Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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ihm einen Strauß aus solchen Blumen. Eine reichte ihm die fünfblättrige dunkelrote Waldrose.

      »Die Rosen blühen ja noch nicht«, sagte Witiko.

      »Sie blühen noch nicht«, antwortete die Jungfrau, »wir haben sie aus Sammet und Seide gemacht.«

      »Sie ist sehr schön gemacht«, sagte Witiko.

      »Wenn das Einzugsfest zur Rosenzeit gewesen wäre, so hätten wir dir eine wirkliche Rose als dein Zeichen gegeben«, sprach das Mädchen, »wir haben nun diese gemacht, weil die Rose sehr lange blühen, und Glück bringen soll.«

      »Diese Rose wird lange dauern«, sagte Witiko, »wenn auch ihre Farben schwinden. Ich werde mir sie aufbewahren, und werde deiner gedenk sein, Margareth, wenn du auch einmal ein Fest feierst.«

      Das Mädchen antwortete nichts.

      Witiko betrachtete die Waldrose, und er betrachtete die Blumen der Kränze und Sträuße. Dann gab er alles seiner Mutter zum Beschauen. Diese sah den Kranz, die Sträuße und die Waldrose an, lobte die zierliche Arbeit, und lobte, daß die Waldblumen gewählt und so an einander gereiht worden waren. Dann gab sie die Geschenke wieder an Witiko zurück. Witiko dankte den Jungfrauen, und reichte die Gaben an Jakob, daß er sie in die Burg trage. Die Jungfrauen brachten ihren Abschiedsgruß, und entfernten sich von dem Tische Witikos.

      Der Schmied von Plan, und David, der Zimmerer, und Paul Joachim, der Maurer, und Elias, der Steinhauer, traten nun herzu, und brachten die Sprüche aus, welche bei dem Einzuge in ein neues Haus im Brauche waren, und Witiko und die anderen Männer gaben die Antworten, welche auf die Sprüche gehörten.

      Dann standen alle von den Tischen auf.

      Witiko ging unter die Leute, und sprach mit vielen Männern, mit Frauen, mit Jünglingen, mit Jungfrauen und selbst mit Kindern.

      Die Mutter Witikos ging auch unter die Menge der Menschen, und sprach mit ihnen. Viele, besonders Frauen und Jungfrauen, drängten sich zu der Frau.

      Die Base Hiltrut sprach mit jedem, zu dem sie kam, und erzählte von Witikos Kindheit.

      Die drei Priester, der Pfarrer von Plan, der Pfarrer von Friedberg und Benno, wandelten auf dem grünen Anger in Gesprächen herum, und redeten mit den Leuten, die auf sie zugingen, und gingen selber auf Leute zu.

      Als der Nachmittag vorrückte, begannen die Menschen, sich zu zerstreuen.

      Am Abende verabschiedete sich Witiko, und ging mit seiner Mutter und mit der Base und mit Benno und mit den Frauen und mit denjenigen, die zu seinem Dienste gehörten, in die Burg.

      Als die Sonne untergegangen war, ertönte ein schöner Gesang aus dem Walde. Er war ein Gesang von Jungfrauen, dann kam ein Gesang von Jünglingen, dann kam ein Wechselgesang von beiden, und dann ein Zusammengesang von ihnen. Und so verschränkten sich und löseten sich die Gesänge immer anders. Witiko und die Frauen und Benno gingen auf den Söller hinaus, der gegen den Wald gekehrt war. Unten standen die Menschen dicht gedrängt gegen den Wald, um den Gesängen zu lauschen. Die Sänger und die Sängerinnen konnte man nicht sehen.

      Als es finster geworden war, erglühete an dem fernen Gipfel des Hochfichtes ein Feuer wie ein Waldbrand.

      Witiko wendete seine Augen dahin, und Wentila auch.

      Aber dann glühte auf dem Gipfel des Bufferberges im Morgen von Friedberg ein gleiches Feuer empor. Es glühte eines auf dem Markwalde, eines auf dem Kienberge, eines auf dem Schwarzwalde, drei glühten auf den Wäldern, die hinter dem Kreuzberge bei Plan emporstanden, und man konnte eines auf dem Kreuzberge erkennen. In den Auen und auf den Weiden und Angern und Feldern und in den tiefen Waldstrichen, die an der Moldau dahin gingen, brannten viele kleinere Feuer.

      Witiko ging nun mit den Seinigen von dem Söller in die Burg, und sah aus derselben gegen die Morgenseite. Da brannten in dem Walde rechts von der Moldau Feuer bis gegen die Wasserfälle der Kienberge hinab. Im Mittage brannten auf den kleineren Büheln, die sich absenkten, Feuer, und im Abende waren Feuer in dem Walde bis zum Hochfichte, und eines war weit zurück auf der Senkung des Seewaldes zu erblicken.

