hab es bald gemerkt, das ist kein großer Mann, aber trotzdem ein Narr. Ein Trommler, kein General!
KNORKE
Salm ist bereits drüben. Sein Vetter ist Farmer.
HALEF
Ist es wahr, daß der kleine Horst tot ist?
KNORKE
An Malaria.
HALEF
Ich habe gehört, daß ihn der Rübezahl bei der Überfahrt über Bord geworfen hat.
KNORKE
Auch möglich.
Stille. Es ist Nacht geworden.
HALEF
Es wird allmählich Zeit. Ich wette, daß er nicht kommt.
Hauptmann kommt. Sladek erkennt den Hauptmann.
HAUPTMANN
sehr leise: Ich hätte fast mein Ehrenwort gebrochen. Es ist doch feig, sich so zu verkriechen, aber zu guter Letzt kann keiner von mir verlangen, daß ich mich für gemeine Verräter sinnlos opfere, nicht?
SLADEK
Hauptmann!
KNORKE
Was ist das?!
SLADEK
Ich.
KNORKE
Was heißt das: »Ich«?
SLADEK
Ich. Er nähert sich. Hauptmann, ich hab dich gleich, erkannt, obwohl es finster ist. Er erkennt Knorke und Halef. Du, ihr seid auch da! Ist das ein Zufall? Das ist aber sehr gut, da könnt ihr mir nämlich helfen, sicher, ich muß nämlich fort, in eine andere Welt, ich hab zwar eigentlich nichts getan, aber selbst das, was ich getan haben soll, das hab ich ja alles für ein Vaterland getan, wofür ich verfolgt werd wie ein gemeiner Verbrecher, derweil war doch das alles ideal – Was, was habt ihr denn?
KNORKE
Was hast denn du?
SLADEK
Ich? – Halt! Ich bin doch der Sladek, Kameraden!
KNORKE
Ich bin nicht dein Kamerad!
HAUPTMANN
Ich kenne dich.
KNORKE
Himmel, halt das Maul, du kennst ihn nicht, was soll denn das?!
HAUPTMANN
Ich kenne dich. Du bist der feige Hund, der als erster nach der weißen Fahne schrie, ich werde diese Fresse nie vergessen!
SLADEK
Das ist ein Irrtum!
HAUPTMANN
Du bist der! Diese Fresse, diese Fresse –
KNORKE
Nein, das ist nicht der!
SLADEK
Ich bin ein anderer.
HAUPTMANN
versetzt ihm einen Tritt: Da hast du den anderen! Da hast du den anderen!
SLADEK
krümmt sich: Au –
KNORKE
Einer wie der andere! Ist der das wert, daß du hängst?!
HALEF
Da kommt schon wer!
KNORKE
Fort! Wir kennen keinen Sladek! Rasch ab mit Hauptmann und Halef.
SLADEK
allein: Wir kennen keinen Sladek. Wir kennen keinen Sladek. – Wenn einer das Talent hat, verwechselt zu werden, so ist das schlimm. Es erinnert sich keiner an ihn, in diesem Fall an den Sladek. Alles an ihm wird radikal vergessen, draußen und drinnen, als wär einfach nichts da, es kommt ja auch nicht auf so einen einzelnen Sladek an, trotzdem – Nein, es hat keinen Sinn mehr zu denken, ich wollt, ich könnt bis Nikaragua schwimmen. Warum bin ich kein Fisch?
Stille.
Ob die Fische die Sternlein sehen? Ich hab mal gehört, daß jeder einzelne mit den Sternlein zusammenhängt, das ist freilich Mist, aber unter welchem Sternlein könnt ich geboren sein? Man sollt das ausrechnen können und ein Kind nur dann auf die Welt lassen, wenn grad ein guter Stern droben ist. Einmal hat mir die alte Kartlerin gesagt, 1922 wird Polen vernichtet, Frankreich halb vernichtet, Paris ganz, England im Meer versinken und der Vesuv ausbrechen, ganz fürchterlich – und Deutschland wird wieder Monarchie und der bayerische Rupprecht wird zum Deutschen Kaiser gekrönt, in Berlin. Das hätt schon voriges Jahr sein sollen, aber man kann nichts geben auf Prophezeiungen, obwohl es eine sogenannte Vorsehung sicher gibt. Es geht nämlich alles nach einem bestimmten Gesetz, das ist traurig. Ich hab mal gedacht, daß, wenn kein Gesetz wär, wär das ganze Leben sinnlos, aber es ist trotzdem sinnlos, das ist nämlich ein schlechtes Gesetz. Ein Kriminalkommissar und zwei Detektive sind erschienen.
DER KOMMISSAR
dieselbe Person wie der Untersuchungsrichter: Im Namen des Gesetzes! Sladek, ich verhafte Sie!
SLADEK
mechanisch: Mich?
DER KOMMISSAR
Sie! Leugnen Sie nicht, Sie sind der Sladek, wir wissen alles! Im Namen des Gesetzes verhafte ich Sie wegen Mord an der Witwe Schramm.
SLADEK
Also doch. Ein Detektiv fesselt ihn an sich.
DER KOMMISSAR
Widerstand ist sinnlos.
SLADEK
Das weiß ich, meine Herren.
X. DER FALL SLADEK
Mit Richter, Staats- und Rechtsanwalt. Unter dem Gekreuzigten.
RICHTER
dieselbe Person wie der Kriminalkommissar: Ihr Name?
SLADEK
Sladek.
RICHTER
Geboren?
SLADEK
Am 7. Juli 1902, in Hohenstein, das ist an der Grenze.
RICHTER
Beruf?
SLADEK
Ich wollt Kellner werden.
RICHTER
Und?
SLADEK
Ich bin keiner geworden.
RICHTER
Sie haben sich von der ermordeten Witwe Schramm aushalten lassen?
SLADEK
Nein.
RICHTER
Sondern?
SLADEK
Sie hat mir nichts geschenkt, das war nämlich ein richtiges Geschäft, das wir abgeschlossen haben, das war nur scheinbar, daß ich von ihr gelebt hab so ohne weiteres, ich hab ihr nämlich für das alles auch etwas gegeben.
STAATSANWALT
Was denn?
SLADEK
Mich. Man hört die Öffentlichkeit