Adalbert Stifter

Die wichtigsten Werke von Adalbert Stifter


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Herzogs Boriwoy Söhne nach Regensburg zum Reichstage gegangen, und haben uns in die Abhängigkeit von den Deutschen gebracht? Hat nicht dieses ersten Wratislaw Gattin Drahomira ihre Schwiegermutter die heilige Ludmila erschlagen, und ihr Sohn Boleslaw seinen eigenen Bruder den heiligen Wenzel? Hat nicht Boleslaws Enkel der rothaarige Boleslaw den Wršen geholfen die Söhne Slawniks die Brüder des heiligen Adalbert auszurotten, und hat er nicht gegen die Wršen selber gewütet? Hat nicht des Rothaars Bruder der heftige Ulrich des Wladyken Kresina schöne Tochter Bozena geraubt, und zu seiner Gattin gemacht, und hat er nicht seinen und ihren Sohn den ersten Bretislaw, der kühn und tapfer war wie der griechische Achilleus, und der die schöne Judith von Schweinfurt geraubt hat, zur Flucht genötigt? Hat nicht dieses Bretislaws Sohn Spitihnew dreihundert Mährer zu einem Reichstage geladen, und sie dann als Geiseln zurück behalten? Ich rede nicht von der neueren Zeit, der Leche Bolemil hat sie uns schon geschildert. Ich erwähne nur eines Dinges, der Vertilgung der Wrše durch den unbändigen Swatopluk. Wäre solches möglich, wenn unsre Macht statt der Macht der Herzoge wäre?«

      Ein großer Beifall brach bei diesen Worten aus, und viele Stimmen riefen: »Ja, so haben sie getan«, »so ist es geschehen«, »sie waren immer gegen uns.«

      Nach Bohuš stand Drslaw auf, und sagte: »Wenn wir Wladislaw nicht nehmen, so nehmen wir Sobeslaws andere Kinder noch weniger, da sie kaum noch Knaben sind.«

      »Wir nehmen sie nicht«, »wir nehmen sie nicht«, riefen vielfältige Stimmen.

      Nach Drslaw erhob sich in der zweiten Reihe ein alter Mann mit weißen Haaren, die einmal blond gewesen sein mochten, und mit dunkelblauen Augen. Er trug ein schwarzes Gewand ohne Feder. Er rief: »Ich bin Mireta aus dem Mittage Mährens.«

      Dann sprach er: »Wenn wir nur Klagen anführen, erreichen wir unser Ziel nicht. Einmal ist es anders gewesen. Da alle Völker zu Hause in kleinen Stämmen ihres Lebens pflegten, konnten auch wir ohne Haupt in der Heimat unsere Dinge tun, und nur gelegentliche Angriffe abwehren; als aber die Stämme um uns sich geeinigt haben, brauchen wir einen Herzog, der uns gegen sie einigt, und der unser Land darstellt. Ich schlage vor, daß wir den Fürsten von Znaim Konrad den Sohn Liutolds des Brudersohnes des Königs Wratislaw wählen. Wir, die wir in dem Mittage des Landes Mähren wohnen, kennen den Fürsten. Seine Mannesjahre sind klug und gemäßigt. Er ist im Unglücke in sich gekehrt worden. Der erlauchte Herzog Sobeslaw hat ihn, da er zu weit über seine Rechte strebte, sechs Jahre, und zwar zuerst hier auf dem Wyšehrad und dann bei Heinrich von Groitsch in Haft gehalten. Er hat Strafe kennen gelernt, und ist in den weitern sechs Jahren, die er wieder bei uns wohnte, mild gegen uns und achtungsvoll gegen unsere Rechte geworden. Viele Lechen aus dem Lande Mähren wie Drslaw Zibota Soben Treba Stibor werden mir beistimmen.«

      »Ich stimme bei«, rief einer im Saale.

      »Ich auch, ich auch«, riefen mehrere.

      Nach dem alten Mireta stand ein Mann in den mittleren Jahren auf. Er trug ein sehr grobes gelbgraues Wollkleid und eine Wolfsmütze. Er rief: »Ich bin Osel aus dem Mittage Böhmens ein kleiner Besitzmann, und sage, daß wir lieber einem Herzoge mit Gut und Waffen steuern, als uns von einem oder mehreren Lechen quälen lassen.«

      »Das ist wahr«, »Ja, ja«, riefen mehrere Stimmen, und langer Beifall tönte.

      Nun erhob sich ein alter Mann in der ersten Reihe, welcher weißgraue Haare blaue Augen und ein rötliches Angesicht hatte, und dunkelbraune Sammetkleider trug. Er rief: »Ich bin Znata der Sohn des Tas.«

      Ein Ruf des Beifalls entstand bei diesen Worten.

      Dann sagte Znata: »Wenn wir Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Sobeslaw nicht als Nachfolger seines Vaters wählen, so schlage ich einen andern Wladislaw vor, nämlich Wladislaw den Sohn des weisen und milden Herzogs Wladislaw, den Enkel des Königs Wratislaw, den Bruderssohn des jetzigen Herzogs Sobeslaw. Er ist der Sohn des Mannes, welcher in sechzehn Jahren seiner Herrschaft nur immer gut gewesen ist, welcher freiwillig seinem Bruder Boriwoy den Fürstenstuhl abtrat, und welcher uns auf seinem Sterbebette den guten Herzog Sobeslaw gab, der nun selber im Sterben liegt. Der Jüngling ist heiter und freundlich wie sein Vater, er geht mit unsern Angehörigen um, und er wird unsere gerechten Ansprüche erfüllen.«

      »Ja, ja«, riefen Stimmen. »Ja, ja, ja«, riefen noch mehrere Stimmen, und Beifallsruf erhob sich.

