sie selbst zu bebauen, und wie widerspenstig die Mutter Erde wurde, als man sie von gefesselten und gebrandmarkten Sklaven mißhandeln ließ. Diese Art Landwirtschaft mochte unter Umständen einen größeren Überschuß abwerfen, als die bäuerliche Wirtschaft, sie konnte auf keinen Fall ebensoviele Menschen im Wohlstand erhalten. Indessen, solange der Kriegszustand währte, in dem Rom die ganze Welt um das Mittelmeer herum in ständiger Unruhe erhielt, dauerte die Ausdehnung der Sklavenwirtschaft, aber auch der Niedergang des dadurch erdrückten Bauernstandes fort, da ja der Krieg den Großgrundbesitzern, die ihn leiteten, reiche Beute, neue Landstriche und Unmassen billiger Sklaven brachte.
Wir finden so im Römerreich eine ökonomische Entwicklung, die der modernen äußerlich auffallend gleicht: Rückgang des Kleinbetriebs, Fortschreiten des Großbetriebs und noch raschere Zunahme des großen Grundbesitzes, der Latifundien, die den Bauern enteignen und wo sie ihn nicht durch Plantagenwirtschaft oder sonstige Großbetriebe ersetzen, ihn doch aus einem freien Eigentümer in einen abhängigen Pächter verwandeln.
Pöhlmann zitiert in seiner Geschichte des antiken Kommunismus und Sozialismus unter anderem Die Klage des Armen gegen den Reichen aus der pseudoquintilianischen Sammlung von Deklarationen, in der das Anwachsen der Latifundien sehr gut geschildert wird. Es ist die Klage eines verarmten Bauern, der jammert:
„Ich bin nicht von Anfang an der Nachbar eines reichen Mannes. Rings um mich saßen auf zahlreichen Höfen gleich begüterte Besitzer, die in nachbarlicher Eintracht ihren bescheidenen Besitz bebauten. Wie ganz anders jetzt! Das Land, das einst alle diese Bürger nährte, ist eine einzige große Pflanzung, die einem einzigen Reichen gehört. Sein Gut hat seine Grenzen nach allen Seiten hinausgerückt; die Bauernhöfe, die es verschlungen hat, sind dem Erdboden gleichgemacht, und die Heiligtümer der Väter zerstört. Die alten Eigentümer haben vom Schutzgott des Vaterhauses Abschied genommen, sie mußten mit Frauen und Kindern in die Ferne ziehen. Einförmige Art herrscht über der weiten Fläche. Überall schließt mich der Reichtum wie mit einer Mauer ein, hier der Garten des Reichen, dort seine Felder. Hier seine Weinberge, dort seine Wälder und Triften. Auch ich wäre gerne fortgezogen, aber ich konnte keinen Fleck Landes finden, wo ich nicht einen Reichen zum Nachbarn gehabt hätte. Denn wo stößt man nicht auf den Privatbesitz der Reichen? Sie begnügen sich nicht einmal mehr damit, ihre Güter so weit auszudehnen, bis sie, wie ganze Völkerschaftsgebiete, in Flüssen und Bergen eine natürliche Grenze finden, sondern sie bemächtigen sich auch noch der entlegensten Gebirgseinöden und Wälder. Und nirgends findet dieses Umsichgreifen ein Ziel und eine Schranke, als bis der Reiche auf einen anderen Reichen stößt. Auch das gehört endlich zu der schimpflichen Mißachtung, welche die Reichen uns Armen zuteil werden lassen, daß sie es nicht einmal der Mühe wert finden, zu leugnen, wenn sie sich an uns vergriffen haben.“ (II, S. 582, 583)
Pöhlmann sieht darin eine Zeichnung der Tendenzen „des extremen Kapitalismus überhaupt“. Aber die Ähnlichkeit dieser Entwicklung mit der des modernen Kapitalismus und seiner Konzentration der Kapitalien ist eine rein äußerliche und es führt völlig irre, wenn man beide einander gleichsetzt. Wer tiefer geht, findet vielmehr einen völligen Gegensatz der Entwicklung hier und dort. Vor allem schon darin, daß die Konzentrationstendenz, das Streben nach Verdrängung der kleineren Betriebe durch größere, sowie nach wachsender Abhängigkeit der kleinen Betriebe von den Besitzern großer Reichtümer heute vornehmlich in der Industrie zutage tritt, viel weniger in der Landwirtschaft, indes im Altertum das Umgekehrte stattfand. Dann aber vollzieht sich die Überwindung des kleineren Betriebs durch den größeren heute namentlich durch den Konkurrenzkampf, der die größere Produktivität des mit mächtigen Maschinen und Anlagen ausgestatteten Betriebs zur Geltung bringt. Sie vollzog sich im Altertum durch die Lähmung der freien Bauern, die der Kriegsdienst erdrückte, und durch die größere Billigkeit der Arbeitskräfte, die bei massenhafter Sklavenzufuhr den Besitzern größerer Geldmittel zur Verfügung standen, endlich durch den Wucher, von dem wir noch reden werden, lauter Faktoren, die die Produktivität der Arbeit verminderten, statt sie zu heben. Für die Entwicklung und Anwendung des Maschinenwesens fehlten im Altertum die Voraussetzungen. Noch hatte das freie Handwerk sich nicht so hoch entwickelt, um massenhaft freie, geschickte