es hatte sich schon eine verständnisvolle eigene Sprache über diesen Punkt zwischen uns ausgebildet, indem ich mit ehrerbietiger Teilnahme seine Klagen entgegennahm und so erwiderte, als ob ich selbst schon die bittersten Erfahrungen gemacht oder wenigstens zu erwarten hätte, welche ich aber festen Fußes erwarten und dann zugleich mich und ihn rächen wollte. Wenn Römer hierauf mich zurechtwies und erinnerte, daß ich die Menschen doch nicht besser werde kennen als er, so mußte ich dies annehmen und ließ mich mit wichtiger Miene belehren, wie es anzufangen wäre, sich gehörig zu stellen, ohne daß ich eigentlich wußte, worum es sich handelte und worin jene Erfahrungen denn beständen.

      Ich entschloß mich kurz und sagte zur Mutter, ich wolle das Gold, welches in meinem ehemals geplünderten Sparkästchen übriggeblieben, für die Sache verwenden. Hiegegen hatte sie nichts einzuwenden und schien eher froh zu sein, diesen Mittelweg zu sehen, auf welchem ich wenigstens meine Selbstbestimmung betätigen konnte. Ich nahm also die Schaumünze und einige Dukaten, welche dabei waren, und trug alles zu einem Goldschmied, welcher mir acht Louisdors in Silber dafür bezahlte, brachte das Geld zu Römer und sagte, das sei alles, was ich verwenden könnte, und ich wünschte wenigstens vier Monate dafür seines Unterrichtes zu genießen. Zuvorkommend sagte er, das sei gar nicht so genau zu nehmen! Da ich tue, was ich könne, wie es einem Kunstjünger gezieme, so wolle er nicht zurückbleiben und ebenfalls tun, was er könne, solange er hier sei, und ich solle nur gleich morgen kommen und anfangen.

      So richtete ich mich mit großer Befriedigung bei ihm ein. Den ersten und zweiten Tag ging es noch ziemlich gemütlich zu; allein schon am dritten begann Römer einen ganz andern Ton zu singen, indem er urplötzlich höchst kritisch und streng wurde, meine Arbeit erbarmungslos heruntermachte und mir bewies, daß ich nicht nur noch nichts könne, sondern auch lässig und unachtsam sei. Das kam mir höchst wunderlich vor, ich nahm mich ein wenig zusammen, was aber nicht viel Dank einbrachte; im Gegenteil wurde Römer immer strenger und ironischer in seinem Tadel, den er nicht in die rücksichtsvollsten Ausdrücke faßte. Da nahm ich mich ernstlicher zusammen, der Tadel wurde ebenfalls ernstlich und fast rührend, bis ich endlich mich ganz zerknirscht und demütig daranmachte, mir bei jedem Striche den Platz, wo er hinsollte, wohl besah, manchmal ihn zart und bedächtig hinsetzte, manchmal nach kurzem Erwägen plötzlich wie einen Würfel auf gut Glück hinwarf und endlich alles genauso zu machen suchte, wie Römer es verlangte. So erreichte ich endlich etwelches Fahrwasser, auf welchem ich ganz still dem Ziele einer leidlichen Arbeit zusteuerte. Der Fuchs merkte aber meine Absicht und erschwerte mir unversehens die Aufgaben, so daß die Not von neuem anging und die Kritik meines Meisters schöner blühte denn je. Wiederum steuerte ich endlich nach vieler Mühe einer angehenden Tadellosigkeit entgegen und wurde nochmals durch ein erschwertes Ziel zurückgeworfen, statt daß ich, wie ich gehofft, ein Weilchen auf den Lorbeeren einer erreichten Stufe ausruhen konnte. So erhielt mich Römer einige Monate in großer Unterwürfigkeit, wobei jedoch die mystischen Gespräche über die bitteren Erfahrungen und über dies und jenes fortdauerten, und wenn die Tagesarbeit geschlossen war oder auf unseren Spaziergängen blieb unser Verkehr der alte. Dadurch entstand eine seltsame Weise, indem Römer mitten in einer traulichen und tiefsinnigen Unterhaltung mich jählings andonnerte »Was haben Sie da gemacht! Was soll denn das sein! O Herr Jesus! Haben Sie Ruß in den Augen?« so daß ich plötzlich still wurde und voll Ingrimm über ihn und mich selbst meine Arbeit mit verzweifelter Aufmerksamkeit wieder aufnahm.

