Lilly Grünberg

Begierde


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Fesseln befreit und in einem fast kahlen Raum eingeschlossen wurde, fiel sie zunächst vollkommen erschöpft auf die einfache Matratze, die am Boden lag. Man hatte ihr alles abgenommen, was sie noch getragen hatte. Strümpfe und Schuhe, Schmuck und Uhr, ehe man sie einsperrte. Sie hatte keine Kraft zu weinen, dennoch dauerte es Minuten, bis sich ihr Puls soweit beruhigt hatte, dass sie in der Lage war, sich umzuschauen.

      Der Raum war nichts anderes als eine Gästetoilette. Abgesehen von einer Kloschüssel, einem Waschbecken und der schlichten, aber wenigstens mit einem sauberen Spannbetttuch bezogenen Matratze war der Raum leer. Vom Fußboden bis auf halbe Höhe war er beige gekachelt, darüber rosa gestrichen. Die Fensterscheiben waren aus einem milchigen, leicht gemaserten Glas, das Blumenranken zeigte. Davor war ein Gitter zu erkennen. Vicky stand auf und öffnete das Fenster. Es führte auf einen schmalen fast quadratischen Schacht hinaus, der auf der gegenüberliegenden Seite identische, ebenfalls vergitterte Fenster zeigte.

      Sie schloss das Fenster und schaute sich im Spiegel über dem Waschbecken an. Ihr Makeup war verschmiert, die Wimperntusche hatte dunkle Ränder unter ihren Augen hinterlassen. Alles in allem sah sie schrecklich aus. Es würde ihr gut tun, die Spuren der Nacht abzuwaschen. Sie ließ warmes Wasser über ihre Hände laufen und drückte etwas von der Flüssigseife aus dem Spender, der an den Kacheln angebracht war, in ihre Handfläche.

      Anschließend sank sie mutlos auf die Matratze. Ihr war kalt. Nicht einmal eine einfache Decke und ein Kopfkissen hatte man ihr gegönnt. Ihr Kopf war ebenso leer wie ihr Gefängnis. Es würde nicht leicht werden, von diesem Ort zu flüchten.

      Die Tür vor ihr öffnete sich automatisch. Vicky trat ein und sah sich in der halbdunklen Bar um. Im Raum befanden sich nur Männer, keine einzige Frau. Die Gespräche verstummten, schlagartig war es still und alle drehten sich zur gleichen Zeit um und starrten sie an. Sogar der Mann hinter der Bar hielt in der Bewegung des Bierzapfens inne.

      Ich sollte lieber wieder gehen, dachte sie, doch sie war unfähig auch nur einen einzigen Schritt zu machen. Ihre Füße schienen am Boden festzukleben.

      Einer der Männer, ein großer kräftiger Kerl mit öligen schwarzen Haaren löste sich aus der Menge und kam näher. Sein Blick stierte Vicky direkt auf ihre Brüste. Dabei griff er sich in den Schritt, hob das Geschlecht an, grinste breit und leckte sich über die Lippen. Durch den dünnen Stoff seiner Sommerhose zeichnete sich ein beängstigend großer steifer Penis ab.

      Einer der Spaghettiträgern ihres weißen, hautengen Tops war über ihre Schulter herab gerutscht. Darunter trug sie nichts. Ihre Brüste wölbten sich auch ohne BH in vollendeter Schönheit. Vicky schaute an sich herunter und erschrak. Durch den fast durchsichtigen Stoff zeichneten sich ihre steilen Brustwarzen und der dunkle Hof ab. Es musste auf den Mann wie eine Einladung wirken.

      Erschrocken machte sie einen Schritt rückwärts und schob gleichzeitig den Träger wieder über die Schulter nach oben. Sie musste hier raus, aber hinter ihr war plötzlich kein Platz mehr. Jemand packte sie an den Oberarmen, schob sie vorwärts, die Hände glitten an ihren Armen herab, packten ihre Handgelenke und zogen ihr streng die Hände auf den Rücken.

      Vickys Mund öffnete sich in einem stummen Schrei. Sie hatte einen Fehler gemacht, sie wollte die Männer aufgeilen, hatte extra deshalb diese aufreizende Kleidung gewählt, doch die Männer waren alle gleich, wollten nur das eine. Wie immer hatte sie vorgehabt, rechtzeitig zu verschwinden, bevor es dazu kam. Aber der Mann hinter ihr hielt sie fest, sie spürte die Wärme seines Körpers, seinen Atem über ihrer nackten Schulter. Sie wollte um Hilfe rufen, sie wollte sich wehren, um sich treten – doch nichts davon brachte sie zustande. Der andere Mann kam mit jedem Schritt näher, es geschah wie in Zeitlupe und obwohl sie Angst hatte, fühlte sie, wie es in ihrem Schritt immer feuchter wurde. Sie wusste, es würde geschehen.

