es wurde anders. Zehn geschickte Hände regten sich fleißig. Tapezierten, polierten, lackierten, und als die Osterglocken läuteten, war aus dem Schandfleck des Dorfes das schmuckste Haus geworden, über dessen Tür in großen goldenen Lettern stand: Haus im grünen Grund.
Diese Auferstehung hatten die Dorfbwohner mit brennendem Interesse verfolgt. So viele Menschen waren wohl noch nie an dem Anwesen vorübergegangen wie jetzt. Da stand jetzt kein Zaun mehr mit abgebröckeltem Sockel, verwaschenen Staketen und rostigem Tor, hier war verputzt, lackiert und bronziert worden. Auch was jetzt hinter dem schmucken Zaun lag, wie gern hätte man es aus der Nähe in Augenschein genommen. Aber hinter dieser Pforte befand sich ein verschlossenes Paradies – und der Erzengel davor war Ajax, der rassige Schäferhund. Zwar hielt er kein flammendes Schwert, aber er zeigte ein furchterregendes Gebiß.
Das alles wurde bestaunt, erörtert und beklatscht. An den Stammtischen, auf den Kaffeekränzchen und in den Geschäften. Das Haus im grünen Grund war ein Begriff geworden.
Was den Bewohnern übrigens höchst gleichgültig war. Sich um andere zu kümmern, dazu hatten sie von jeher keine Lust, und dann hatte ihnen in den vergangenen Wochen wahrlich die Zeit dazu gefehlt. Da hatten sie sich keine Ruhe gegönnt. Hatten geschuftet vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
Doch jetzt kam ihrer Arbeit Lohn. Jetzt konnten sie sich an dem erfreuen, was sie rundum mit Ausdauer und Fleiß geschaffen hatten.
Den langen Michel schmiß es fast um, als Frauke ihm, nachdem hier alles so herrlich vollendet, mit reizendem Grübchenlächeln ein Bündel Scheine in die Hand schob, die zusammen eine vierstellige Zahl ausmachten. Direkt entsetzt starrte er auf diesen Segen.
»Gnädiges Fräulein, so was ist doch unerhört.«
»Nicht unerhört, lieber Michel«, sagte sie herzlich. »Ihre Hilfe ist uns so viel wert, daß wir sie eigentlich gar nicht bezahlen können. Bedenken Sie, wenn wir Handwerker im Hause gehabt hätten. Ach was, ziehen Sie ab!«
Das tat er denn auch und hatte dann zu Hause den Freudenausbruch seines Bertchens zu überstehen.
Und am Ostersonnabend, der fast sommerliche Wärme brachte, saßen die fleißigen Arbeiter treu vereint auf der Terrasse beim Nachmittagskaffee. Saßen in Gartensesseln, die sie selbst lackiert hatten, und schauten mit frohen Augen hinaus in den kleinen Park. Es waren noch Bäume genug da, die Michels Axt verschont hatte; denn sie hatte nur das erfaßt, was schmarotzte und verdüsterte. Auf den frischangelegten Rasenflächen, die schon erstaunlich grün waren, blühte Krokus lustigbunt.
Auch auf den Beeten zeigten sich Frühlingsblumen. Die Birken umwallte ein grüner Schleier, die Magnolien sahen aus, als hätte man zartrosa Watte darüber gestreut. Nichts Düsteres gab es mehr, alles war hell, licht und froh.
Stolzgeschwellt sah Michel auf sein Werk. Hatte sich zur Feier des Tages fein gemacht, wie sein Bertchen auch. So gehörte sich das, wenn man von der Herrschaft eingeladen war.
Plötzlich horchten alle auf. Glockentöne wehten zur Terrasse hin und zwar von dorther, wo sich das prächtige Schloß erhob. Fünf Augenpaare waren jetzt darauf gerichtet und sahen voller atemloser Spannung zu, wie auf dem hohen Hauptturm die Fahne auf Halbmast gehißt wurde.
