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Gefahr für eine alte Freundschaft
»Hasher, hier sind wir!« Schon von Weitem hatte Janni Norden den Gast aus dem exotischen Land entdeckt, der gemeinsam mit anderen Flugpassagieren durch die gläserne Schiebetür des Münchner Flughafens trat und sich suchend umsah. Aufgeregt hob Janni beide Hände über den Kopf und winkte. Auch seine ältere Schwester Anneka strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Sie hegte eine heimliche Schwäche für den gut aussehenden Prinzen aus dem Orient, was ihrem älteren Bruder Felix natürlich nicht entgangen war.
»Hey, Hasher hat schon eine Verlobte«, raunte er ihr amüsiert zu. »Da wirst du dich mächtig ins Zeug legen müssen. Oder Dad muss ein paar Kamele mehr bieten als der Vater von Kalila.«
»Du bist so was von blöd!« Erbost wollte Anneka ihren frechen Bruder in die Seite stoßen.
Doch Felix ahnte ihre Absicht und wich ihrem Hieb geschickt aus. Schon wollte Fee dem geschwisterlichen Gezanke ein Ende machen, als Prinz Hasher die Familie entdeckt hatte und strahlend auf seine deutschen Freunde zueilte. Wie meist trug er einen gut geschnittenen Anzug, der seinen schlanken Körper vorteilhaft betonte. Sein kantiges, schmales Gesicht war teilweise von einem gestutzten Bart bedeckt, der ihn noch männlicher wirken ließ. Heimlich musste Felicitas zugeben, dass sie verstand, warum ihre ältere Tochter ein Faible für den unverschämt gut aussehenden Prinzen hatte. Welche Frau hätte diesem Anblick schon widerstehen können?
»Daniel«, begrüßte Prinz Hasher zuerst das Oberhaupt der Familie Norden. Er legte beide Hände auf Dr. Nordens Schultern und küsste ihn links und rechts auf die Wange, ganz so, wie es in seiner Heimat Brauch war.
»Wie war dein Flug?«, erkundigte sich der Arzt bei dem Mann, den er von seinen jahrelangen Beschwerden befreit hatte.
»Hinter mir saß ein Mann, der die ganze Zeit gehustet hat«, antwortete Hasher, und eine missbilligende Falte teilte seine Stirn. »Um ein Haar hätte ich ihm deine Karte gegeben, damit du dich seiner Beschwerden annehmen kannst.«
Daniel lachte herzlich, und der Prinz wandte sich dem Rest seines Begrüßungskomitees zu.
Er wechselte ein paar Worte mit Felix und Janni, ehe er seine weiblichen Freunde Fee, Anneka und Dési mit zurückhaltender Ehrerbietung begrüßte.
»Es tut so gut, euch zu sehen«, erklärte Hasher dann mit seiner samtweichen tiefen Stimme. Gleichzeitig sah er sich suchend um. »Aber wo ist mein Freund Danny?«
»Na, irgendeiner muss doch das Geld für die Familie verdienen«, scherzte Daniel gut gelaunt und half dem Prinzen mit dem Gepäckwagen. »Ich hab dir doch erzählt, dass er fest in die Praxis eingestiegen ist.«
»Und dass ihr bald anbauen müsst, weil ihr so viele neue Patienten dazubekommen habt«, lächelte Hasher wissend.
»Im Augenblick begnügen wir uns mit einer neuen Assistentin«, berichtete Fee von den neuesten Entwicklungen in der Praxis Dr. Norden. »Irgendwann denken wir sicher über neue Räume nach. Aber zuerst einmal muss Danny seinen Doktor machen.«
Inzwischen waren sie durch die Glastüren vor die Abflughalle getreten, wo Daniel in unmittelbarer Nähe einen Parkplatz ergattert hatte. Die Sonne schien warm von einem mit weißen Wölkchen betupften stahlblauen Himmel, und ein laues Lüftchen wehte. Per Fernbedienung ließ Daniel Norden die Schlösser aufschnappen, und die Lichter des Wagens blinkten kurz auf. Wie von Geisterhand öffnete sich der Kofferraum, und viele helfende Hände kümmerten sich so rasch um Hashers Gepäck, dass dem Prinzen gar nichts zu tun blieb. So nahm er auf dem Beifahrersitz Platz, den Felicitas ihm großzügig überließ, und drehte sich zu seiner Gastgeberin um.