      Dann jedoch siegte die Erkenntnis, dass dies kein Traum war. Der Mann hielt sie unbarmherzig fest, obwohl sie nun aus ihrer Erstarrung erwachte und sich wehrte, um sich trat und zappelte, aber es war zu spät. Der andere streckte schon seine Hände nach ihr aus, schob ihr beide Träger über die Schultern nach unten und ihr Top herab. Ihre Brüste schienen aus dem prallen Stoff herauszuspringen. Fordernd griff er ihr an den Busen.

      Vicky war in einer Woge aus Lust und Entsetzen gefangen. Ihre Brustwarzen schmerzten, wollten berührt und liebkost werden, aber bei den Blicken der Männer gefror ihr das Blut. Sie wollten nur das eine, ohne Vorspiel, ohne Rücksicht. Sie schrie wie am Spieß, aber jemand stopfte ihr etwas in den Mund, erstickte ihr Schreien.

      Kommt, lasst uns die Braut ficken. Schaut nur, wie geil sie ist! Sie will es. Habt ihr nicht gesehen, wie sie ihren Busen zur Schau trägt, das kleine Luder? Ich glaube, sie hat nicht einmal ein Höschen an.

      Das Gesicht war verschwommen, aber der Mund grinste breit. Plötzlich erschien ihr der Mann gar nicht mehr so groß und kräftig, auch seine Stimme hatte sich verändert und kam Vicky plötzlich bekannt vor. Er schob ihren Rock hoch und fasste drunter, direkt in ihren Schritt, ließ nicht zu, dass sie ihre Beine schloss. Er lachte, weil sie versuchte, ihn zu treten.

      Wusste ich es doch, dass du nichts drunter hast. Du bist nur hier, weil du gefickt werden willst. Der Mann war Marc. Wieso Marc? Ich zeigs dir, und wenn ich mit dir fertig bin, werde ich dich festhalten, damit Chris dich anständig ficken kann, und dann die anderen. Marc und Chris – sie steckten unter einer Decke? Vicky versuchte zu schreien, aber kein Laut kam über ihre Lippen.

      Sie bäumte sich auf, sah viele Gesichter, zwar verschwommen, aber es waren Männer, das wusste sie. Sie fühlte, wie sie halb davon gezerrt, halb geschoben wurde. Jemand drückte sie mit dem Oberkörper auf einen Tisch, zog ihre Arme nach vorne und zwei Männer hielten sie fest. Andere spreizten ihre Beine. Alle grinsten hässlich dabei, entblößten Münder mit gelblichen Zähnen und Lücken. Nein. Sie schrie mit ganzer Kraft ihre Angst heraus – und erwachte.

      Zitternd starrte Vicky in die Dunkelheit. Sie brauchte einige Minuten, um zu verstehen, wo sie sich befand und dass sie nur geträumt hatte. Nur geträumt? Sie wischte mit dem Handrücken die letzten Tränen fort. Es war zwar ein Albtraum gewesen und ihr Herz klopfte immer noch voller Angst, doch gleichzeitig war da auch Erregung, das verlangende Ziehen in ihren Brustwarzen und zwischen ihren Schenkeln. Vicky stöhnte leise. Ihr Körper machte wieder einmal, was er wollte und entzog sich ihrer Kontrolle. Sie schluchzte laut auf. Warum gab es nicht schon längst jemanden, zu dem sie gehörte, mit dem sie in Geborgenheit und Liebe zusammenlebte, der sie davor beschützt hätte, in diese Lage zu kommen?

      Marc. Der Mann in ihrem Traum hatte sie an Marc erinnert. Warum konnte sie sich nicht erklären, schließlich war sein Gesicht sehr verschwommen gewesen, wie es meistens in Träumen ist. Aber der Gedanke an ihn drängte sich auf, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Sie wusste einfach, dass er es gewesen war. Niemand sonst.

      Innere Werte, Liebe, Vertrauen – das waren nur hohle Worte. Viel zu lange hatte sie daran geglaubt. Von einem Tag auf den anderen war damals ihre kleine heile Welt zusammengebrochen. Sie wusste nicht mehr, wem sie vertrauen durfte. Dabei waren sie sich so nahe gestanden, sie und Marc, hatten sich alles erzählt, ihre geheimsten Gedanken und Sehnsüchte. Doch dann war er dem Charme von Micky erlegen, dieser falschen Schlange, und hatte ihren Lügen mehr Glauben geschenkt als Vickys Erklärung. Und danach hatten sie kaum noch miteinander gesprochen.

      Marc. Letztlich war er wohl wie sein Vater. Marcs Vater und ihre eigene Mutter hatten es überall miteinander getrieben, sich nicht einmal vor ihren eigenen Kindern zurückgehalten, sondern sich unsittlich und voller Gier in aller Öffentlichkeit begrapscht.

      Dabei war sie so glücklich gewesen, in Marc einen netten und verständnisvollen Stiefbruder gefunden zu haben, der sie nicht alleine ließ, sie tröstete, immer für sie da war. Sie war sogar in ihn verliebt gewesen. Aber er hatte es nicht einmal bemerkt. Warum nur träumte sie nun so schreckliche Dinge von ihm? Marc war niemals grausam gewesen.

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