Eduard Gibbon

Der Sieg des Islams


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und verstümmelter Verbrecher gestört. Eine allgemeine Amnestie hatte zwar Trost und Ruhe über ein Land, das durch die neuerlichen Umwälzungen erschüttert worden war, gebracht. Bevor man aber den blutdürstigen Charakter Chosroes tadelt, sollte man zuerst untersuchen, ob die Perser nicht gewohnt waren, die Strenge ihres Souveräns zu fürchten oder seine Schwächen zu verachten. Die Empörung Bahrams und die Verschwörung der Satrapen wurden durch den rächenden oder gerechten Sieger ohne Unterschied bestraft; selbst Bindoes Verdienste vermochten seine Hand von der Schuld, königliches Blut vergossen zu haben, nicht zu reinigen und der Sohn des Hormuz wollte seine eigene Unschuld erhärten und die Heiligkeit der Könige kräftigen. Während der römischen Herrschaft waren mehrere Fürsten durch die Waffen und die Macht der ersten Kaiser auf den persischen Thron gesetzt worden. Ihre neuen Untertanen wurden aber immer bald der Laster oder Tugenden überdrüssig, die sie im Auslande eingesogen hatten, und die Untätigkeit ihrer Herrschaft gab zu dem Sprichworte Veranlassung, daß die Wahl Roms von dem launenhaften Leichtsinne der orientalischen Sklaven mit gleichem Eifer gesucht und verworfen würde. Aber der Ruhm des Mauritius leuchtete während der langen und glücklichen Regierung seines Sohnes und Bundesgenossen. Eine Schar von tausend Römern, welche Chosroes zu bewachen fortfuhren, bewies sein Vertrauen auf die Treue der Fremden; seine zunehmende Macht setzte ihn in den Stand, diese unpopuläre Hilfe aufzugeben, aber er bekannte unwandelbare Dankbarkeit und Ehrfurcht für seinen Adoptivvater, und bis zum Tode des Mauritius wurde der Frieden und das Bündnis zwischen den beiden Reichen treulich bewahrt. Die Söldlingsfreundschaft des römischen Fürsten jedoch war durch kostspielige und gewichtige Geschenke erkauft worden. Die festen Städte Martyropolis und Dara wurden zurückgegeben, ebenso wie die Gebiete der Persarmenier, willige Untertanen des Reiches, dessen östliche Grenzen sich weiter als in früheren Zeiten bis an die Ufer des Araxes und die Nähe des Kaspischen Meeres ausdehnten. Man hatte sich der frommen Hoffnung überlassen, daß sowohl die Kirche als der Staat bei dieser Umwälzung triumphieren würden. Wenn aber auch Chosroes den christlichen Bischöfen aufrichtig Gehör geschenkt hatte, so wurde der Eindruck durch den Eifer und die Beredsamkeit der Magier verwischt. War er dagegen mit philosophischer Gleichgültigkeit bewaffnet, so modelte er seinen Glauben oder vielmehr seine Bekenntnisse nach den verschiedenen Einstellungen eines Verbannten und eines Souveräns um. Die eingebildete Bekehrung des Königs von Persien beschränkte sich auf eine lokale und abergläubische Verehrung für Sergius, einen der Heiligen von Antiochia, der seine Gebete erhörte und ihm im Traume erschien; er bereicherte dessen Schrein mit Dankopfern in Gold und Silber und schrieb seinem unsichtbaren Beschützer den Erfolg seiner Waffen und die Schwangerschaft der Sira, einer frommen Christin und der geliebtesten seiner Frauen, zu. Die Schönheit der Sira oder Schirin, ihr Verstand und ihre musikalischen Talente sind noch in der Geschichte oder vielmehr in den Dichtungen der Orientalen berühmt; ihr Name drückt in der persischen Sprache Lieblichkeit und Anmut aus, und der Beiname Parviz spielt auf die Schönheit ihres königlichen Anbeters an. Sira teilte jedoch nie die Leidenschaft, die sie einflößte, und das Glück Chosroes wurde durch den eifersüchtigen Zweifel gemartert, daß sie, während er ihre Person besaß, ihre Neigung einem geringeren Geliebten zugewendet habe.

