Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 3 – Arztroman


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den ich vorher möglichst weit weg geschlagen habe.«

      Sie hatte kaum ausgesprochen, als Roland in schallendes Gelächter ausbrach.

      »Wissen Sie, dass Ihr Chef genau das gleiche gesagt hat?«, fragte er, als er sich wieder beruhigt hatte.

      »Nun, wir arbeiten schon eine Zeitlang sehr eng zusammen. Das schweißt natürlich zusammen«, gestand Janine und lächelte versonnen, wenn sie an dieses wunderbare Verständnis dachte, das sie mit ihrem Chef verband.

      Roland sah ihr tief in die Augen und griff über den Tisch hinweg nach ihren Händen.

      »Ich hoffe wirklich, dass sich die gute Beziehung zu Ihrem Chef nur auf den beruflichen Aspekt bezieht«, tat er seine Hoffnung kund und zog ihre Hände an seine Lippen.

      »Aber natürlich«, versicherte Janine wie aus der Pistole geschossen. »Wo denken Sie hin? Herr Dr. Norden ist seit vielen Jahren glücklich verheiratet.« Fast war sie ein wenig entrüstet. Wie konnte Roland Holzapfel nur an so etwas denken? »Aber wie ist es mit Ihnen?«, stellte sie schlagfertig eine Gegenfrage. »Es ist schwer vorstellbar, dass es in Ihrem Leben keine Frau geben sollte.«

      Der Kellner kam und schenkte den bestellten Wein in die beiden Gläser. Ehe Roland antwortete, hob er das Glas und stieß mit Janine an.

      »Sie wissen doch sicherlich, wie das ist? Wir Ärzte sind mit unserem Beruf verheiratet«, antwortete er ausweichend.

      »Und mit dem Golfspielen«, erwiderte Janine keck. Natürlich registrierte sie, dass sie keine richtige Antwort erhalten hatte, und versuchte es auf andere Art und Weise. An diesem Tag hatte Janine kaum etwas gegessen, und der ungewohnte Alkohol tat seine Wirkung. Er lockerte ihre Zunge, und sie sprach Dinge aus, die sie im Normalfall niemals gesagt hätte. »Ein attraktiver Mann wie Sie knüpft doch sicherlich viele nette Bekanntschaften auf dem Golfplatz«, sagte sie ihm gar nicht schüchtern auf den Kopf zu.

      Doch Roland lachte unbeeindruckt.

      »Da will ich Ihnen nicht widersprechen. Aber keine war so bezaubernd wie Sie.«

      »Sie schmeicheln mir.« Um ihre Verlegenheit zu überspielen, trank Janine einen weiteren Schluck Wein.

      Dabei ließ Roland sie nicht aus den Augen.

      »Jetzt müssen Sie aber auch die Karten auf den Tisch legen. Man sollte meinen, dass eine schöne Frau wie Sie an jedem Finger mindestens einen Verehrer hat.«

      Im Kerzenschein bemerkte er, wie Janine zart errötete, was sie in seinen Augen nur noch bezaubernder machte.

      »Ich hatte schon die eine oder andere Beziehung. Aber der Richtige war noch nicht dabei«, gestand sie leise und betrachtete sinnend den Wein, der verlockend im Glas schimmerte. »Im Augenblick bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es sich allein ganz angenehm lebt. Obwohl ich natürlich nicht für immer Single bleiben will.«

      »Oh, dann sind wir ja ganz einer Meinung«, stellte Roland Holzapfel erfreut fest und lächelte den Kellner an, der in diesem Augenblick das Essen servierte.

      Während des Essens schlug er einen munteren Plauderton an und unterhielt seine Begleiterin mit charmanten kleinen Geschichten. Natürlich landeten sie schließlich wieder bei seinem Lieblingsthema Golf.

      »Vielleicht gelingt es Ihnen ja, mir die Faszination dieses Sports nahe zu bringen«, stellte Janine irgendwann fest und legte den kleinen Löffel und die Kuchengabel beiseite, mit der sie die Apfelkücherl mit Vanilleeis bis auf den allerletzten Rest verspeist hatte. »Obwohl ich davon überzeugt bin, dass ich mich nie mehr wieder bewegen kann.«

      Roland hatte es wirklich gut mit ihr gemeint und sie nach Strich und Faden verwöhnen lassen.

      »Ach, wissen Sie, Golf, das ist perfekt geregelter Wahnsinn. Eine teure Variante des Murmelspiels«, beantwortete er ihre Frage mit einem Schuss Selbstironie.

