Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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gekommen, in dem wir die große Frage über die Ruhe und das Heil des Landes entscheiden sollen. Möge der Segen des allerhöchsten Herrn der Heerscharen über diesen Häuptern sein, daß beschlossen wird, was gerecht und heilsam ist. Unser erlauchter edler und umsichtiger Herzog Sobeslaw, welcher fünfzehn Jahre in diesen Ländern geherrscht hat, ist so schwer erkrankt, daß das Ende seines irdischen Lebens nahe bevor zu stehen scheint. Die Heilkundigen sagen, daß er in kurzer Zeit die Erde verlassen wird. Nun ist, wie uns der ehrwürdige Leche Bolemil deutlich zu Gemüte geführt hat, in den eben vergangenen Zeiten, wenn ein Wechsel in den Herrschern stattgefunden hat, so Schweres eingetreten, daß wir sehnlich wünschen müssen, solches jetzt zu vermeiden. Aber die Herrschertage der letzten zwei Herzoge des gütigen Wladislaw und des klugen und gerechten Sobeslaw haben auch gezeigt, daß nicht bloß bei einem Wechsel der Herrschaft die Übel ferne bleiben sollen, sondern daß auch bei ihrer Dauer der Samen des Glückes unter dem Schirme des Herrschers aufgehen, wachsen, und gegen die Zerstörungslüste der einzelnen erstarken müsse. Für diejenigen, welche aus verschiedenen Teilen des Landes herein gekommen sind, und in großer Zahl nur der heutigen letzten Versammlung beiwohnen, sage ich: Es sind während der gefährlichen Krankheit des Herzogs von einigen und mehreren Männern Zusammenkünfte über diesen Gegenstand gehalten worden. Es ist erkannt worden, daß Zwiste bei dem Übergange und Bestehen der Herrschaft nur dann ausbrechen, wenn jeder der Gegner einen großen Anhang hat, der ihm beisteht. Es ist daher beschlossen worden, zu ergründen, welchem Manne aus dem geliebten Geschlechte des geheiligten Premysl die meisten der Herren dieser Länder zugetan sind, und ob ihre Zahl so groß ist, daß ihre Widersacher nichts gegen sie zu unternehmen vermögen, damit dann der erwählte Mann von dieser Zahl auf den Fürstenstuhl gehoben werde, den Widerspruch durch die Zahl zurückschrecke, und in den Jahren seiner Herrschaft durch sie das Gute in den Ländern heranziehe, das zum Frommen aller dient. Es sind noch zahlreiche Zweige aus dem Stamme Premysls übrig. Da ist Konrad von Znaim der Sohn Liutolds des Sohnes Konrads, da ist Wratislaw von Brünn der Sohn Ulrichs des Sohnes Konrads, welcher Konrad ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist, da ist Otto, der nach Rußland geflohen ist, ein Sohn des schwarzen Otto des Sohnes des schönen Otto, der ein Bruder des Königs Wratislaw gewesen ist. Dann sind die Enkel des großen Königs Wratislaw, zuerst durch seinen Sohn Boriwoy die Enkel Spitihnew Leopold Boleslaw Albrecht, dann durch seinen Sohn Wladislaw den Milden, welcher vor dem jetzigen Herzoge geherrscht hat, die Enkel Wladislaw Diepold und Heinrich, dann durch seinen Sohn Sobeslaw unsern jetzigen erlauchten Herzog die Knaben Wladislaw Sobeslaw Ulrich und Wenzel. Ich nenne nicht alle Zweiglein, da ihr sie kennt. Vor zwei Jahren war auf den neunundzwanzigsten Tag des Brachmonates von unserem erhabenen Herzoge Sobeslaw ein Landtag nach Sadska einberufen worden, auf welchem die hohen und niederen Herren Böhmens und Mährens auf das Verlangen des Herzoges seinen ältesten Sohn Wladislaw als seinen Nachfolger auf dem Fürstenstuhle erkannt haben. Es muß entschieden werden, ob alle oder viele an dem jungen Sohne Sobeslaws, welcher einundzwanzig Jahre zählt, ferner halten, oder ob sie meinen, daß das vorzeitige Hinscheiden des Herzogs die Sache so verändert hat, daß ein anderes Übereinkommen getroffen werden müsse. Es sind so viele Männer aus den Ländern Böhmen und Mähren in diesem Saale versammelt, ja fast alle, deren Wort in den Völkern, die diese Länder bewohnen, Bedeutung hat, daß in Wahrheit ein gültiger Endbeschluß zur Macht und Herrlichkeit des Herrschers zu Stande kommen kann. Möge zur Festigkeit des Herzogstuhles eine große Einigkeit erzielt werden. Als Führer dieser Versammlung rufe ich diejenigen, die ihre Stimme in der Sache zu erheben verzeichnet sind, auf, zu sprechen, wie sie meinen, daß es der Augenblick erfordert. Es ist groß wichtig und entscheidend, was hier geschieht, und von der heutigen Stunde hängt es ab, ob das Glück des Landes auf viele Zeit aus dem Gemache dieses Hauses hervorgeht, oder ob sogleich der Anfang unabsehlichen unentwirrbaren Elendes gemacht wird. Ich habe die Einleitung zu dem Gegenstande gesprochen.«

      Nach dieser Rede erhoben sich in der Versammlung die Rufe: »Sehr gut gesprochen«, sehr richtig«, »wahr gesprochen«, und andere unverständliche Laute des Beifalls.

