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Liebesbriefe großer Männer


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Dein

      ewig mein

      ewig uns.

      Wien, LI. August 1810

      Teuerste Freundin!

      Kein schönerer Frühling als der heurige, das sage ich und fühle es auch, weil ich Ihre Bekanntschaft gemacht habe. Sie haben wohl selbst gesehen, dass ich in der Gesellschaft bin wie ein Fisch auf dem Sand, der wälzt sich und wälzt sich und kann nicht fort, bis eine wohlwollende Galathee ihn wieder in das gewaltige Meer hineinschafft. Ja, ich war recht auf dem Trockenen, liebste Freundin, ich ward’ von Ihnen überrascht in einem Augenblick, wo der Missmut ganz mein Meister war, aber wahrlich, er verschwand mit Ihrem Anblick, ich habe es gleich weg gehabt, dass Sie aus einer andern Welt sind als dieser absurden, der man mit dem besten Willen die Ohren nicht auftun kann. Ich bin ein elender Mensch und beklage mich über die andern!!

      Das verzeihen Sie mir wohl mit Ihrem guten Herzen, das aus Ihren Augen sieht, und mit Ihrem Verstand, der in Ihren Ohren liegt – zum wenigsten verstehen Ihre Ohren zu schmeicheln, wenn Sie zuhören. Meine Ohren sind leider eine Scheidewand, durch die ich keine freundliche Kommunikation mit Menschen leicht haben kann. Sonst vielleicht! – hätte ich mehr Zutrauen gefasst zu Ihnen, so konnte ich nur den großen gescheuten Blick Ihrer Augen verstehen, und der hat mir zugesetzt, dass ich’s nimmer vergessen werde. – Liebe Freundin, liebstes Mädchen – die Kunst! Wer versteht die? – Mit wem kann man sich bereden über diese große Göttin … – – – wie lieb sind mir die wenigen Tage, wo wir zusammen schwatzten, oder vielmehr korrespondierten, ich habe die kleinen Zettel alle aufbewahrt, auf denen Ihre geistreichen lieben, liebsten Antworten stehen, so habe ich meinen schlechten Ohren doch zu verdanken, dass der beste Teil dieser flüchtigen Gespräche aufgeschrieben ist.

      Seit Sie weg sind, habe ich verdrießliche Stunden gehabt, Schattenstunden, in denen man nichts tun kann, ich bin wohl an drei Stunden in der Schönbrunner Allee herumgelaufen, als Sie weg waren, aber kein Engel ist mir da begegnet, der mich gepackt hätte wie Du Engel – verzeihen Sie, liebste Freundin, diese Abweichung von der Tonart, solche Intervalle muss ich haben, um meinem Herzen Luft zu machen. Und Goethe haben Sie von mir geschrieben, nicht wahr? Dass ich meinen Kopf möchte in einen Sack stecken, wo ich nichts höre und nichts sehe von allem, was in der Weh vorgeht, weil Du, liebster Engel, mir doch nicht begegnen wirst, aber einen Brief werde ich ja doch von Ihnen erhalten, die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und ich habe sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt, was wäre sonst mit mir geworden! Ich schicke hier mit eigner Hand Kennst Du das Land als eine Erinnerung an die Stunde, wo ich Sie kennenlernte, ich schicke auch das andere, was ich komponiert habe, seit ich Abschied von Dir genommen habe, liebes, liebstes Herz!

      Herz, mein Herz, was soll das geben,

       Was bedränget dich so sehr;

       Welch ein neues fremdes Leben,

      Ich erkenne dich nicht mehr.

      Ja, liebste Freundin, antworten Sie mir hierauf, schreiben Sie mir, was es geben soll mit mir, seit mein Herz solch ein Rebeller geworden ist. Schreiben Sie Ihrem treuesten Freund

      Beethoven

      Töplitz, 15. August 1812

      Liebste, gute Freundin!

