Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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Haus wieder betrat, dehnte Frauke die Arme weit.

      »Tohuus is doch tohuus.«

      Und zwei anderen Menschen tat dabei das Herz bitter weh.

      *

      Nun waren die Neuvermählten fort, hinaus in die weite Welt. In einem neuen, teuren Wagen, den der Herr Doktor eigens für die Hochzeitsreise angeschafft hatte.

      Zwar hatte Gunder seinen Vetter Folbe nebst Gattin zur Hochzeit eingeladen, doch leider mußte der Arzt absagen, weil eine Scharlachepidemie ihn unabkömmlich machte, selbst für einen Tag. So waren als Gäste nur die Geschwister Swidbörn zugegen, die man eigentlich als Gäste gar nicht mehr bezeichnen konnte. Nachdem die jungen Gatten abgefahren waren, brachen auch sie auf. Und nun saßen ein junges und ein altes Fräulein oben im Zimmer, die Augen voll Tränen, das Herz voll Weh. Und als Jadwiga aufschluchzte, umfaßte Ortrun die bebenden Schultern.

      »Weine nicht, Tante Jadwiga, ich verlaß dich nicht. Wir gehen zuerst einmal eine Zeitlang auf Reisen und schaffen uns dann in einer Stadt ein kleines Heim, das du betreust, während ich mich zur Kunstgewerblerin vorbereite. Etwas werde ich ja unternehmen müssen. Denn um müßig meine Tage zu verbringen, dafür bin ich noch zu jung.«

      »Wird dein Vormund dich auch mir anvertrauen?« fragte Jadwiga zaghaft, und Ortrun lachte bitter auf.

      »Er hat ja keine Bedenken gehabt, mich einem dreiundzwanzigjährigen Mädchen anzuvertrauen. Der ist froh, mich überhaupt irgendwo unterbringen zu können. Außerdem werde ich in zehn Monaten mündig.

      Und nun wollen wir die vier Wochen, die uns hier zu bleiben noch vergönnt sind, nicht mit Trübsal vergeuden, sondern sie aus vollem Herzen genießen.«

      Was sie denn auch taten. Das heißt, sie weilten mehr im Schloß als in dem grünen Haus. Denn Oda schien ohne sie nicht mehr leben zu können. Ließ keinen Tag vergehen, ohne sie ins Schloß zu holen, in das nun zwei fröhliche junge Menschenkinder Leben brachten. Die weiten Räume waren erfüllt von Lachen. Der kostbare Flügel, schon lange nicht mehr benutzt, klang nun oft unter zwei zarten Händen. Eine süße Stimme sang fröhliche Lieder und entzückte alle, die es hörten.

      Wie Kletten hingen die beiden Mädchen zusammen, unternahmen alles gemeinsam, und immer war Jadwiga dabei. Nur bei den Ritten blieb sie zurück, was sie auch gern tat. Dann gab sie sich einer besinnlichen Stunde hin, in der sie gar nicht merkte, wie alles ringsum von ihrem Herzen Besitz ergriff – mehr noch als im grünen Haus.

      Es war nicht einfach gewesen, Ortrun in den Sattel zu bekommen. Nicht etwa, weil sie sich darin nicht sicher fühlte, sondern weil dann immer der Mann dabei war, in dessen Nähe sie stets so unsicher wurde. Wo ihr Herz so seltsam klopfte, in harten, schmerzhaften Schlägen.

      Lenzesgebot, o süße Not!

      Nun war auch die junge Ortrun davon erfaßt. Und als sie sich dessen bewußt wurde, gab es bitteres Herzeleid. Jetzt mußte sie ja noch viel mehr aufgeben, wenn der Abschied kam.

      Doch jetzt nicht daran denken. All das Schöne, Beglückende und auch Bittersüße auskosten bis zur Neige. Jetzt noch in die Sonne sehen, die die bald dunkle Nacht verscheuchen würde.

      Wenn nur nicht diese köstlichen Tage so dahinrasen wollten. Aber kaum, daß einer begann, war er auch schon zu Ende. Und je weniger Tage es wurden, je mehr Tränen wurden es, die ein verzweifeltes junges Menschenkind nachts in die Kissen weinte.

      Und wie gern hätte der Mann die Tränen getrocknet, der genauso um den Abschied bangte, wie Ortrun es tat. Der genauso hätte die Tage festhalten mögen, die so unerbittlich enteilten. Er hätte nie geglaubt, daß ein Mensch dazu imstande wäre, soviel Sonne in Herz und Haus zu bringen, wie dies Mädchen mit den sonnenhellen Haaren es tat und den strahlenden Blauaugen, der süßen Stimme und dem goldigen Lachen. Wenn das alles für ihn versank, das konnte er doch nimmermehr ertragen. Gab es denn für ihn kein Erbarmen?

