wurden, sondern in verschiedenen Fachzeitschriften erschienen. Filchner selbst veröffentlichte nur sein Reisewerk »Zum sechsten Erdteil«. Die Expedition konnte zeigen, dass zwischen der West- und Ostantarktis kein Meeresarm existierte und dass das Weddellmeer von einer Eisbarriere, dem später nach ihrem Entdecker benannten Filchner Schelfeis, begrenzt wurde. Der Meteorologe Erich Barkow hatte Pionierarbeit geleistet und während der Drift im Eis mit seinen aerologischen Aufstiegen bis in 2500 m Höhe die meteorologischen Bedingungen in höheren Luftschichten über dem Weddellmeer kontinuierlich untersucht. Auch diese Messungen sind einzigartig, denn sie wurden nie mehr über einen so langen Zeitraum wiederholt. Wilhelm Brenneckes ozeanographische Untersuchungen entdeckten im Südatlantik eine vierfache Strömungsschichtung, die am Äquator von einer Oberflächenströmung nach Süden ausgehend mit zunehmender Tiefe jeweils abwechselnd warmes Wasser nach Süden und kaltes Wasser von der Antarktis nach Norden transportiert.
Ballonaufstieg am 30. März 1912 während der Drift der »Deutschland« im Weddellmeer, Quelle: Filchner 1922, S. 303
Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs scheiterte Filchners geplante Teilnahme an einer Arktisexpedition unter Amundsens Leitung. Filchner hatte bereits den Expeditionsvertrag unterschrieben und auf dem Flugplatz Johannistal bei Berlin einen Pilotenschein gemacht. Daneben erhielt er bei der Firma Pathé Frères und der Ufa eine Ausbildung zum Kameramann. Diese Ausbildung sollte sich für seine künftige Unternehmung als sehr nützlich erweisen. Ob die geplante gemeinsame Expedition glücklich verlaufen wäre, ist fraglich, denn wie es sich herausstellte, duldete Amundsen auf seinen mehrjährigen Expeditionen keine zweite Führungsfigur neben sich.
Während des Kriegs wurde Filchner erst bei Verdun und später mit besonderem Auftrag in Norwegen und Holland eingesetzt. Nach Kriegende gab er die bayerische Staatsbürgerschaft auf, übersiedelte ganz nach Berlin und wurde preußischer Staatsangehöriger. Nun widmete er sich meist unter Mitarbeit erfahrener Autoren recht erfolgreich der Schriftstellerei. Daneben setzte er seine Ausbildung in erdmagnetischen Vermessungen fort. Die guten Verkaufszahlen seiner Bücher aus den Jahren 1924 und 1925 erbrachten genügend Einnahmen, sodass er konkrete Pläne für eine neue Expedition nach Tibet machen konnte, bei der die erdmagnetische Vermessung Zentralasiens im Vordergrund stand. Zunächst aber ging er auf Vortragsreise nach Leningrad (heute: St. Petersburg), Moskau, durch das Baltikum, Finnland und Schweden. Bevor er jedoch erneut in die Ferne aufbrach, bereitete er noch den politischen Roman »Wetterleuchten im Osten. Erlebnisse eines diplomatischen Geheimagenten« vor, der erst 1927 unter Mithilfe des Schriftstellers Willy Rath erschien. Auch hier verwendete Filchner wieder Erlebnisse aus seiner ersten Tibetexpedition.
Schon Ende 1925 hatte sich Filchner ohne Begleitung über Moskau zu seinem Ausgangspunkt nach Taschkent begeben, wo seine Arbeiten beginnen sollten. Diesmal wollte er sich nur auf seine eigenen Spezialgebiete erdmagnetische Landesaufnahme und Routenkartographie beschränken. Sein Ziel war, ein riesiges erdmagnetisch noch völlig unbearbeitetes Gebiet Zentralasiens zu erschließen. Dafür wollte er alle 20 bis 50 km astronomisch-erdmagnetische Messungen durchführen, um in einer rund 6500 km langen Schleife über Kudscha – Lantschou das europäisch-westasiatische Messnetz mit dem chinesischen und anschließend über Koko-nor – Nga-tschu-ka – Leh mit dem indischen Messnetz in Kaschmir zu verbinden. Dazu kam selbstverständlich wieder die Kartierung seiner Reiseroute sowie die Höhenbestimmung markanter Punkte und seiner Lagerplätze.
Filchners Reiserouten zwischen Taschkent und Leh (1926–1928) sowie Lan-Tschou und Leh (1934–1938), Quelle: Filchner 1950a, S. 181
Gleich zu Beginn wurde er jedoch in Urumqi sechs Wochen lang wegen angeblicher Spionage für die Sowjetunion festgehalten. Einen weiteren längeren Zwangsaufenthalt hatte Filchner in Lussar, wo er den Winter 1926/27 unter ärmlichsten Bedingungen hungernd, frierend und von schweren Gallenkoliken geplagt ohne finanzielle Hilfe der deutschen Botschaft in Peking verbringen musste. Dennoch konnte er sich aufraffen, um das nahe gelegene Kloster Kumbum zu besuchen. In diesem weltabgeschiedenen und streng abgeschlossenen heiligen Ort lebten damals rund 7000 Mönche, die im Dezember zusammenkamen, um die Butterfestwoche zu feiern. Dort bekam Filchner die seltene Gelegenheit, die rituellen Tänze der Mönche zu filmen. Daraus entstand 1956 der 2500 m lange Kinofilm »Mönche, Tänzer und Soldaten«, für den Filchner während seiner Expedition mit der Handkurbel insgesamt rund 17 000 m Film gedreht hatte. Die einzigartige Aufnahme der »Teufelstänze« lässt heutzutage ideelles lamaistisches Kulturgut aus längst vergangenen Zeiten wieder auferstehen.
