Eduard Gibbon

Der Sieg des Islams


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Wollust und Völlerei, und seine viehischen Vergnügungen waren ebenso schmachvoll für ihn, als gefährlich für seine Untertanen. Ohne das Amt eines Fürsten zu übernehmen, verzichtete er auf den Beruf eines Kriegers. Die Regierung des Phocas brachte Europa schimpflichen Frieden und Asien verheerenden Krieg. Sein wilder Charakter wurde durch Leidenschaften entflammt, durch Furcht verhärtet und durch Widerstand oder Vorwürfe erbittert. Schnelle Verfolgung oder Betrug vereitelte die Flucht des Theodosius an den persischen Hof; er ward in Nizäa enthauptet und die letzten Stunden des jungen Fürsten wurden durch den Trost der Religion und das Bewußtsein seiner Unschuld gelindert. Aber sein Phantom störte die Ruhe des Thronräubers: im Osten lief das heimliche Gerücht um, der Sohn des Mauritius sei noch am Leben. Das Volk erwartete seinen Rächer, und die Witwe und die Töchter des verstorbenen Kaisers würden den Geringsten aller Sterblichen als Sohn und Bruder anerkannt haben. Bei der Niedermetzelung der kaiserlichen Familie hatte Phocas aus Erbarmen oder vielmehr aus Klugheit diese unglücklichen Frauen verschont. Sie wurden in einem anständigen Privathaus in Gefangenschaft gehalten. Aber die Kaiserin Konstantina, ihres Vaters, ihres Gatten, ihrer Söhne eingedenk, dürstete nach Freiheit und Rache. In tiefer Mitternacht entfloh sie zu dem Heiligtum der St. Sophienkirche. Aber weder ihre Tränen noch das Gold ihres Genossen Germanus vermochten einen Aufruhr zu erregen. Ihr Leben war der Rache, ja sogar den Gerichten verfallen. Der Patriarch erwirkte ihre Begnadigung und leistete eidliche Bürgschaft für sie; ein Kloster wurde ihr zum Gefängnisse bestimmt. Die Witwe des Mauritius nahm die Gnade seines Mörders an und mißbrauchte sie. Die Entdeckung oder der Argwohn einer zweiten Verschwörung entband Phocas seiner Verpflichtung und entfachte von neuem seine Wut. Eine Matrone, die auf die Achtung und das Mitleid der Menschen Anspruch hatte, die Tochter, Gattin und Mutter von Kaisern, wurde wie der gemeinste Verbrecher gefoltert, um ihr ein Bekenntnis ihrer Pläne und ihrer Mitschuldigen abzuzwingen. Hierauf wurde die Kaiserin Konstantina mit ihren drei schuldlosen Töchtern zu Chalcedon auf demselben Platze enthauptet, der mit dem Blute ihres Gemahls und ihrer fünf Söhne befleckt war. Nach einem solchen Vorgange ist es überflüssig, die Namen und Leiden der geringeren Schlachtopfer aufzuzählen. Ihrer Verurteilung ging selten ein förmlicher Prozeß voraus, und ihre Strafe wurde durch raffinierte Grausamkeit verschärft: man durchbohrte ihre Augen, riß ihnen die Zunge bei der Wurzel aus, schnitt ihnen Hände und Füße ab. Einige kamen unter der Geißel, andere in den Flammen um oder wurden mit Pfeilen erschossen. Ein einfacher, schneller Tod war eine nur selten zu erlangende Gnade. Der Hippodrom, die geheiligte Stätte der Vergnügungen und der Freiheit der Römer, wurde durch Häupter und Gliedmaßen und verstümmelte Leichen entehrt. Am meisten empfanden es die den Phocas umgebenden Personen, daß weder seine Gunst, noch Verdienste sie vor einem Tyrannen, dem würdigen Nebenbuhler eines Caligula oder Domitian der ersten Zeit des Kaiserreiches, zu schützen vermochten.