      Als er verhallt war, stand Slawibor auf, und sagte: »Ich denke, daß wir doch auch nicht auf Wratislaw von Brünn vergessen sollen, damit wir seine Ansprüche und Eigenschaften gerecht und genau prüfen.«

      »Ja, wir sollen sie prüfen«, rief eine Stimme.

      »Ja, ja«, riefen mehrere Stimmen.

      »Wratislaw«, riefen andere, und es ertönte wieder Beifall.

      Nun erhob sich Silvester der Bischof von Prag. Er trat in den freien Raum, richtete seine Augen gegen die Versammlung, blieb stehen, und sprach: »Liebe Gute Ansehnliche! Nach Slawibor bin ich an der Reihe zu reden. Ihr seht, daß meine Haare weiß sind, und mein Nacken gebeugt ist. Ich rede nicht aus Lust oder Unlust oder für eine Person, sondern als der, der zum obersten Seelenhirten dieses Landes erwählt ist, wenn auch nicht würdig und noch nicht von seinem erzbischöflichen Oberherrn von Mainz geweiht. Ich habe nicht für den Jüngling, welchen der Herzog gesendet hat, gesprochen, daß es nicht scheine, daß ich nur durch Gunst für den Herzog Sobeslaw bewegt sei. Ich rede zu euch, weil ihr Christen seid. Es sind in Prag und in dieser Burg Wyšehrad Versammlungen gehalten worden, und es ist heute hier eine große Versammlung, zu welcher fast alle Herren der Länder Böhmen und Mähren gekommen sind. Diese Versammlungen haben in der bangen Lage um Rettung und um einen Herzog gesucht. Aber die Versammlungen bestehen vor dem Auge Gottes nicht. Unser Herzog lebt, und ist in Hostas Burg schwer erkrankt. Die Arzneiverständigen sagen, daß er an dieser Krankheit sterben werde; aber der den Lazarus erweckt hat, der zu dem Krüppel gesagt hat: Geh, und wandle, der kann ihn zu uns führen, und ihn für den Fürstenstuhl noch eine Reihe von Zeiten erhalten. Wenn aber auch in seinem Rate bestimmt ist, daß der Herzog in das selige Leben gerufen werden soll, so ist auch darnach der Herzog vorhanden; fast alle in diesem Saale, so weit meine Augen reichen, haben Wladislaw den Sohn unsers erlauchten Herzogs Sobeslaw, welchen der deutsche König Konrad vor zwei Jahren am zweiundzwanzigsten Tage des Monates Mai auf dem Fürstentage zu Bamberg mit der Herzogsfahne Böhmens belehnt hatte, auf dem Tage unserer Länder in Sadska am neunundzwanzigsten des Brachmonates desselben Jahres in diese Belehnung eingeführt. Es besteht demnach Wladislaw der Sohn unsers guten Herzogs Sobeslaw als künftiger Herzog. Schon die Priester der falschen Götter, welche in Griechenland und Rom und vor kurzer Zeit auch noch in diesem Lande nur in einer andern Weise verehrt worden sind, haben harte Strafen für den Frevel des Meineides verkündet: um wie viel mehr straft ihn der gerechte und der einzig wahre Gott der Christen. Aber nicht der Strafe sondern des Glaubens willen halten die Christen ihr Gelöbnis. Und wenn die Hand des Meineidigen verdorrt ist, oder aus dem Grabe heraus gewachsen ist, oder wenn Gott durch Wunder und Zeichen Entsetzen in die Seele des Meineidigen geworfen hat, so hat er dadurch nur den Abscheu vor diesem unmenschlichsten aller Frevel kund getan. Und auch der irdische Vorteil, den ihr durch Meineid erstrebt, wird nicht erreicht. Die Vereinigung im Unrechte ist schwach, wie stark auch die Verbindungsstelle zu sein scheint; denn der Fürst der Zwietracht, der den Faden geschlungen hat, zerreißt ihn wieder, weil er leicht zu zerreißen ist, und stößt die Glieder gegen einander, weil man von Unrecht leicht wieder zu Unrecht geht: die Vereinigung im Rechte aber ist stark, wie schwach auch die Verbindungsstelle zu sein scheint, weil Gott den Faden geknüpft hat, und weil man erschrickt, vom Rechte zu weichen. Wer durch den Knaben David den Riesen Goliath erschlagen hat, wer durch den Richter Gideon tausend Feinde in das Gras strecken ließ, der kann durch den Knaben Wladislaw, dem ihr voreilig geschworen zu haben glaubt, dieses Land retten. Und es war sein Finger, der euch so zahlreich nach Sadska geführt, und dort hat schwören lassen. Drum sage ich, und bitte euch in christlicher Demut: Sendet zu dem Herzoge Sobeslaw, und sagt: Wir sind in deiner schweren Krankheit zusammengekommen, um zu beraten, und haben als das Rechte erkannt, daß wir Gott bitten sollen, er möge dir die Genesung wieder schenken, und daß wir, wenn er dich einmal in sein Reich aufnimmt, deinem Sohne Wladislaw als unserm Herzoge dienen. So sage ich, und so halte ich es für recht.«

      Als