      Während die Macht der Römer im Osten wieder auflebte, bietet Europa ein minder erfreuliches und minder rühmliches Schauspiel dar. Durch den Abzug der Langobarden und die Vernichtung der Gepiden war das Gleichgewicht der Macht an der Donau zerstört. Die Avaren dehnten ihre bleibende Herrschaft vom Fuße der Alpen bis an die Küste des schwarzen Meeres aus. Die Regierung Bajans ist die schönste Epoche ihrer Monarchie; ihr Chagan, der den einfachen Palast Attilas bewohnte, scheint dessen Charakter und Politik nachgeahmt zu haben; da sich aber dieselben Szenen in einem kleineren Kreise wiederholten, würde eine ausführliche Beschreibung der Größe und Neuheit des Originals entbehren. Der Stolz des zweiten Justinus, des Tiberius und Mauritius wurde durch einen Barbaren gedemütigt, der schneller zur Hand war, die Gewalttaten des Krieges auszuüben, als er selbst von ihnen erreicht werden konnte; und so oft die persischen Waffen Asien bedrohten, wurde Europa durch die gefährlichen Einfälle oder die kostspielige Freundschaft der Avaren unterdrückt. Wenn die römischen Gesandten sich der Residenz des Chagans näherten, erhielten sie Befehl, vor dem Throne seines Zeltes zu harren, bis es ihm vielleicht nach zehn oder zwölf Tagen gefiel, sie vorzulassen. So oft das Wesen oder die Abfassung der Botschaft ihn beleidigte, beschimpfte er mit wirklicher oder verstellter Wut ihre eigene Würde und die ihres Fürsten; ihr Gepäck wurde geplündert, und sie kamen mit dem Leben nur durch das Versprechen eines reicheren Geschenkes oder einer ehrfurchtsvolleren Anrede davon. Seine geheiligten Gesandten aber genossen und mißbrauchten in Konstantinopel eine grenzenlose Freiheit; sie drangen mit ungestümem Geschrei auf Erhöhung des Tributes oder auf Auslieferung der Gefangenen und Ausreißer, und die Majorität des Reiches wurde fast in gleichem Grade durch niedrige Nachgiebigkeit oder durch die falschen und furchtsamen Entschuldigungen geschändet, womit man ihren hochmütigen Forderungen auswich. Der Chagan hatte noch nie einen Elefanten gesehen. Die fremdartige, ja vielleicht fabelhafte Abbildung dieses wundervollen Tieres machte seine Neugier rege. Auf seinen Befehl wurde einer der größten Elefanten der kaiserlichen Ställe auf das stattlichste aufgezäumt und von einer zahlreichen Begleitung nach der königlichen Residenz in die Ebenen Ungarns geführt. Er betrachtete das ungeheure Tier mit Erstaunen, Ekel, vielleicht mit Entsetzen und lachte über den nichtigen Fleiß der Römer, die um solcher nutzlosen Seltenheiten willen die äußersten Grenzen des Landes und Meeres durchforschten. Er wünschte auf Kosten des Kaisers in einem goldenen Bette zu ruhen. Der Reichtum von Konstantinopel und die Geschicklichkeit und der Fleiß seiner Künstler wurden sogleich zur Befriedigung seiner Laune herangezogen; als aber das Werk vollendet war, wies er mit Verachtung ein der Majestät eines großen Königs so unwürdiges Geschenk zurück. Das waren zufällige Launen seines Stolzes. Die Habsucht des Chagans jedoch war eine größere Leidenschaft. Seidene Gewänder, Hausrat und Silbergeschirr, reiche und regelmäßige Lieferungen bewirkten es, daß in den Zelten der Skythen Kunst und Luxus zu herrschen begann. Ihr Appetit wurde durch den Pfeffer und den Zimt Indiens gereizt, die jährliche Summe der Hilfsgelder oder des Tributes von achtzig- bis hundertzwanzigtausend Pfund Goldes erhöht und nach jedem feindlichen Einbruch die Bezahlung der Rückstände nebst außerordentlich hohen Zinsen stets zur ersten Bedingung eines neuen Friedensvertrages gemacht. Der Avarenfürst klagte in der Sprache der Barbaren ohne Arg und Falsch über die Unaufrichtigkeit der Griechen, indessen stand er den meisten zivilisierten Nationen in der verfeinerten Verstellung und Treulosigkeit nicht nach. Als Nachfolger der Langobarden machte der Chagan auf die wichtige Stadt Sirmium, das alte Bollwerk der illyrischen Provinzen, Anspruch. Die Ebenen von Niederungarn bedeckten sich mit der Reiterei der Avaren, und eine Flotte großer Boote wurde in dem herkynischen Walde gebaut, um die Donau herabzufahren und die Materialien zu einer Brücke in die Save zu schaffen. Da aber die starke Besatzung von Singidunum, das den Zusammenfluß der beiden Ströme beherrscht, ihre Fahrt hätte hindern und seine Pläne vereiteln können, verscheuchte er ihre Besorgnis durch den feierlichen Eid, daß er keine feindlichen Absichten gegen das Reich hege. Er schwor bei seinem Schwerte, dem Symbole des Kriegsgottes, daß er nicht als Roms Feind eine Brücke über die Save baue. »Wenn ich meinen Eid breche«, fuhr der unerschrockene Bajan fort, »so möge ich selbst mit den Letzten meines Volkes durch das Schwert umkommen! Möge der Himmel und das Feuer, die Gottheit des Himmels, auf unsere Häupter fallen! Mögen die Wälder und Berge uns unter ihren Trümmern begraben und die Save gegen das Gesetz der Natur zu ihrer Quelle zurückkehren und uns mit ihren zornigen Wassern bedecken!« Nach dieser barbarischen Verwünschung fragte er ruhig, welcher Eid bei den Christen der heiligste und höchstgehaltene sei, welche Schuld des Meineides auf sich zu laden am gefährlichsten wäre. Der Bischof von Singidunum reichte ihm das Evangelium dar und der Chagan empfing es mit frommer Ehrfurcht. »Ich schwöre«, sagte er, »bei dem Gotte, der in diesem heiligen Buche gesprochen hat, daß weder Falschheit auf meiner Zunge noch Verrat in meinem Herzen ist.« Sowie er sich von seinen Knien erhoben hatte, beschleunigte er die Arbeiten an der Brücke und entsendete einen Boten, um zu verkünden, was er nicht länger zu verheimlichen wünschte. »Meldet dem Kaiser«, sprach der treulose Bajan. »daß Sirmium von allen Seiten eingeschlossen ist. Ratet ihm, die Bürger und ihre Habe wegzuschaffen und eine Stadt aufzugeben, deren Entsatz und Verteidigung jetzt gleich unmöglich ist.« Ohne Hoffnung auf Entsatz wurde aber die Verteidigung von Sirmium über drei Jahre ausgedehnt. Die Mauern standen noch unberührt, aber der Hunger war in die Stadt eingekehrt, bis eine gnädig gewährte Kapitulation den von