poliert, bis sie glänzten, die Beschläge geputzt. Die Polster und Teppiche, zum Teil echte Perser, geklopft, entfleckt und mit Salmiak aufgefrischt. Kurz und gut, man hatte alles so lange bearbeitet, bis es in neuem Glanz erstrahlte.
Selbst bei den Gardinen und Vorhängen, die durchweg gekauft werden mußten, hatte man den Dekorateur gespart, indem man sie selbst anbrachte. Jetzt besaß Frauke Gortz, die herumgestoßene Verwandte der Familie Zerkel, ein weit schöneres, größeres und feudaler möbliertes Haus als diese es hatte. Und während diese Schulden hatten bis über beide Ohren, nannte sie ein ganz nettes Bankkonto ihr eigen. Und das Schicksal nannte es ausgleichende Gerechtigkeit.
*
Als die beiden Mädchen bei Tisch erschienen, hatten sie sich bereits angefreundet. Die kleine Baroneß war wohl noch zurückhaltend, aber lange nicht mehr so scheu wie zu Anfang. Und als sie später zwei Glas Bowle getrunken hatte, war aller Kummer vergessen. Sie wurde richtig zutraulich. Beteuerte immer wieder, wie froh sie doch wäre, hier zu sein. Auch daß sie es nicht fassen könnte, was man aus der Räuberhöhle gemacht hätte.
»Von innen habe ich das Haus nie gesehen, wie ja überhaupt niemand Zutritt hatte«, erzählte sie in ihrer reizenden Art. »Aber schon von außen kam es mir so unheimlich vor, so unsagbar trostlos und traurig.
Sie müssen nämlich wissen, daß wir vom Schloß aus beobachten können, was im Tal vor sich geht«, verriet sie eifrig. »Nur hier hatten wir keinen Einblick, weil alles zu verwachsen war. Unsere Barbe nannte es das Gespensterhaus, in dem es nicht geheuer wäre. So richtig gruseln konnte man sich.«
»Darf man wissen, wer die Barbe ist?« fragte Frauke, die genauso wie Hulda und Ortrun amüsiert dem kindlichen Geplauder lauschte.
»Natürlich dürfen Sie das wissen. Barbe ist unsere gute Barbe, die als Kindermädchen meines Bruders zu uns kam. Als Winrich sie nicht mehr brauchte, wurde sie Beschließerin und heiratete der Einfachheit halber den Diener Niklas.«
»Der Einfachheit halber ist gut«, lachte Frauke, und vergnügt tat die allerliebste Kleine mit.
»Na ja, lieb haben sie sich außerdem auch noch«, bekannte sie treuherzig. »Und ich habe sie auch lieb, weil sie so gut und so treu sind und mich vergöttern, wie mein Bruder es nennt.«
»Haben Sie denn keine Eltern mehr?« fragte Frauke wie beiläufig.
»Nein, sie sind schon lange tot. Mir ist doch so komisch im Kopf, wie kommt das nur?«
»Ja, wie mag das wohl kommen«, wiederholte Hulda trocken. Und dann leise zu Frauke und Ortrun: »Nehmt sie untern Arm und bringt sie zu Bett.«
So zog man denn mit dem beschwipsten Persönchen ab. Durch die Diele, die Treppe hinauf, die jetzt ein neuer Läufer deckte, hinein in Ortruns Zimmer, dessen Einrichtung sie aus ihrer Tasche bezahlte. Zwar war das Frauke nicht recht, aber das Mädchen bettelte so lange, bis sie nachgab.
Es war ein allerliebstes Jungmädchenzimmer mit zartgrünen Schleiflackmöbeln, bunten Seidenpolstern, dickem Teppich, duftigen Gardinen und niedlichem Kleinkram. Ehe Oda sich so recht versah, lag sie auf dem Diwan und gähnte herzhaft. Legte sich auf die Seite und wechselte augenblicklich hinüber ins Traumland.
»Die ist versorgt«, lachte Frauke unterdrückt. »Mach es genauso, Herzchen, kriech ungewaschen und ungeplättet in dein nobles Bett. Die nötige Bettschwere haben wir alle; denn die Bowle hatte es in sich. Schlaf gut, mein Kleines!«
»Du auch, Fraukelein. Wie glücklich bin ich doch, daß es dich und Hulda gibt.«
Stürmisch wurde sie umhalst und geküßt. Gleichfalls Hulda, die leise eingetreten war.
»Dich hat es auch ganz nett erwischt«, schmunzelte sie. »Husch bloß ins Körbchen, damit du nicht noch die schlafende Baroneß überfällst. In deinem seligen Dusel ist dir das schon zuzutrauen.«
»Soll ich’s tun?« blitzte der Übermut sie an.
