Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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Herr Baron. Wenn Sie dabei sind, habe ich keine Angst.«

      Fast hätte der Mann den Schritt verhalten, so sehr überraschte ihn dieses Bekenntnis, das von ihr wohl harmlos hingesagt, für ihn jedoch von schwerwiegender Bedeutung war. Ein Glücksgefühl durchflutete sein Herz, wie er es noch nie empfunden. Als hätte er solange nur dahingedämmert und wäre jetzt erst zum Leben erwacht. Jetzt erst begriff er so ganz und gar das Lied des Walther von der Vogelweide.

      Wer gab dir, Minne, die Gewalt,

      daß du so allgewaltig bist?

      Du zwingest beide, jung und alt,

      dagegen gibt es keine List.

      Nein, die gab es nicht. Diese eine Bemerkung, die vielleicht nur so dahingesagt war, hatte genügt, den Wall, mit dem sein Herz sich umpanzerte, leicht und mühelos einzureißen. Nun lag sein Herz da, kahl und bloß. War schutzlos zwei strahlenden Augen ausgeliefert und einem goldigen Lachen.

      Als dann die Polonäse beendet war, blieben die Paare zum anschließenden Walzer zusammen. Und da die Tanzfläche viel zu klein war, tanzte man da, wo man Platz fand.

      Wie ein Elflein schwebte Ortrun dahin. Strahlte ihren Partner an, wie sie auch den nächsten und übernächsten anstrahlte.

      Da wandte der Mann sich brüsk ab. Wie hatte er auch nur einen Herzschlag daran glauben können, daß das strahlende Lachen, der strahlende Blick ihm allein galt. Und wie hatte er sich durch eine einzige Bemerkung, von der er jetzt wußte, daß sie nur so dahingesagt war, aus dem Gleichgewicht bringen lassen können. Nun, das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Von jetzt ab würde er auf der Hut sein.

      *

      »Tanzen möcht ich, jauchzen möcht ich, in die Welt es schrei’n, mein ist die schönste der Frauen, mein, nur mein«, sang Uwe Gunder jämmerlich falsch die Worte des Walzers mit, seine Schönste dabei immer fester umfassend, bis diese es sich ernstlich verbat, ihr die Luft abzuschnüren. Doch er lachte sie freundlich an und beteuerte, er müßte es tun, sollte ihm nicht das übervolle Herz bersten.

      »Dann denken Sie gefälligst auch an anderer Leute Herz und quetschen Sie es nicht ab.«

      »Ei, denken Sie daran, was ich Ihnen vorhin sagte.«

      »Unmöglich, mir alles zu merken, was Sie heute an Unsinn zusammengeredet haben.«

      »Es war kein Unsinn, was ich Ihnen mit den Worten Uhlands zu verstehen gab.«

      »Ich bin ein einziges Fragezeichen.«

      »Hm. Dann will ich die letzten Sätze wiederholen: Mußt dir’s Zürnen abgewöhnen, ist nicht für die Ehe gut.«

      »Wer will denn eine Ehe eingehen?«

      »Ich.«

      »Mit wem?«

      »Mit dir. Ich liebe dich nämlich, meine süße Frauke, und zwar mehr, als für uns beide gut ist.«

      »Ach du lieber Gott! Soll das etwa ein Heiratsantrag sein?«

      »Na, was denn sonst? Sag bloß schnell ja, ich halte das Hangen und Bangen nicht mehr länger aus. Wer weiß, wann sich wieder Gelegenheit geboten hätte, dir die Frage zu stellen, die mir schon längst auf der Zunge brennt. Ergo mußte ich die jetzige Gelegenheit beherzt beim Zopf fassen. Ja, Frauke?«

      »Ja«, entgegnete sie einfach, und da drückte er sie mit einem befreiten Lachen an das närrische Herz.

      Indes saß der Baron bei Jadwiga und Hulda, die immer wieder ein Gähnen unterdrückten. Es war ja auch bald Mitternacht, und der Bettzipfel winkte. Bis Hulda einmal den Mund ganz weit aufsperrte, da sagte der Mann lächelnd:

      »Das war herzhaft, Fräulein Hulda. Nun die Musik gerade schweigt, werde ich Oda holen, dann fahren wir nach Hause.«

      »Und Ortrun?« fragte Jadwiga ängstlich.