      Doch, das gab es. Denn als Ortrun an einem Vormittag die Schloßterrasse betrat, saß da eine Dame, die sie so scharf musterte, als müßte sie ihre Seele ergründen. Doch dann huschte über das vornehme Antlitz ein heller Schein.

      »Also das ist Fräulein Danz«, sagte die Dame langsam, dem jungen Mädchen die Hand reichend, über die es sich artig neigte. »Ich habe Ihren Vater gekannt, mein Kind, und habe den klugen Mann bewundert. Schade, daß er so früh dahingehen mußte, er hätte der Wissenschaft noch viel Wertvolles geben können. Und nun wollen Sie gewiß wissen, wer ich bin.«

      »Ich kann es mir denken«, entgegnete Ortrun mit einem so reizenden Lächeln, daß es der Dame warm ums Herz wurde. »Sie sind Gräfin Attbach, die Oberin des Dorothea-Stifts.«

      »Das bin ich tatsächlich«, lachte die Dame so frisch und froh, daß Ortrun sie spontan in ihr Herz schloß. »Woher haben Sie denn meinen Steckbrief?«

      »Von mir«, gestand Oda. »Ich habe ihr erzählt, wie lieb und gut du bist. Aber wo ist denn Tante Jadwiga?«

      »Zu Hause geblieben«, gab Ortrun Antwort. »Wir erhielten eine Karte, auf der Frauke und Uwe ihre Ankunft für Sonntag avisieren. Da gibt es für Hulda noch manches zu tun, wobei Tante Jadwiga ihr zur Hand geht.«

      »Sie fühlen sich im grünen Haus sicher sehr wohl«, begann die Gräfin zu sondieren, das Mädchen dabei scharf im Auge behaltend, das nun den flimmernden Kopf senkte und leise sagte:

      »Ja, Frau Gräfin. Es war mir ein liebes Zuhause.«

      »War, Fräulein Danz? Wie soll ich das verstehen.«

      »Daß ich, wo nun Frauke verheiratet ist…«

      »Übrig bin«, warf die Gräfin trocken ein. »Denn wo zwei sich genug sind, ist übrig der dritte, das ist wohl traurig, aber wahr. Darf ich wissen, was Sie zu tun gedenken, wenn Sie das grüne Haus verlassen haben? Ich frage nicht aus Neugierde, mein Kind.«

      »Ich ja, ich gehe zuerst einmal eine Zeitlang mit Tante Jadwiga auf Reisen, dann lassen wir uns in einer Stadt nieder, wo ich mich zur Kunstgewerblerin vorbereiten kann.«

      »Wird Ihr Vormund damit einverstanden sein?«

      »Ich glaube schon. Denn er hat…«

      Erschrocken hielt sie inne, als Oda ihren Hals umklammerte und bitterlich schluchzte:

      »Du darfst nicht fort, Ortrun, du darfst nicht fort. Was soll ich wohl – anfangen – ohne – dich –?«

      »Na, nun mal langsam«, sagte die Gräfin ruhig. »Erwürge ja deine liebe Ortrun nicht, damit ich ihr sagen kann, was für ein törichtes Köpfchen sie hat. Zuerst mal vorweg, daß ich ziemlich genau über Sie Bescheid weiß, Fräulein Danz. Daher ist mir auch bekannt, warum Ihr Vormund Sie Fräulein Gortz anvertraute. Aber Fräulein von Schlössen wird er Sie nicht anvertrauen, da diese so weltfremd ist, daß sie selbst noch einen Beschützer braucht.«

      »Ja, was soll denn aus uns werden«, sagte das Mädchen verzweifelt. »Mich würde mein Vormund wohl zur Not aufnehmen, aber Tante Jadwiga doch nicht.«

      »Die kann Aufnahme im Dorothea-Stift finden.«

      Da sprang Ortrun gepeinigt auf.

      »Bitte mich zu entschuldigen, Frau Gräfin.«

      Weg war sie, und Herma sagte hastig:

      »Geh ihr nach, Oda! Gib acht, daß sie keine Dummheiten macht. In der Verfassung scheint sie mir nämlich zu sein.«

      Als die Kleine fort war, sprach die Tante den Neffen an, der an der Balustrade stand und ihr den Rücken zudrehte.

      »Ein schöner Rücken soll wohl auch entzücken, mein Sohn, aber dein Gesicht ist mir bedeutend sympathischer.«

      Da drehte er sich langsam um. Und als sie seine Augen sah, in denen der Schmerz brannte, sagte sie trocken:

      »Wäre ja auch unnatürlich, wenn du dich in das bezaubernde Geschöpf nicht verliebt hättest.«

      »Tante Herma – bitte!«

      »Ach was, Junge, versuch mir doch