      Die Feuer brannten fort, und die Gesänge dauerten fort.

      Witiko ließ nun in allen Gemächern der Burg Lichter anzünden, daß sie in diesem Scheine weithin gesehen werden konnte.

      Nach einer Zeit schwieg der Gesang, und als ein Weile Stille gewesen war, ertönten plötzlich die Pfeifen und die Hörner, die Witiko in dem Kriege gehabt hatte, und es erschollen die Weisen, die auf den Zügen und in der Schlacht auf dem Wysoka und in der Schlacht vor Znaim erschollen waren.

      Witiko hieß zwei Knechte Fackeln anzünden, und ging mit ihnen auf den Waldsöller. Dort nahm er seine Haube von dem Haupte, und schwenkte sie in dem Fackellichte dreimal zum Gruße.

      Es ertönte von den Pfeifen und Hörnern ein freudiger Gegengruß.

      Dann rief das Volk einen lange dauernden Ruf des Grußes empor.

      Dann tönten die Pfeifen und Hörner wieder Kriegsweisen.

      Dann erschollen die Gesänge der Jungfrauen.

      Witiko ging wieder in die Burg.

      Und die Gesänge der Jungfrauen und der Jünglinge und ihr Zusammengesang und das Tönen der Pfeifen und Hörner wechselte mit einander ab, und machte endlich eine Verschlingung.

      Die Feuer brannten ringsumher fort.

      Und als mit Zwischenräumen der Gesang der Jungfrauen und der Jünglinge und der Klang der Pfeifen und Hörner eine Zeit gedauert hatte, erhob plötzlich eine Männerstimme unter den Menschen die Töne eines Waldgesanges, den alle Menschen in dem Walde kannten, und der das Lob des Waldes enthielt, und eine zweite Stimme gesellte sich hinzu, und ein dritte, und alsbald sangen alle Menschen, die versammelt waren, den Waldgesang. Und als er geendiget war, erhob eine Pfeife seine Töne wieder. Und die Menschen begannen den Gesang wieder, und stärker, als das erste Mal, und die Pfeifen und Hörner mischten sich darunter, und gingen in der Verbindung der Töne mit. Und als der Gesang zum zweiten Male aus war, tönte von den Pfeifen und Hörnern die Weise der Schlacht vor Znaim. Und dann tönten jene Rufe, die getönt hatten, als man den Feinden auf dem Berge vor Znaim in den Rücken gebrochen war. Und auf diese Rufe folgte ein großer Ruf der Freude von den versammelten Menschen. Dann war eine Weile eine Stille. Dann sangen die Jungfrauen einen sehr sanften Nachtgesang.

      Hierauf war kein Gesang mehr und kein Tönen von Pfeifen und Hörnern. Von den Feuern umher waren einige erloschen, andere brannten schwächer.

      Wentila erhob sich von ihrem Sitze in der Stube, in welcher alle versammelt waren, reichte Witiko die Hand, und sagte: »Ich suche meine Schlummerstätte. Ruhe in der ersten Nacht hier so sanft, mein Sohn, wie der Schlummergesang der Jungfrauen angedeutet hat.«

      Witiko antwortete: »Geliebte Mutter, das Dach unseres Hauses sei zum ersten Male lieb und hold über deinem Haupte.«

      Dann verabschiedeten sie sich, und Wentila ließ sich von Marhild und zwei anderen Frauen in ihr Gemach geleiten.

      Die Base sagte: »Witiko, wie mußt du gut sein, weil sie dich so lieben, und wie muß es damals in dein Herz gegangen sein, als die schrecklichen Töne der wilden Hörner, die heute hier erschallten, dort erschollen sind, wo die Menschen einander gemordet haben.«

      »Das ist dort anders als hier«, sagte Witiko. »Lasse es dir hier wohl sein in der ersten Nacht, und möge es dir sehr lange, und wenn du willst, für immer hier wohl sein.«

      »Fast so wohl wie in dem kleinen Häuschen in Landshut, weil wir alle beisammen sind«, sagte die Base.

      Dann ließ sie sich in ihr Gemach geleiten.

      »Witiko, mein Kind«, sagte Benno, »das ist ein wichtiger Tag gewesen; es beginnt nun eine neue Wirksamkeit. Du hast den Tag ohne Prunk begehen wollen, und die Menschen haben den Prunk ihres Herzens gebracht. Das ist gut. Es wird noch ein zweiter schöner Tag zur Freude deines Gemütes kommen. Beschließe den heutigen Tag mit einem Gebete, und beginne den Schlummer mit der Hoffnung auf jenen zweiten Tag.«

      »Gott