Christine von Bergen

Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman


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unterbrach sie. Den Bruchteil einer Sekunde später betraten zwei ältere Frauen die Apotheke.

      »Okay, dann … Machen Sie es gut«, verabschiedete sie sich hastig.

      »Sie auch«, antwortete er mit diesem sonnigen Lächeln, das sie auf den ersten Blick schon in seinen Bann gezogen hatte.

      Schnell verließ sie die Apotheke, mit hämmerndem Herzen und Chaos im Kopf.

      *

      Thomas fiel es schwer, sich auf die beiden Kundinnen zu konzentrieren, zumal sie eine Beratung in Sachen Rheumamittel haben wollten. Es gelang ihm schließlich, sie zu ihrer Zufriedenheit zu bedienen. Nachdem sie gegangen waren, erschien Maja vor dem Vorhang.

      »Wissen Sie, wer diese Schwarzhaarige war?«, fragte sie ihn geradeheraus.

      Verdutzt zog er die Brauen zusammen. »Nein, ich habe sie nur einmal vor ein paar Tagen kurz gesehen.«

      »Die Kräuterhexe.«

      »Wie bitte? Welche Kräuterhexe?«

      »Die Frau, die am Ende von Ruhweiler ein Haus gemietet hat und dort einen Kräuterladen eröffnen will.« Seine Helferin zuckte mit den Schultern. »Das ganze Dorf redet doch schon über die. Kräuterpädagogin nennt sie sich, was immer das bedeuten mag. Früher sagte man Giftmischerin dazu.«

      Höchst unangenehm berührt durch die Boshaftigkeit, die er aus Majas Worten heraushörte, aber auch ziemlich überrascht durch diese Neuigkeit, wusste er nicht, was er darauf sagen sollte.

      »Sind Sie fertig mit dem Ausräumen der Kisten?«, fragte er Maja sachlich.

      Sie nickte, beobachtete ihn wie eine Schlange das Kaninchen.

      Er lächelte sie freundlich an. »Okay, dann können Sie in die Mittagspause gehen. Wir sehen uns kurz vor halb drei wieder.«

      Er musste jetzt unbedingt allein sein und das verarbeiten, was er gerade über die ihn so faszinierende Frau erfahren hatte.

      *

      Am Abend dieses Tages hatte Claudia ihren Verkaufsraum fertig eingerichtet. Zufrieden sah sie sich um.

      Getrocknete Kräuterbündel an der Decke begrüßten die Kunden mit einem köstlichen Duft und stimmten sie auf ihr Kräuterparadies ein. Die Ladentheke war grob gezimmert, alte Melkschemel, die sie vor einiger Zeit schon auf einem Flohmarkt erworben hatte, dienten als Sitzgelegenheit. In den Regalen standen Salben, Tees, Kräuterelixiere, Duftöle, Seifen, Kräuterkissen, Spezialessig, Kräutersalz und sogar Bonbons. Die rotweiß karierten Vorhänge vor den kleinen niedrigen Fenstern des alten Bauernhauses hatte sie noch in einer Kiste gefunden. Aus dem Nebentrakt des Gebäudes war ein durchaus vorzeigbarer Laden geworden, der in die Landschaft und zum Thema Kräuter passte.

      Claudia öffnete die Tür zur Kräuterkammer, ihrer ›Fabrik‹. Hier trocknete sie die gesammelten Pflanzen, sortierte sie und bewahrte sie auf. Überall standen unterschiedlich große Töpfe und Tiegel herum, die Grundsubstanzen für Seifen und Salben beinhalteten, des Weiteren ein Ofen und ein Arbeitstisch.

      Wie in einer Hexenküche, dachte die junge Frau stolz auf ihr Werk. Hier konnte sie nun nach Belieben schalten und walten. In wenigen Tagen fand in Ruhweiler ein Bauernmarkt statt, auf dem sie ihre Produkte zum ersten Mal anbieten wollte. Ihre Premiere, sozusagen. Erst danach wollte sie ihr Geschäft eröffnen. Bis dahin hatte sie noch viel zu tun.

      Durch die Hintertür trat sie hinaus ins Freie, setzte sich auf die wackelige Holzbank und atmete tief durch.

      Wieder musste sie an den Apotheker denken, seit ihrer zweiten Begegnung heute jedoch mit sehr zwiespältigen Gefühlen. Sie war von ihm angetan, zweifelsohne. Er strahlte etwas aus, was ihn für sie anziehend und unwiderstehlich machte. Sein Lachen ging ihr wie ein Prickeln ins Blut. Die Ruhe, die Kraft, die seine Persönlichkeit prägten … Wenn sie daran dachte, bemächtigten sich ihrer ganz beunruhigende Gefühle. Sie malte sich aus: Was wäre, wenn … All ihre rosigen, wenn auch noch etwas verschwommenen, nebulösen Wünsche und Gedanken konzentrierten sich darauf, diesen Mann wiederzusehen. Vielleicht auf dem Bauernmarkt am Samstag? Vielleicht würde er sogar noch einmal an ihrem Haus vorbeijoggen und anklopfen? Sie war sich fast sicher, dass diese Anziehung, die sie spürte, auf Gegenseitigkeit beruhte.