      »Die wollen wir nicht stören. Mag sie die Ehrungen, die man ihr als Schützenprinzessin entgegenbringt, auskosten bis zur Neige.«

      »Sie haben recht, Herr Baron«, brummte Hulda. »Die sonst so vernünftigen Menschen gebärden sich heute wie Narren. Daß Ortrun diesen Unsinn so eifrig mitmacht, damit enttäuscht sie mich. Jetzt ist’s aber genug, jetzt muß ein vernünftiger Mensch zwischen die Narretei.«

      Sprachs, erhob sich und ging gewichtigen Schrittes davon. Schon wenige Minuten später kehrte sie zurück, Ortrun und Oda im Schlepptau.

      »Mault nicht, wir fahren nach Hause und damit basta. Ihr Grünzeug habt genug getanzt, die Sohlen eurer Schuhe müssen ja schon durch sein. Leg den Schnickschnack da ab, Ortrun. Ich werde ihn dem Herrn bringen, der ihn dir anlegte. Dort steht er gerade.«

      Resolut, wie Hulda nun einmal war, legte sie wenig später dem verdutzten Herrn die Insignien der Schützenprinzessin in den Arm. Ehe der noch etwas sagen konnte, war sie schon davon und kehrte zum Tisch zurück, wo sie Frauke und Uwe vorfand.

      »Ach sieh mal an, ihr laßt euch auch einmal blicken.«

      »Brumm nicht, Huldchen!« drückte sie ihr einen Kuß auf die Wange, worauf sie mißtrauisch gemustert wurde.

      »Na ja«, sagte Hulda trocken. »Muß ja auch so was geben. Ich fahre mit Fräulein von Schlössen und Oda nach Hause. Der Herr Baron wird so freundlich sein, uns in seinem Wagen mitzunehmen.«

      »Den wollen wir erst gar nicht bemühen«, tat der Herr Doktor großartig. »Wir haben alle in meinem Wagen Platz.«

      So fuhr man denn ab. Voran der Baron mit seiner Schwester, hinterher der Tierarzt mit seinen vier Weibsen, wie er sie schmunzelnd bei sich nannte. Als der Wagen hielt, stiegen die drei, die im Fond saßen, rasch aus, während die vorn sich damit Zeit ließen.

      »Kommt schleunigst ins Haus«, sagte Hulda. »Damit ihr euch nicht erkältet. Gute Nacht, Herr Doktor, schlafen Sie so gut, wie Sie können!«

      Die andern beiden riefen ihm auch einen Gutenachtgruß zu, dann eilten sie ins Haus und Uwe schmunzelte.

      »Ich glaube, unsere Hulda weiß Bescheid. Komm her, mein Schatz, auf daß ich meinen Hunger stille!«

      Es schien schon ein Mordshunger zu sein; denn es dauerte lange, bis er sich an den weichen Lippen sattgeküßt hatte, wobei die Grübchen nicht vernachlässigt wurden, versteht sich. Dann ließ er endlich von seinem »Opfer« ab und sagte zufrieden:

      »Nach dem langen Schmachten hat das gutgetan. Darf ich morgen – oder besser heute – mit dir frühstücken?«

      »Bitte sehr!«

      »Es darf aber nicht zu spät sein; denn um elf beginnt meine Sprechstunde.«

      »Hm. Wie spät haben wir es, kurz nach zwölf. Sieben Stunden Schlaf oder auch keinen, also kannst du um acht Uhr erscheinen.«

      »Tiefgefühlten Dank! Schlaf gut, träum von mir, meine Schönste, und um acht auf Wiedersehen!«

      Noch ein Kuß, dann stieg Frauke aus, winkte dem abfahrenden Wagen nach und ging dann ins Haus, wo Hulda in der Diele stand und ihr entgegenschmunzelte.

      »Also denn meinen herzlichen Glückwunsch! Daß du glücklich bist, sagen mir deine strahlenden Augen.«

      »Ich bin es auch, Hulda. Bist du mit meiner Wahl zufrieden?«

      »Sehr! Dein Uwe ist ein guter Mensch.«

      *

      Pünktlich um acht Uhr betrat der Tierarzt das gemütliche Frühstückszimmer, wo auf dem Tisch ein gutes Frühstück seiner wartete. Doch zuerst kam der Gutenmorgenkuß, dann der Strauß mit dreiundzwanzig roten Rosen, für jedes Lebensjahr eine und dann der Ring mit einem herrlichen Smaragd.

      »Es ist der Ring meiner Mutter«, sagte er leise. »Werde in deiner Ehe so glücklich, wie sie es in der ihren gewesen ist.«

      »Und ich werde bestrebt sein, so zu werden wie deine Mutter«, entgegnete sie einfach. »Und dein Ring?«