»Die Baronin ist tot«, sagte Bertchen leise. »Gott hab sie selig.«
Ihr Ehegespons jedoch murmelte etwas, das die Frau entsetzt die Augen aufreißen ließ:
»Gott sei Dank, jetzt ist der arme Kerl endlich von seinem Kreuz erlöst!«
»Michel, schämst du dich gar nicht, so frevelhaft daherzureden?!«
»Was heißt hier frevelhaft«, knurrte er. »War nun die Baronin ein Kreuz für ihren Mann oder nicht?«
»Das schon«, mußte sie kleinlaut beigeben. »Aber nun ist sie tot. Und den Toten soll man Gutes nachsagen.«
»Selbstverständlich. Auch wenn sie in ihrem nichtsnutzigen Leben die Menschen gepeinigt haben bis aufs Blut.«
»Michel!«
»Na ja, ich bin schon still«, sah er verlegen in drei Augenpaare, die verständnislos an seinem Gesicht hingen. »Nichts für übel, meine Damen, aber bei allem, was man da hörte, konnte sich einem schon das Herz krümmen vor Jammer. Denn so ein leibhaftiger Teufel…«
»Halt den Mund, Michel, laß mich reden, ich werde bestimmt nicht so ausfallend wie du! Außerdem kenne ich die Verhältnisse im Schloß nicht nur vom Hören, sondern auch vom Sehen, weil ich öfter mal zur Aushilfe dort war und so manches mit angesehen habe. Also, meine Damen, das war so:
Der junge Baron heiratete ein reiches Mädchen, weil er Geld für seinen großen Besitz brauchte. Doch gleich nach der Hochzeit stellte sich heraus, daß ihn sein Schwiegervater geblufft hatte. Der war nämlich pleite, segelte ins Ausland ab. Nun hatte der arme, betrogene Mann eine Frau am Hals.«
»Aha!«
»Du sollst mich nicht unterbrechen, Michel, das rutschte mir nur so raus. Sage ich so: Er hatte nun eine Frau, die nicht Geld mitbrachte, sondern viel Geld verlangte, da sie an ein verschwenderisches Leben gewöhnt war. Eigentlich hätte der Herr Baron sich gleich scheiden lassen müssen, von wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen und so. Und vielleicht hätte er es auch getan, wenn seine Frau nicht bei ihrer verrückten Autoraserei verunglückt wäre. Dabei verletzte sie sich das Rückgrat so arg, daß es keine Hilfe mehr gab. Und da sie schon von Natur so ein…«
»Teufel«, half Michel aus.
»Wenn du jetzt nicht den Mund hältst, bekommst du von mir keinen Schnaps!«
»Damit kannst du mich nicht einschüchtern«, grinste er sie an. »Ich bekomme schon einen – oder gar mehrere.«
Da mußte das liebe, gute Bertchen lachen, fuhr dann aber ernstwerdend in ihrer Erzählung fort:
»Da die Baronin schon von Natur aus ein unruhiger Geist war, machte das Siechtum sie zur…«
»Kanaille!«
»Na schön, das will ich gelten lassen, sie war wirklich eine. Sie tyrannisierte nämlich das ganze Haus, am meisten aber ihren Mann und seine blutjunge Schwester. Aber sie sollen ihr Kreuz geduldig getragen haben, wovon der Heiland sie heute, vor seinem Auferstehungstag, erlöste.«
»Amen!« schloß der unverbesserliche Michel, was die andern lachen machte, ob sie wollten oder nicht. Was ging sie schließlich die Tragödie anderer Leute an? Wenn sie darüber weinen wollten, würden sie wohl kaum die Tränen stillen können, weil es ja auf der Welt der Tragödien so viele gibt. Und jeder muß damit fertig werden, ob so oder so.
»Jetzt trinken wir einen Schnaps«, ordnete Hulda an, was allgemeine Begeisterung fand. Und da es ja heißt: Vor dem Schnaps einen Schnaps, nach dem Schnaps noch ’nen Schnaps, mußte man sich daran halten. Wenigstens tat es das Ehepaar. Und als es später schied, Bertchen mit einem Korb am Arm, in dem sich Festtägliches befand, schwankten sie Hand in Hand beseligt über die Wiese ihrem Häuschen zu, in dem Liebe, Friede und Eintracht ihre Zepter schwangen.
*
Die Zurückbleibenden sahen belustigt dem schwankenden Paar nach, bis es im Haus verschwunden war.
»Die sind jetzt wohlverwahrt und aufgehoben«, lachte Frauke. »Das heißt, so arg war es mit Bertchen nicht, die konnte noch gut Balance halten. Aber schaut mal dort hinauf. Ist das nicht ein Mensch, der von dem Schloß her die Anhöhe hinabläuft?«
»Scheint mir auch so«, kniff Hulda die Augen zusammen, um besser sehen zu können. »Sieht wie ein junges Mädchen aus, das auf Michels Haus zuhält. Da steht übrigens Bertchen und winkt.«
Gespannt verfolgten sie den Vorgang weiter. Jetzt machte die Laufende vor Bertchen halt, die zuerst auf sie einsprach, sie dann bei der Hand nahm und über die Wiese auf das grüne Haus zukam. Einige Minuten später standen sie vor den drei erstaunten Menschen auf der Terrasse.
»Verzeihen Sie bitte, meine Damen«, sagte Bertchen verlegen. »Ich wollte mal fragen, ob Sie das Baroneßchen, das in ihrer