      »Also wieder was für Erwachsene, die im Grunde ihres Herzens Kinder geblieben sind.«

      »Wenn Sie so wollen«, gab Roland gut gelaunt zurück. »Aber was ist so schlecht daran, ein Kind zu sein?«

      Dabei sah er sie so treuherzig an, dass Janine unwillkürlich lachen musste.

      »Nichts. Nicht umsonst heißt es ja sogar in der Bibel, dass wir wieder wie die Kinder werden sollen«, gab sie ausgelassen zurück, ehe sich das Gespräch wieder anderen Themen zuwandte und der Abend in fröhlichem Geplauder und der gegenseitigen Versicherung endete, dass man am nächsten Abend gemeinsam den Golfschläger schwingen würde. Gut, dass Janine nicht sah, dass Roland sich ins Fäustchen lachte, nachdem er seine Begleiterin zum Taxistand begleitete hatte.

      »Nummer sieben!«, murmelte er zufrieden und sah den Rücklichtern des Taxis nach, die langsam von der Dunkelheit verschluckt wurden.

      *

      Die Operation hatte länger gedauert als gedacht.

      »Gute Arbeit, meine Damen und Herren!«, lobte der Kinderarzt Konstantin Klaiber seine Kollegen und lächelte anerkennend. Doch Fee konnte sich über dieses Kompliment gar nicht richtig freuen.

      Selten zuvor war sie so erschöpft gewesen wie an diesem Abend. Ihre Anwesenheit im Operationssaal war wichtig gewesen für ihre Ausbildung. Trotzdem war sie froh, dass sie endlich Feierabend hatte. Doch sie hatte kaum Gelegenheit, den Mundschutz vom Gesicht zu ziehen, als eine Schwester aufgeregt in den Vorraum des Operationssaals stürmte.

      »Gut, dass Sie endlich fertig sind, Frau Dr. Norden. Sie müssen sofort kommen!«

      Müde verdrehte Felicitas die Augen.

      »Schon wieder ein Notfall? Kann das nicht ein Kollege übernehmen? Ich bin seit sechzehn Stunden auf den Beinen«, bat sie um Mitleid, als Schwester Agnes bedauernd den Kopf schüttelte.

      »Es geht um ihre Tochter Anneka.«

      Einen Moment lang erstarrte Fee vor Schreck.

      »Anneka ist hier?«, fragte sie entgeistert. Sofort war ihre Müdigkeit vergessen, und sie folgte der Schwester, die sie mit sich winkte.

      »Sie wurde vor etwa einer Stunde eingeliefert. Dr. Cornelius hat sich um sie gekümmert und ihr eine Infusion verabreicht. Am Anfang sah alles ganz gut aus. Aber dann …«

      »Was ist dann passiert?«, fragte Fee alarmiert, während sie Seite an Seite mit Agnes den Flur hinunter eilte.

      »Ich war zufällig im Zimmer, als sie plötzlich anfing, nach Luft zu schnappen. Ihr Gesicht ist ganz blau geworden und sie hatte furchtbare Bauchschmerzen.«

      »Ein anaphylaktischer Schock!«, wusste Fee sofort, um was es ging. »Bestimmt hängt das mit dem Medikament zusammen, das Mario ihr verabreicht hat.« Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. »Haben Sie einen Arzt geholt? Ist jemand bei ihr?«

      »Ihr Mann ist gerade gekommen und hat die Behandlung Ihrer Tochter übernommen.«

      »Daniel?«, hauchte Felicitas kraftlos. Vor Erleichterung wurden ihr einen Moment lang die Knie weich und sie fürchtete, mitten auf dem Flur zu straucheln. Doch der schwache Moment ging vorüber, und gleich hatte sie sich wieder im Griff. Das war sie ihrer Tochter schuldig. »Ein Glück. Wenn er bei ihr ist, dann ist es ja gut.«

      Sie waren auf der Intensivstation angekommen, auf die Anneka inzwischen verlegt worden war. Als Fee ihre Tochter erblickte, krampfte sich ihr Herz zusammen. Eine Sauerstoffmaske bedeckte Annekas bleiches Gesicht. In beiden Handrücken lagen Venenzugänge, durch die sie verschiedene Medikamente bekam. Ein Herztonschreiber überwachte ihre Herztätigkeit, und auch die Atemfrequenz wurde gemessen.

      »Meine Kleine!« Tränen schossen Fee in die Augen, als sie ans Bett trat. In ihrer Verzweiflung bemerkte sie ihren Mann nicht, der in einer Ecke saß und den Schlaf seiner Tochter bewachte.

      Daniel erhob sich und trat hinter seine Frau.

      »Ich weiß, sie sieht schrecklich aus. Aber ihr Zustand ist seit einer halben Stunde stabil«, erklärte er leise, um Fee nicht zu erschrecken, und legte seine Hände auf ihre Schultern.