      So lernte ich endlich die wahre Arbeit und Mühe kennen, ohne daß mir dieselbe lästig wurde, da sie in sich selbst den Lohn der immer neuen Erholung und Verjüngung trägt, und ich sah mich in den Stand gesetzt, eine große Studie Römers, welche schon mehr ein ganzes Bild mit den verschiedensten Bestandteilen vorstellte, vornehmen zu dürfen und dieselbe so zu kopieren, daß mein Lehrer erklärte, es sei nun genug in dieser Richtung, ich würde ihm sonst seine ganzen Mappen nachzeichnen; dieselben seien sein einziges Vermögen, und er wünsche bei aller Freundschaft doch nicht, eine förmliche Doublette desselben in anderen Händen zu wissen.

      Durch diese Beschäftigung war ich wunderlicherweise im Süden weit mehr heimisch geworden als in meinem Vaterlande. Da die Sachen, nach welchen ich arbeitete, alle unter freiem Himmel und sehr trefflich gemacht waren, auch die Erzählungen und Bemerkungen Römers fortwährend meine Arbeit begleiteten, so verstand ich die südliche Sonne, jenen Himmel und das Meer beinahe, wie wenn ich sie gesehen hätte, wußte Kakteen, Aloe und Myrtensträucher besser darzustellen als Disteln, Nesseln und Weißdorn, Pinien und immergrüne Eichen besser als Föhren und nordische Eichen, und Zypressen und Ölbäume waren mir bekannter als Pappeln und Weiden. Selbst der südliche Boden war mir viel leichter in der Hand als der nordische, da jener mit bestimmten glänzenden Farben bekleidet war und sich im Gegensatze zu der tiefen Bläue der mittleren und fernen Gründe fast von selbst herstellte, indessen dieser, um wahr und gut zu scheinen, eine unmerkliche, aber verzweifelt schwer zu treffende Verschiedenheit und Feinheit in grauen Tönen erforderte. Am See von Nemi war ich besser zu Hause als an unserm See, die Umrisse von Capri und Ischia kannte ich genauer als unsere nächsten Uferhöhen. Die roten, mit Efeu bekleideten Bogen der Wasserleitungen in der sonnverbrannten braungelben römischen Campagne mit den blauen Höhenzügen in der Ferne und dem graurötlichen Duft am Himmel konnte ich auswendig herpinseln.

      Und wie schön waren alle diese Gegenstände! Auf einer sizilianischen Küstenstudie war vorn zwischen goldenen Felsen eine Stelle im Meere, welche in der allerfabelhaftesten purpurnen Bläue funkelte, wie sie der ausschweifendste Märchendichter nicht auffallender hätte ersinnen können. Aber sie war hier an ihrem rechten und gesetzmäßigen Platze und machte daher eine zehnmal poetischere Wirkung, als wenn sie in einer erfundenen Landschaft unter anderen Umständen angebracht worden wäre.

      Einen besondern Reiz gewährten mir die Trümmer griechischer Baukunst, welche sich da und dort fanden. Ich empfand wieder Poesie, wenn ich das weiße, sonnige Marmorgebälke eines dorischen Tempels vom blauen Himmel abheben mußte. Die horizontalen Linien an Architrav, Fries und Kranz sowie die Kannelierungen der Säulen mußten mit der zartesten Genauigkeit, mit wahrer Andacht, leis und doch sicher und elegant hingezogen werden; die Schlagschatten auf diesem weißgoldenen edlen Gestein waren rein blau, und wenn ich den Blick fortwährend auf dies Blau gerichtet hatte, so glaubte ich zuletzt wirklich einen leibhaften Tempel zu sehen. Jede Lücke im Gebälke, durch welche der Himmel schaute, jede Scharte an den Kannelierungen war mir heilig,