      Zdik ging wieder zu seinem Stuhle zurück, und setzte sich auf denselben nieder.

      Als die Ruhe eingetreten war, erhob sich Ben, und rief: »Es ist an der Zeit, daß die, welche angemeldet sind, über die vorgelegte Sache in ihrer Ordnung reden.«

      Er setzte sich wieder nieder.

      Es war eine kleine Zeit still, und es erhob sich niemand. Dann stand in der Mitte des Saales ein Mann auf, der zum Oberkleide ein schwarzes Bärenfell und auf der schwarzen Haube eine blaue Feder hatte. Er rief: »Ich bin Rowno aus dem Mittage Böhmens, und bin auf dem Reichstage in Sadska gewesen. Dort war der Wille nicht frei. Die groß sind, erhielten Versprechungen, und wir die Kleinen fürchteten die Macht. Ich kann nicht für Wladislaw den Sohn des erlauchten Herzogs Sobeslaw streiten.«

      Nach ihm stand ein Mann auf, der ein grobes schwarzes Oberkleid und eine Hahnenfeder auf der Bärenhaube hatte. Er rief: »Ich bin Diet von Wettern aus dem Mittage Böhmens, und stimme mit meinem Landsmanne Rowno.«

      Nach diesen beiden Männern erhob sich Milhost, und rief: »Jetzt ist wohl die Reihe der Rede an mir, und ich sage: Es ist eine Schmach, daß Männer, welche Weiber und Kinder, Schwestern und Bräute haben, und welche die Waffen in der Hand tragen, und auf ihren Höfen stehen haben, einem Herrn dienen, ihm ihr Gut geben, wenn er es verlangt, ihr Blut lassen, damit er ihnen wieder befehlen, und ihren Sinn beugen kann. Die hohen und niederen Herren des Landes Böhmen und Mähren sollten herrschen; denn sie sind das Land. Ich trage an, daß die Versammlung, die in diesem Saale ist, Satzungen entwerfe, die der künftige Herzog beschwöre, und die ihn durch unsere Macht binden, daß er, wenn er auf dem Stuhle sitzt, nur unsern Willen zum Heile der Länder ausführen, unsere Kraft nicht brechen, und uns nicht zerstören kann, wie Swatopluk mit den Wršen tat. So sage ich, und weiche nicht davon.«

      Nach diesen Worten erhob sich in dem Saale ein tönender vielstimmiger Beifallsruf.

      Als er geendet hatte, stand Bogdan auf, und sagte: »Ich bin in Sadska gewesen. Dort haben alle das nämliche gesagt, und ein einzelner konnte nicht anders sagen. Der Herzog hat unser Wort gebunden; aber wir sollten die voreiligen Bande zersprangen, und frei wählen, wie unser Inneres gebietet.«

      »Es ist so, wir sollten frei wählen«, riefen mehrere Stimmen.

      Nun stand der rothaarige Beneš auf, und rief: Ich spreche nur, daß der junge Wladislaw nie unser Herzog werden kann; denn Sobeslaw hat uns immer unterdrückt, und endlich hat er uns nach Sadska gelockt, um uns dort unsern Willen zu rauben.«

      »Sobeslaw hat uns unterdrückt, ja, er hat uns unterdrückt«, rief eifrig und drohend eine Anzahl von Stimmen.

      Hierauf erhob sich Domaslaw, und sagte: »Ich füge nur bei, daß Sobeslaw sehr oft wider uns war. Ist nicht Konrad von Znaim, weil er sein Gegner war, sechs Jahre verhaftet gewesen? Mußte nicht auch Wratislaw von Brünn ein Jahr in Gefangenschaft zubringen? Ich rede nicht von dem unglücklichen Bretislaw, dem Sohne jenes Herzogs Bretislaw, der so traurig im Walde bei Bürglitz endete, und der ein Bruder Sobeslaws war. Und hat er nicht Herren, die diesem freundlich zuhielten, in feste Burgen geführt? Und sind sie nicht auch sonst in Haft gehalten worden, wenn sie gegen ihn waren? Hat er nicht gewollt, daß Bauern Kaufherren Münzer Juden Fiedelspieler schwelgen? Darum ist dieses Volk gegen uns so übermütig geworden. Der Sprößling eines solchen Mannes kann nicht der Herzog der Herren von Böhmen und Mähren werden.«

      Es folgte wieder ein langer Beifallsruf auf diese Rede.

      Da es ruhiger geworden war, stand Kochan auf, und sprach: »Nicht bloß der Herzog Sobeslaw hat den Herren des Landes entgegen gehandelt, sondern alle Herzoge, darum stimme ich Milhost bei; aber nicht, daß Satzungen entworfen werden, die der Herzog beschwören muß, sondern daß gar kein Herzog sei, und wieder die Herren der Länder herrschen wie einstens.«

      Auch nach diesen Worten entstand Zuruf.

      Jetzt erhob sich auf der linken Seite des Saales ein Mann in mittleren Jahren und in einem dunkelblauen Sammetgewande mit braunem Barte und Haare und mit einer weißen Feder auf der schwarzen Haube. Er sprach: »Ich bin Bohuš, und sage auch, daß alle Herzoge gegen uns gewesen sind. Das war schon in der ältesten Zeit so. Ist nicht Premysl der erste Herr gewesen, dem die andern schweigen mußten? Hat nicht