»Laß bloß das Kind in Frieden. Das hat den Schlaf weiß Gott nötig. Schlaft euch gut aus, gute Nacht!«
Sie ging in ihr Zimmer, das sie sich behaglich eingerichtet hatte, ebenso wie Frauke das ihre, das neben dem Ortruns lag. Auch hier war alles hell und licht. Angefangen von den schimmernden Rosenholzmöbeln, dem hellen, flauschigen Teppich, den duftigen Gardinen bis zur seidenglänzenden Daunendecke.
Zu allem hatte das Geld gelangt, es war sogar noch ganz nett etwas übriggeblieben. Außerdem hatte sie ihre Rente und das sehr reichliche Pensionsgeld Ortruns. Damit ließ sich gut auskommen.
Auch am nächsten Tag zeigte der April sich gnädig. Wenn die Luft auch kühl war, aber es schien die Sonne. Frauke und Hulda, die zeitig aufgestanden waren, um im Park die Eier zu verstecken, waren gerade fertig, als sie an der Küchentür den Mann entdeckten, den Ajax verbellte. Frauke rief ihn zu sich, befahl ihm, bei Fuß zu bleiben und trat auf den Fremden zu, der eine schlichte Livree trug.
»Guten Morgen!« grüßte er höflich. »Ich bin der Diener Niklas vom Schloß und bringe der Baroneß ein Köfferchen mit Kleidern und einen Karton von meiner Frau, der Barbe. Diese Blumen soll ich den Damen von Herrn Baron überreichen und Dank sagen für die freundliche Aufnahme, die Baroneß hier gefunden hat.«
Frauke nahm ihm die Blumen ab, während Hulda nach Koffer und Karton griff.
»Sagen Sie dem Herrn Baron, wir lassen für die Blumen danken. Er braucht sich um die Baroneß keine Sorgen zu machen, sie ist bei uns bestens aufgehoben. Wann ist die Beisetzung?«
»Übermorgen um fünfzehn Uhr, gnädiges Fräulein. Der Herr Baron sagt telefonisch Bescheid, wenn die Baroneß im Schloß erscheinen soll. Ich empfehle mich den Damen.«
Würdig schritt er davon und Hulda brummte, während sie mit Frauke in die Küche ging:
»Ziemlich hochnäsig, der Herr Diener. Na ja, wie der Herr, so das Gescherr!«
»Wie kannst du nur so reden, Hulda. Du kennst den Baron ja gar nicht. Und die Baroneß ist doch weiß Gott nicht hochnäsig.«
»Wird sich schon auf ihr blaues Blut besinnen, wenn sie die Kinderschuhe abgestreift hat. Sieh nach, was im Seidenpapier für Blumen sind.«
Als die freilagen, tippte sie der Reihe nach auf die Blüten.
»Wunderbar abgestuft. Für das ältere gnädige Fräulein Orchideen, für das jüngere gnädige Fräulein Lilien, für die Küchenfee Osterglocken.«
Vergnügt fiel sie in das hellklingende Lachen Fraukes ein, die Koffer nebst Karton ergriff und zu den beiden Mädchen ging, die in ihren Betten lagen und sich unterhielten.
»Frohe Ostern!« riefen sie der Eintretenden entgegen, die zu Oda trat und die beiden Sachen aufs Bett legte.
»Das hat der Diener Niklas für Sie abgegeben.«
»Niklas?« schnellte die Kleine wie ein Gummiball hoch. »Haben sie im Schloß doch an mich gedacht. Was mag da drin sein?«
»Sehen Sie nach, dann werden Sie es wissen.«
»O bitte!« bettelten die Blauaugen zu ihr hoch. »Nennen Sie mich doch du, als Ostergeschenk. Von Ortrun habe ich es bereits erhalten.«
»Na schön, dann aber nur auf Gegenseitigkeit.«
»Aber dann sind Sie – dann bist du – gar keine Respektsperson mehr für mich.«
»Darauf lege ich auch gar keinen Wert.«
Interessiert sah sie zu, wie Oda den Koffer öffnete, in dem außer Nachtzeug und Unterwäsche ein schwarzweißes Wollkleidchen, schwarze Strümpfe und schwarze Wildlederschuhe lagen. Fragend sah das Mädchen zu Frauke hoch, die leise sagte:
»Du hast Trauer, Oda.«
»Richtig«, senkte sie verlegen das blonde Köpfchen. »Wie lange muß ich die einhalten?«
»Das wird dein Bruder bestimmen.«
»Na ja, was sein muß, das muß nun mal sein«, sagte