»Du bist ja im Augenblick sicher auch sehr mit deiner Fortbildung beschäftigt, nicht wahr?«
Fee freute sich, dass er so regen Anteil an ihrem Leben nahm und die E-Mails, die die Familie in regelmäßigen Abständen in den Orient schickte, offenbar aufmerksam las.
»Ehrlich gesagt hatte ich mir die Fortbildung zum Facharzt in Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht so anstrengend vorgestellt«, gestand sie lächelnd und schnallte sich an. »Ganz schön ungewohnt, wieder die Schulbank zu drücken, Bücher zu wälzen und jeden Tag seitenweise medizinische Zusammenhänge zu lernen.«
»Jetzt spürt Mami am eigenen Leib, was sie uns antut, wenn sie uns in die Schule schickt«, triumphierte Janni grinsend.
Zu seinem Leidwesen hob Hasher mahnend den Zeigefinger.
»Ihr könnt froh sein, dass ihr in die Schule gehen dürft. Es gibt viele Kinder auf dieser Welt, die nicht so privilegiert sind.«
Das war natürlich nicht die Antwort, die sich Janni erhofft hatte, und schnell wandte er sich ab, um mit Dési das im Augenblick sehr beliebte Automarken-Spiel zu spielen. Doch Hasher hatte ohnehin nicht vor, dieses Thema weiter zu vertiefen. Dazu gab es viel zu viele Dinge aus dem Orient zu berichten. In munterem Plauderton beantwortete er die Fragen der ganzen Familie und erzählte von zu Hause. Von seiner Stiefmutter Leila und der kleinen Halbschwester Nasya, deren Weg ins Leben nicht leicht gewesen, die aber dank Dr. Nordens Hilfe heute ein gesundes, fröhliches Baby war. Hasher erzählte auch von seinem Vater Ahmed, der sich durch die schwere Krankheit seiner zweiten Frau Leila von einem nicht gerade treuen Patriarchen in einen mustergültigen Ehemann und Vater verwandelt hatte.
Während Daniel Norden den Wagen sicher durch den dichter werdenden Verkehr lenkte, zauberte Prinz Hasher mit seinen lebendigen Erzählungen den Orient herbei. Sein schweres Parfum erinnerte nicht nur Fee an die Düfte des Märchenlandes, und sie brauchte nur die Augen zu schließen, um Farben und Flair des exotischen Landes wieder vor sich zu sehen.
»Wenn ich dich so reden höre, bekomme ich wieder richtig Sehnsucht«, gestand sie leise, und Hasher lächelte sie freundlich an.
»Ihr seid immer willkommen bei meiner schönen Kalila und mir, in unserem Palast«, versicherte er innig. »Mein Zuhause ist auch eures.« Ehe Felicitas auf diese freundlichen Worte antworten konnte, wandte sich der Prinz an Dr. Norden. »Aber zunächst möchte ich deiner Patientin helfen.«
Daniel hatte seinen Freund, der im Orient weltberühmte Pferde züchtete, um Rat gefragt.
Eine seiner Patientinnen, die Züchterin Simone Kühn, war während eines Besuchs in der Praxis weinend zusammengebrochen. Unter Tränen hatte sie vom Schicksal ihres Lieblingshengstes Aramis erzählt.
»Auf deine Bitte hin habe ich mit Frau Kühn telefoniert«, erzählte Hasher. »Das Tier leidet seit einiger Zeit unter unerklärlichen Aggressionen und lässt sich kaum mehr bändigen. Frau Kühns Vater will es deshalb einschläfern lassen.«
Vor Schreck schlug die sensible Anneka die Hand vor den Mund.
»Hast du eine Ahnung, was ihm fehlen könnte?«, erkundigte sich Felicitas bekümmert. Auch sie ließ das Schicksal der verzweifelten Patientin und ihres Lieblings nicht kalt.
Hasher schüttelte den Kopf. »Ich muss das Pferd selbst sehen. Frau Kühn hat mich gebeten, so schnell wie möglich zum Gestüt zu kommen«, erwiderte er. »Wir haben für morgen einen Termin vereinbart. Hoffentlich ist es dann noch nicht zu spät.«
Daniel hatte sich auf die Linksabbiegerspur eingeordnet und wartete auf eine Lücke im Verkehr.
»Ich