Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 6 – Liebesroman


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sah mit müdem Lächeln zu ihm auf.

      »Meine Meinung ist ja so un­wichtig, Swen; die Mama zwingt mich ja doch mit ihrem Willen.«

      »Na, erlaube mal, mein Kind!« fuhr die Mutter entrüstet auf. »Das klingt ja wie eine bittere Anklage. Als wenn eine Mutter nicht immer das Beste für ihr Kind wollte.«

      »Bitte, Tante Elisa, so kommen wir nicht weiter«, sagte der Baron energisch. »Und du, Edna, unterlasse alle Nebenbemerkungen. Erkläre kurz, wie du dir dein Leben einrichten möchtest.«

      »Alles andere, als hier sitzen und mich halb zu Tode langweilen.«

      »Also mit einem Wort gesagt: arbeiten?«

      »Wenn sich die Arbeit mit meinen Fähigkeiten vereinbaren läßt, ja. Ich mag nicht länger hier herumhocken und stündlich die Trostlosigkeit im Hause mit ansehen müssen!« rief sie mit einer Leidenschaftlichkeit, die bei dem sonst so gelassenen Mädchen überraschte. »Wenn ich zu Hause bin, bedrückt mich das alles hier namenlos.«

      Sie war so erregt, daß sie am ganzen Körper nur so zitterte. Swen fing die bebenden Hände ein und drückte sie warm und beruhigend.

      Da senkte sie den Kopf und weinte heiß auf.

      »Edna, was soll das! Schämst du dich denn nicht, dich so gehen zu lassen?« fuhr die Mutter sie hart an. Der Mädchenkopf ruckte hoch; die Hände versuchten verzweifelt, sich aus denen des Vetters zu befreien.

      »Swen, so laß mich doch!« flehte sie mit einem angstvollen Blick zu der zürnenden Mutter hin. »Es hat ja alles keinen Zweck, ich werde weiter zur Schule gehen.«

      »Und dich mit Dingen herumplagen, die dir zuwider sind? Ausgeschlossen! Jetzt spreche ich zu dir als Vormund, der dazu da ist, die Interessen seines Mündels zu vertreten. Daher sprich zu mir, wie dir’s ums Herz ist.«

      »Nein, nein, so laß mich doch!« flehte sie immer dringlicher und senkte den Kopf, weil die drohenden Blicke der Mutter ihr unerträglich waren.

      »Du siehst, die Mama ist böse.«

      »Und ich kann noch böser werden, Edna!« sagte Swen nun in einem so herrischen Ton, daß alle zusammenzuckten. »Ich frage dich zum letztenmal: Welchen Beruf möchtest du ergreifen?«

      »Am liebsten würde ich Sekretärin, Rendantin oder so etwas Ähnliches«, stotterte sie eingeschüchtert und verkrampfte die Hände, die der Vormund nun losließ, fest im Schoß.

      »Das genügt mir«, versetzte er ruhig. »Es paßt gut, daß bei mir ein solcher Posten zu besetzen ist. Du kannst übermorgen, also am ersten April, als Lernende in meinen Betrieb treten. Mein Sekretär wird dich ausbilden.«

      »Das dulde ich auf keinen Fall«, meldete Frau Elisa sich nun entrüstet. »Das hat meine Tochter denn doch nicht nötig, sich von diesem – diesem hergelaufenen Menschen etwas befehlen zu lassen.«