Arbeitskräfte zu liefern, die bereit waren, sich um Arbeitslohn dauernd in großer Zahl zu verdingen, Arbeitskräfte, die allein imstande waren, Maschinen zu erzeugen und ihre Anwendung zu ermöglichen. Es fehlte daher auch der Antrieb für die Denker und Forscher, Maschinen zu erfinden, die doch ohne praktische Anwendung geblieben wären. Sobald aber einmal Maschinen erfunden sind, die in der Produktion erfolgreich wirken können, und zahlreiche freie Arbeitskräfte auftreten, die sich danach drängen, bei der Erzeugung und Anwendung der Maschinen beschäftigt zu werden, wird die Maschine eine der wichtigsten Waffen im Konkurrenzkampf der Unternehmer untereinander. Stete Vervollkommnung und Vergrößerung der Maschine ist die Folge, damit wächst die Produktivität der Arbeit, wächst der Überschuß über den Arbeitslohn, den sie liefert, wächst aber auch die Notwendigkeit, einen Teil dieses Überschusses anzusammeln, zu akkumulieren, um damit neue, bessere Maschinen anzuschaffen, wächst endlich auch die Notwendigkeit, den Markt ständig zu erweitern, da ja die verbesserte Maschinerie immer mehr Produkt liefert, das untergebracht werden soll. So führt das dahin, daß das Kapital ununterbrochen zunimmt, daß auch die Produktion der Produktionsmittel einen immer größeren Raum in der kapitalistischen Produktionsweise einnimmt, daß diese daher, um die mit den vermehrten Produktionsmitteln geschaffenen vermehrten Konsummittel profitabel loszuwerden, immer wieder neue Märkte suchen muß, so daß man sagen kann, sie habe sich im Laufe eines Jahrhunderts, des neunzehnten, die ganze Welt erobert.
Ganz anders war die Entwicklung im Altertum. Wir haben gesehen, daß man den Sklaven im Großbetrieb nur die plumpsten Werkzeuge in die Hand geben, daß man nur die rohesten und unintelligentesten Arbeiter dabei verwenden konnte, daß also nur die äußerste Billigkeit des Sklavenmaterials den Großbetrieb einigermaßen rentabel machte. Das erzeugte in den Unternehmern der Großbetriebe einen steten Drang nach Krieg, als denn wirksamsten Mittel, sich billige Sklaven zu verschaffen, und nach steter Ausdehnung des Staatsgebiets. Daraus erwuchs seit den Kriegen gegen Karthago einer der mächtigsten Antriebe der römischen Eroberungspolitik, die binnen zwei Jahrhunderten alle Länder um das Mittelmeer herum unterwarf und sich zur Zeit Christi anschickte, nachdem sie Gallien, das jetzige Frankreich, unterjocht hatte, auch Deutschland zu knechten, dessen kraftvolle Bevölkerung so treffliche Sklaven lieferte.
In dieser Unersättlichkeit, diesem steten Drang, sein Ausbeutungsgebiet zu erweitern, glich allerdings der antike Großbetrieb dem modernen, keineswegs aber in der Art und Weise, wie er die Überschüsse anwendete, die ihm die wachsenden Sklavenscharen lieferten. Der moderne Kapitalist muß, wie wir gesehen haben, seinen Profit zum großen Teil akkumulieren, zur Verbesserung und Erweiterung seines Betriebs anwenden, will er nicht von der Konkurrenz überholt und geschlagen werden. Das hatte der antike Sklavenbesitzer nicht nötig. Die technische Grundlage, auf der er produzierte, war keine höhere, eher eine niedrigere als die des Kleinbauern, den er verdrängte. Sie war nicht in steter Umwälzung und Erweiterung begriffen, sondern blieb sich stets gleich. Alle Überschüsse über die einmal gegebenen Kosten und die Ersetzung oder Abnützung von Werkzeugen, Vieh und Sklaven hinaus durfte daher der Sklavenbesitzer zum Genießen verwenden, auch wenn er kein Verschwender war.
Wohl konnte man Geld im Handel und Wucher oder in neuen Grundstücken anlegen und so vermehrten Gewinn daraus ziehen, aber auch dieser konnte schließlich keine andere Verwendung finden, als den Genuß. Das Aufhäufen von Kapital zum Zwecke der Produktion neuer Produktionsmittel über das gegebene Maß hinaus, wäre sinnlos gewesen, weil diese vermehrten Produktionsmittel keine Verwendung gefunden hätten.
Je mehr die Latifundien die Bauern verdrängten, je größere Massen von Grundbesitz und von Sklaven sich in einer Hand vereinigten, um so mehr wuchsen die Überschüsse, die Schätze, die einzelnen zur Verfügung standen und mit denen diese nichts anderes anzufangen wußten, als sie zum Genießen zu verwenden. Kennzeichnet der Drang nach Anhäufung von Kapital den modernen Kapitalisten, so die Genußsucht den vornehmen Römer der Kaiserzeit, der Zeit, in der das Christentum entstand. Die modernen Kapitalisten haben Kapitalien aufgehäuft, denen gegenüber die Reichtümer der reichsten antiken Römer winzig erscheinen. Als der Krösus unter diesen gilt Neros Freigelassener Narziß mit einem Vermögen von fast 90 Millionen Mark.