      Des Phocas Tochter, sein einziges Kind, war mit dem Patrizier Crispus vermählt worden. Die königlichen Standbilder der Braut und des Bräutigams wurden unklugerweise im Zirkus neben denen des Kaisers aufgestellt. Der Vater mußte wünschen, daß seine Nachkommen die Frucht seiner Verbrechen erben möchten, der Monarch aber war über diese vorzeitige Verhimmelung entrüstet; die Tribunen der grünen Partei, die den Irrtum ihrer geschäftigen Bildhauer verwünschten, wurden augenblicklich zum Tode verurteilt. Ihr Leben wurde ihnen dann zwar auf Bitten des Volkes geschenkt, Crispus konnte aber mit Recht bezweifeln, daß ein eifersüchtiger Usurpator die ohne Willen geschehene Mitbewerbung vergessen und verzeihen werde. Die Undankbarkeit des Phocas und der Verlust ihrer Vorrechte erbitterte die grüne Partei tief; jede Provinz des Reiches war zur Empörung reif und der Exarch Heraklius von Afrika verweigerte zwei Jahre lang dem Centurio, der den Thron von Konstantinopel schändete, Tribut und Gehorsam. Geheime Sendlinge des Crispus und des Senates drangen in den unabhängigen Exarchen, sein Vaterland zu retten und zu beherrschen. Aber das Alter hatte »einen Ehrgeiz abgekühlt und er überließ das gefährliche Unternehmen seinem Sohn Heraklius und dem Nicetas, dem Sohn Gregors, seines Freundes und Unterbefehlshabers. Die afrikanischen Streitkräfte wurden von den beiden Jünglingen aufgeboten; sie kamen überein, daß der eine mit der Flotte von Karthago nach Konstantinopel segeln, der andere ein Heer durch Ägypten und Asien führen solle und daß der kaiserliche Purpur der Lohn des Erfolges sein werde. Ein vages Gerücht von dem Unternehmen drang zu den Ohren des Phocas, der die Mutter und Gattin des jüngeren Heraklius als Geißel festnehmen ließ. Aber die verräterischen Intrigen des Crispus verkleinerten die ferne Gefahr. Die Verteidigungsrüstungen wurden vernachlässigt oder verschoben, und der Tyrann wiegte sich noch in träger Ruhe, als schon die afrikanische Flotte im Hellespont vor Anker ging. In Abydus strömten die nach Rache dürstenden Flüchtlinge und Verbannten unter ihre Fahne; die Schiffe des Heraklius, mit den heiligen Symbolen der Religion geschmückt, steuerten im Triumphe durch die Propontis, und Phocas sah von den Fenstern des Palastes aus, wie sein unvermeidliches Schicksal herannahte. Die grüne Partei ließ sich durch Geschenke und Versprechungen verlocken, der Landung der Afrikaner einen schwachen und fruchtlosen Widerstand entgegenzusetzen; aber das Volk, sogar die Leibwachen, wurden durch den rechtzeitigen Abfall des Crispus gewonnen und der Tyrann ward von einem persönlichen Feinde, der kühn in den einsamen Palast drang, festgenommen. Des Diadems und Purpurs beraubt, in ein schlechtes Gewand gehüllt und mit Ketten beladen, wurde er in einem kleinen Boote nach der kaiserlichen Galeere des Heraklius gebracht, der ihm die Verbrechen während seiner verabscheuungswürdigen Herrschaft vorwarf. »Wirst du besser regieren?« waren die letzten verzweifelten Worte des Phocas. Nachdem er jede Art von Schimpf und Marter erlitten hatte, wurde sein Haupt vom Körper getrennt, der verstümmelte Rumpf in die Flammen geworfen, was auch mit den Standbildern des eitlen Usurpators und mit der aufrührerischen Fahne der Partei der Grünen geschah (4. Oktober 610). Geistlichkeit, Senat und Volk luden Heraklius ein, den Thron zu besteigen, den er von Schuld und Schmach gereinigt hatte. Nach einigem, vom Anstand gebotenen Zögern gab er ihrem Andringen nach. Seiner Krönung folgte unmittelbar die seiner Gattin Eudoxia und ihre Nachkommen herrschten bis in das vierte Geschlecht über das morgenländische Reich. Die Fahrt des Heraklius war leicht und glücklich gewesen, der lange Zug des Nicetas traf erst nach entschiedenem Kampfe ein. Er unterwarf sich aber ohne Murren dem glücklichen Freunde und seine lobenswerte Gesinnung wurde mit einer Reiterstatue und mit der Hand einer Tochter des Kaisers belohnt. Schwieriger hielt es, der Treue des Crispus zu trauen, dessen Dienste mit dem Befehle über die Armee von Kappadozien vergolten wurden. Sein Hochmut forderte indes die Undankbarkeit seines neuen Souveräns heraus und schien sie zu entschuldigen. In Gegenwart des Senates wurde der Schwiegersohn des Phocas verurteilt in ein Kloster zu gehen, und der Spruch wurde durch den gewichtigen Ausspruch des Heraklius gerechtfertigt, daß ein Mann, der seinen Vater verraten habe, keinem Freunde Treue bewahren werde.

      Selbst nach dem Tode des Phocas wurde das Römische Reich von seinen Verbrechen heimgesucht, weil sie ihren furchtbarsten Feind mit einer edlen Sache waffneten. Phocas kündete gemäß den freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem byzantinischen und dem persischen Hof letzterem seine Thronbesteigung an, und sein Gesandter Lilius, der ihm die Häupter des Mauritius und seiner Söhne gebracht hatte, war der geeignetste Mann, diese tragische Szene zu beschreiben. Wie sehr auch Lüge und Sophistik am Werk gewesen sein mochten, Chosroes wandte sich mit Abscheu von dem Mörder ab, kerkerte den angeblichen Gesandten ein, sagte sich vom Thronräuber los und erklärte sich zum Rächer seines Vaters und Wohltäters. Schmerz und Entrüstung, von der Menschlichkeit und der Ehre diktiert, wurden in diesem Falle noch durch das Interesse des persischen Königs gefördert und dieses Interesse noch durch die nationalen und religiösen Vorurteile der Magier und Satrapen außerordentlich vergrößert. Schlau schmeichelnd mit dem Schein des Freimutes wagten sie es, das Übermaß seiner Dankbarkeit und Freundschaft gegen die Griechen zu tadeln; eine Nation, mit der es gefährlich sei, Friede oder Bündnis zu schließen, deren Glaube aller Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit entbehre und die keiner einzigen Tugend fähig sein könne, weil sie das schrecklichste aller Verbrechen, den gottlosen Mord ihres Souveräns vollbracht habe. Wegen des Verbrechens eines ehrgeizigen Centurios wurde das Volk, das er unterdrückte, durch die Drangsale des Krieges gezüchtigt und dieselben Drangsale erlitten nach Verlauf von zwanzig Jahren die Perser und fielen mit doppelter Wucht auf ihre Häupter. Der Feldherr, der Chosroes wieder auf den Thron gesetzt hatte, befehligte noch im Osten und Narses' Name war das gefürchtete Wort, womit die assyrischen Mütter gewohnt waren, ihre Kinder zu erschrecken. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er als geborener Untertan Persiens seinen Gebieter und Freund aufmunterte, die asiatischen