      Aber wer war diese junge Frau, die sich wie die Chefin persönlich aufgespielt hatte?, fragte da eine innere Stimme, die Stimme ihrer Vernunft.

      Seine Frau vielleicht? Was sie nicht besonders wundern würde. Sie war bildhübsch. Und ein Mann wie Dr. Thomas Brandler würde wahrscheinlich längst vergeben sein. Das hatte sie ja schon bei ihrer ersten Begegnung mit ihm vermutet.

      Ich sollte ihn mir aus dem Kopf schlagen, sagte sie sich energisch. Eine geschäftliche Zusammenarbeit konnte sie gänzlich vergessen. Sie hatte das sichere Gefühl, dass er zu den Apothekern gehörte, die Naturmedizin strikt ablehnten. Das sagte ihr ihre Erfahrung. Dr. Brandler war bestimmt ein Verfechter der Schuldmedizin, die auf Chemie setzte, auf schnell wirkende Medikamente mit gesichertem Heilungserfolg.

      So groß die Anziehung auch ist, aber wir würden gar nicht zusammenpassen, ging es ihr durch den Sinn.

      Also, halt dich von ihm fern und vergiss ihn, verschrieb sie sich, stand auf und ging hustend ins Haus zurück.

      *

      Wie immer, wenn es in Ruhweiler eine Veranstaltung gab, wehte auch an diesem Samstag die Fahne auf dem Marktplatz.

      Die Voraussetzungen für den Bauernmarkt hätten nicht besser sein können. Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel, und schon in früher Morgenstunde versammelten sich alle, die etwas zu verkaufen hatten, auf dem idyllischen Marktplatz, welcher im Schutz der Kirche lag. Der Bauernmarkt war stets etwas Besonderes für die Dörfler. Er führte die Bewohner des Tals zusammen.

      Über dem Platz lag eine friedliche und ausgelassene Stimmung. Alle Dörfler begegneten einander herzlich, plauderten, scherzten, die Sonne schien, Vögel zwitscherten, kein Autolärm, die gute Luft, der Ausblick auf die bewaldeten Schwarzwaldhügel … Claudia hätte sich keinen besseren Auftritt wünschen können, wenn sich nur mehr Leute für ihren Stand interessiert hätten.

      Die meiste Zeit stand sie allein dort, zusammen mit Monika Häferle und deren Tochter Jenny, die ihr an diesem Tag bei dem erwarteten Kundenansturm helfen wollten. Neugierig begutachteten Mutter und Tochter die vielen Produkte, besonders interessierten sich die beiden für die Naturkosmetik.

      »Und das wirkt wirklich?«, fragte Monika so leise, dass sie niemand hörte.

      »Probieren Sie es«, entgegnete Claudia mit belustigtem Lächeln. »Allein schon der Duft dieser Handcreme wird Ihren Sinnen guttun.«

      »Stimmt.« Die Mutter ihrer Freundin nahm einen tiefen Atemzug und nickte sichtlich überrascht.

      Wenn jemand an ihrem Marktstand stehen blieb, waren das die Männer, besonders die jungen. Den Grund dafür wusste Claudia nur allzu gut. Denen ging es nicht um ihre Produkte, sondern um sie selbst. Forsch flirteten sie mit ihr, worauf sie natürlich nicht einging. Zumal sie die missbilligenden Blicke der jungen Frauen im Hintergrund sah. Neidische und eifersüchtige Blicke trafen sie wie Schwertspitzen.

      O Mann, dachte sie. Das kann ja noch was werden. Sie brauchte die Frauen als Kundschaft, um mit ihrer Geschäftsidee hier bestehen zu können. Wenn sie sich diese ungewollt zu Feindinnen machte, brauchte sie ihren Laden gar nicht erst zu eröffnen.

      Claudia atmete auf, als sich Dr. Brunner und seine Frau ihrem Stand näherten. Die beiden blieben auf dem Weg zu ihr jedoch immer wieder stehen, weil sie angesprochen wurden. Bei diesen kurzen Unterhaltungen zeigten der Landarzt sowie auch Ulrike Brunner immer wieder zu ihr hinüber. Augenscheinlich machten sie Reklame für sie.

      *

      Tatsächlich hatten Matthias und Ulrike voller Sorge aus der Entfernung beobachtet, dass ›Claudias Kräuterstand‹ wie eine verlassene Insel in tobender See wirkte. Bis auf ein paar junge Männer mieden alle ihr Angebot.

      »Das ist ganz schlecht«, sagte Ulrike zu ihrem Mann. »Komm, wir gehen