      Könige und Fürsten können wohl Professoren machen und Geheimräte und Titel und Ordensbänder umhängen, aber große Menschen können sie nicht machen, Geister, die über das Weltgeschmeiß hervorragen, das müssen sie wohl bleiben lassen zu machen, und damit muss man sie in Respekt haben – wenn so zwei zusammenkommen wie ich und der Goethe, da müssen die großen Herren merken, was bei unser einem als groß gelten kann. Wir begegneten gestern auf dem Heimweg der ganzen kaiserlichen Familie, wir sahen sie von Weitem kommen, und der Goethe machte sich von meinem Arm los, um sich an die Seite zu stellen, ich mochte sagen, was ich wollte, ich konnte ihn keinen Schritt weiterbringen, ich drückte meinen Hut auf den Kopf und knöpfte meinen Überrock zu und ging mit untergeschlagenen Armen mitten durch den dicksten Haufen, Fürsten und Schranzen haben Spalier gemacht, der Herzog Rudolph hat mir den Hut abgezogen, die Frau Kaiserin hat gegrüßt zuerst. – Die Herrschaften kennen mich, ich sah zu meinem wahren Spaß die Prozession an Goethe vorbeidefilieren – er stand mit abgezogenem Hut tief gebückt an der Seite – dann habe ich ihm den Kopf gewaschen, ich gab kein Pardon und habe ihm all seine Sünden vorgeworfen, am meisten die gegen Sie, liebste Freundin, wir hatten gerade von Ihnen gesprochen. Gott, hätte ich eine solche Zeit mit Ihnen haben können wie der, das glauben Sie mir, ich hätte noch viel mehr Großes hervorgebracht. Ein Musiker ist auch Dichter, er kann sich auch durch ein Paar Augen plötzlich in eine schönere Welt versetzt fühlen, wo größere Geister sich mit ihm einen Spaß machen und ihm recht tüchtige Aufgaben machen – was kam mir nicht alles im Sinn, wie ich Sie kennenlernte auf der kleinen Sternwarte während dem herrlichen Mairegen, der war ganz fruchtbar auch für mich. Die schönsten Themas schlüpften damals aus Ihren Blicken in mein Herz, die erst die Welt noch entzücken sollen, wenn der Beethoven nicht mehr dirigiert. Schenkt mir Gott noch ein paar Jahre, dann muss ich Dich wiedersehen, liebste Freundin, so verlangt’s die Stimme, die immer recht behält in mir. Geister können einander auch lieben, ich werde immer um den Ihrigen werben.

      Adieu, adieu, Beste, Dein letzter Brief lag eine ganze Nacht auf meinem Herzen und erquickte mich da, Musikanten erlauben sich alles.

      Gott, wie liebe ich Sie. Dein treuester Freund und tauber Bruder

      Beethoven

      Friedrich Hölderlin

       (1770-1843)

      an Louise Nast und Susette Gontard (Diotima)

      Während seines Besuchs der Klosterschule in Maulbronn verliebte Hölderlin sich als 16-jähriger in Louise Nast, die Tochter des Klosterverwalters. Sie erwiderte seine Liebe, und es kam zu einer heimlichen Verlobung. Drei Jahre später allerdings beendete Hölderlin das Verhältnis – brieflich; warum, ist unbekannt. In Susette Gontard, Frau eines Frankfurter Bankiers, verliebte Hölderlin sich während seiner Tätigkeit als Hauslehrer für ihren Sohn. Als der Ehemann von dem Verhältnis erfuhr, musste der Dichter die Stellung verlassen.

      Liebe, gute Louise!

      Liebe, gute Louise!

      Noch nie fühlte ich den Wert Deiner edlen Seele stärker, sah nie meinen Abstand von Dir deutlicher, als bei Deinem letzten Brief. O könnt’ ich zu Deinen Füßen den trüben Augenblick Dir abbitten, den ich Dir vielleicht durch meine trübsinnige Laune machte, könntest Du sehen, wie unwürdig Deiner so unbeschreiblich edlen Liebe ich mich in dem Augenblick fühle, wann ich daran denke, dass meine Grillen die Achtung, die ich ewig für Dich habe, u. haben soll, so unverzeihlich bei Seit setzten. Louise! Louise! liebes herrliches Mädchen! und Du antwortest mir mit dieser himmlischen Güte? Liebst mich noch eben so heiß? Tröstest mich so zärtlich über meiner freilich ziemlich traurigen Lage? Täglich, täglich neue Beweise – wie viel ich an Dir habe – je öfter ich den Brief lese, desto schätzbarer wird er mir – kein Wort Deiner Liebe entging mir, keine Silbe, die mich so ganz in Dein schönes Herz sehen ließ. O lieber Gott! was müssen das für selige Tage sein, da wir auf ewig vereint so ganz für einander leben – Louise – was werd’ ich da an Dir haben – Du wirst mich aufheitern in trüben Stunden, Du wirst mir die Lasten, die ich zu tragen habe, versüßen, Du wirst mich mit der Welt versöhnen, wann ich beleidigt bin, Du wirst mir alles, alles sein – O! Ich bin so glücklich! Ich verspreche Dir von nun an, süßes liebes Mädchen – von nun an – wann ich wieder so feindselig schreibe, will ich nimmer Dein Hölderlin sein. Was ich diesen Nachmittag für eine selige Stunde hatte! Ich wollte Deinen letzten Brief wieder lesen – bekam aber einen ältern in die Hand – u. dann wieder einen andern – bis ich endlich alle gelesen hatte – auch den allerersten, liebe Seele! »Sie haben mein ganzes Herz«, schriebst Du damals, u. O Gott!