Mit französischer und britischer Hilfe konnte Filchner schließlich durch das Gebiet des Koko-nor weiterreisen und seine erdmagnetischen Landesaufnahme fortsetzen. Die Messungen im Winter 1927/28 waren bei –40 °C noch beschwerlicher als je zuvor, denn das Schmieröl des Theodoliten fror ein und musste erst von der Sonnenwärme wieder aufgetaut werden, bevor Filchner mit den Untersuchungen beginnen konnte. Zudem hatte er sich eiternde Frostbeulen und starke Ischiasschmerzen zugezogen. Obwohl die Reise nicht nur abenteuerlich, sondern auch äußerst anstrengend und teilweise sehr entbehrungsreich verlief, konnte er insgesamt 160 Beobachtungsstationen anlegen und durch ergänzende Stationen in den Städten Sining-fu und Lussar die Lücke zu den Messungen der amerikanischen Carnegie Institution und zu seinen früheren Untersuchungen schließen.
Filchners Enttäuschung war groß, als er – daheim bereits tot geglaubt – am 24. Juni 1928 zukehrte. Trotz der überstandenen Strapazen und der erfolgreichen Tilgung des bis dahin bestehenden weißen Fleckens im zentralasiatischen Erdmagnetfeld durch die Verbindung dreier unabhängige Messnetze miteinander, wurde er in Berlin nicht mit großem Pomp empfangen. Die zeitgleiche Ankunft des afghanischen Königs hatte ihm buchstäblich die Schau gestohlen.
Nachdem er sich wieder in Berlin eingerichtet hatte, überließ er auch diesmal die Auswertung der Messdaten den Fachleuten. Er selbst begann mit der Abfassung seines Reiseberichts »Om mani padme hum« (deutsch: »O Kleinod im Lotus«), der mit Hilfe der bewährten Unterstützung durch die Schriftsteller Rath und Zeidler 1929 erschienen und sich schnell zu einem Bestseller entwickelte. Bis 1943 kamen 23 Auflagen heraus, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zwischen 1950 und 1956 in gekürzter Form erneut fünf Mal aufgelegt. Filchners wichtigstes Werk sollte jedoch die Monographie »Kumbum Dschamba Ling, das Kloster der Hunderttausend Bilder Maitreyas« werden, in dem er aufgrund seiner Erlebnisse und Beobachtungen im Winter 1926/27 anhand von 208 Fotos und 412 Skizzen Leben und Lehre des Lamaismus ausführlich beschrieb. Der Fachmann für Lamaismus Wilhelm Alexander Unkrig hatte dafür über 1700 ausführliche Anmerkungen beigesteuert, sodass eine einzigartige Religionsbeschreibung Tibets entstand, die noch heute von Interesse ist.
Filchners dritte Tibetexpedition (1934–1938) wurde diesmal staatlicherseits unterstützt. Ziel war, die Fortsetzung der bisherigen Messungen zwischen Huang-ho und Indus, um die Bestimmung des Erdmagnetfeldes entlang der großen Schleife während der vorhergehenden Expedition durch weitere Stationen entlang einer die Schleife teilenden Route zwischen Lantschou – Tsaidam – Tschertschen – Chotan – Leh zu vervollständigen. Damit hätte er das innerasiatische Erdmagnetfeld flächenmäßig erfasst und in Chotan an die Messungen der russischen Tibetexpedition unter Mikhail Pevtsov in den Jahren 1889-1890 angeschlossen.
Gleich zu Beginn der Reise wurde Filchner wegen seiner Verdienste bei der Erschließung großer Gebiete im Nordwesten Chinas in die Academia Sinica (Chinesische Akademie der Wissenschaften) aufgenommen. Während dieser Expedition besuchte er das Kloster Kumbum ein weiteres Mal. Er stellte fest, dass die Anzahl der Mönche in der Zwischenzeit rapide abgenommen hatte und auf die Hälfte gesunken war. Wieder gab es einen längeren unfreiwilligen Aufenthalt, als Filchner in Chotan Ende Dezember 1936 für sieben Monate festgesetzt wurde, da er keinen gültigen Pass für die Weiterreise nach Leh vorweisen konnte. Schließlich gab es auch für dieses Problem eine Lösung, sodass er 1937 nach Abschluss einer Messkette von 3500 km an seinem Geburtstag sein Ziel in Kaschmir erreichte.
Kamelkarawane