      Die Gestalt des Barons straffte sich nur ganz wenig. Eisig war seine Stimme, als er nun sagte: »Du irrst, Tante Elisa. Deine Tochter hat es durchaus nötig – nämlich: zu arbeiten! Genauso nötig hat sie es wie unzählige andere Mädchen auch. Denn sie ist in keiner Weise etwas Besonderes, hat daher auch nichts Besonderes vom Leben zu beanspruchen. Daß du es ruhig mit ansehen kannst, wie zwei gesunde junge Mädchen, wie Gerswint und hauptsächlich Bolko, hier dem lieben Gott die Tage wegstehlen, das ist schließlich deine Sache. Aber daß mein Mündel dieses trostlose Leben nicht auch noch mitzumachen braucht, dafür werde ich als Vormund sorgen. Und was meinen Sekretär betrifft, so ist er kein hergelaufener Mensch, wie du dich auszudrücken beliebst, sondern ein Mann, wie man ihn nur selten im Leben findet. Er verfügt über ein so reiches Wissen, daß er Edna mit Leichtigkeit für ihren späteren Beruf vorbereiten kann. Er ist vielleicht etwas zu ernst, zu schwerblütig und unzugänglich, aber das ist auf eine sehr traurige Jugend zurückzuführen. Als jüngstes Kind eines Offiziers wurde er die ersten Lebensjahre sehr verwöhnt, wie ja die meisten Nachkömmlinge. Um so härter packte ihn das Leben später an. Im Kriege verlor er Vater und Bruder und auch die Schwester, die sich als freiwillige Helferin eine ansteckende Krankheit holte und daran starb. Die Mutter ging aus Kummer und Gram dar­über langsam zugrunde. Den zehnjährigen Roger, der als einziger von der Familie zurückblieb, steckte man in ein Waisenhaus, aber in eines, das mehr einer Erziehungsanstalt hoffnungsloser Taugenichtse als einer Heimat elternloser Kinder glich. Für das kleinste Vergehen wurden die bedauernswerten Jungen halb zu Tode geprügelt – und mußten außerdem noch hungern. So was gab es nämlich damals noch. Wieloff spricht nur ganz selten davon, aber er muß unmenschlich gelitten haben, bis er es ganz einfach nicht mehr ertragen konnte und mit fünfzehn Jahren ausrückte. Onkel Leopold fand ihn halbverhungert im Walde, nahm ihn mit nach Waldwinkel und hat aus dem verprügelten Jungen erst einen Menschen gemacht. Und ein wie wertvoller Mensch er geworden ist, ist daraus zu ersehen, daß der Onkel ihn nie mehr von seiner Seite ließ. Ganz hat Wieloff seine trostlose Kindheit freilich nicht vergessen; daher ist er so ernst und verschlossen. – So, dieses zur Richtigstellung, Tante Elisa. Und nun bitte ich dich, mache Edna das Leben nicht unnötig schwer. Es ist anerkennenswert genug, daß sie sich bei der ganz falschen Erziehung, die sie genossen hat, überhaupt zu einem Beruf entschließen kann.«

      »Hier nachgeben, hieße meine ganzen Anschauungen umwerfen.«

      »Und wäre das so schlimm, Tante Elisa?« lächelte Swen. »Gib du lieber freiwillig nach; denn ich darf es im Interesse meines Mündels nicht.

      Also, Edna«, wandte er sich an die Base, »übermorgen trittst du deinen Dienst an!«

      »Dienst – mein Gott, dieses Wort!«

      »Jawohl, Tante Elisa, Dienst! An dieses Wort wirst du dich schon gewöhnen müssen, da Edna ja nach wie vor bei dir wohnen und dann auch von ihrem Dienst sprechen wird.«

      Er erhob sich und wollte nach einer kurzen Verbeugung das Zimmer verlassen, als sein Blick auf Gerswint fiel, die in einem Sessel lehnte und gelangweilt dreinschaute.

      Sehr schön, sehr gepflegt, sehr elegant sah sie aus.

      Wahrhaftig, wenn der nahe Tod der kleinen Elke die Bewohner des Waldhauses aus ihrer Hoffärtigkeit aufgerüttelt hatte, dieses kalte Bild ohne Gnade war davon unberührt geblieben!

      Den Baron würgte es plötzlich im Halse, und er wandte sich rasch ab. Sein Blick traf Bolko, der am Fenster stand und verbissen vor sich hin starrte.

      »Nun, Bolko, das Herrendasein ist wohl eine angenehme Sache?« erkundigte er sich spöttisch. Der Vetter sprang auf ihn zu.

      »Laß deine geschmacklosen Witze!« schrie er ihn tiefgereizt an. »Hast du für mich vielleicht ein ähnliches Pöstchen wie für Edna auf Lager?«

      »Gewiß, wenn du dich darum bemühen willst.«

      »Brauchst du vielleicht einen Kuli für deinen Stall?« höhnte er.

      »Das nicht gerade, aber einen Eleven für mein Gut. Er braucht kein landwirtschaftliches Studium hinter sich zu haben, denn es sind ja nicht die studierten Leute allein Schlau­köpfe. Er muß nur Lust und Liebe zur Arbeit mitbringen. Vielleicht kannst du mir einen solchen jungen Mann empfehlen? Mein braver Oberinspektor Gort würde bestimmt einen ganzen Kerl aus ihm machen.«

      Ohne eine Entgegnung abzuwarten, verbeugte er sich und ging.

      *

      »Swen, einen Augenblick, bitte!«

      Der Baron, der gerade durch das von der Waldwiese zum Gutshof führende Seitentor reiten wollte, fuhr überrascht herum, zügelte den Gaul.

      »Nanu, Edna, was machst du denn hier?«

      »Ich habe hier auf dich gewartet, Swen«, erwiderte sie verlegen. »Ich will dir nämlich sagen, daß ich – daß ich nun bestimmt in deine Dienste trete.«

      Swen saß ab und stand nun vor dem immer verlegener werdenden Mädchen.

      »Dein Entschluß freut mich, Edna«, sagte er dann ernst. »Denn er zeigt mir, daß du den Willen hast, durch ehrliche Arbeit ein zufriedeneres Menschenkind zu werden als deine hochmütigen Angehörigen.