E. T. A. Hoffmann

Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann


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auf der Nase, Beutel an der Seite; Die jugendliche Hose wohl geschont, 'Ne Welt zu weit für die verschrumpften Lenden; Die tiefe Männerstimme, umgewandelt Zum kindischen Diskante, pfeift und quäkt In seinem Ton!

      Berganza. Du hast deinen Shakespeare wacker auf der Zunge! – Genug, der komische Alte, der nicht unterließ, alles höchlich zu bewundern, was meine Dame unternahm, war nun tot, und die Zirkel auf einige Zeit gestört, bis der Sohn eines Hausfreundes von der Akademie zurückkam und eine Anstellung erhielt, da wurde das Haus meiner Dame wieder lebendiger.

      Ich. Wie geschah das?

      Berganza. Kurz und gut, Cäcilia wurde an Monsieur George (so nannte ihn der schwindsüchtige Papa, dessen Bild mit Wasser in Wasser gemalt noch zu kräftig werden würde) verheiratet, und die Hochzeitsnacht führte die unglückliche Katastrophe herbei, welche mich herbrachte.

      Ich. Was? Cäcilia verheiratet? – und wie ging es mit den Galanterien des Dichters und des Musikers?

      Berganza. Könnten Lieder töten, so wäre George gewiß nicht am Leben geblieben. – Madame hatte seine Ankunft mit vielem Pomp verkündigt, und das war nötig, um ihn vor dem lauten Spott zu sichern, den sonst sein linkisches Betragen, seine bis zum Ekel wiederholten Erzählungen nichtsbedeutender Dinge hervorgebracht haben würden. – Er hatte sichtlich früh an dem Übel gelitten, das den armen Campuzano in das Hospital der Auferstehung brachte; dassowie vielleicht noch andere Jugendsünden, mochte auf seinen Verstand gewirkt haben. Seine ganze Phantasie drehte sich um die Begebenheiten seiner akademischen Jahre, und zur Würze dienten ihm, war er unter Männern, die niedrigsten Zoten, wie ich sie kaum in den Wachstuben und gemeinen Schenken gehört habe, welche er mit sichtlichem Behagen und großer Freude nicht aufhören konnte zu erzählen. Waren Damen zugegen, so rief er diesen oder jenen in die Ecke des Zimmers und machte durch ein schallendes Gelächter bei dem Schlusse der Erzählung der Gesellschaft bemerkbar, daß das wieder ein ganz verfluchter Spaß gewesen sei. Du kannst denken, lieber Freund, daß dieser unsaubre Geist unter den höher Gesinnten des Zirkels einigen Abscheu und Ekel erregen mußte.

      Ich. Aber Cäcilia, die kindliche reine Cäcilia, wie konnte sie nur einen solchen verworfenen Menschen –?

      Berganza. O mein Freund, den künstlichen Schlingen des Teufels, der jede Gelegenheit benutzt, seinen Hohn gegen die Menschen in gewaltsamen Kontrasten recht auszulassen – denen ist es sehr schwer zu entgehen. George näherte sich Cäcilien im Einverständnisse mit der Mutter. Er wußte durch anscheinend unbedeutende, aber mit der Erfahrung des abgefeimten Lüstlings wohlberechnete Liebkosungen ihre Sinnlichkeit zu reizen; er wußte durch manche leicht verhüllte Zote ihre Neugierde auf gewisse Geheimnisse zu leiten, die nun sie mit magischer Kraft umfingen, und begierig zog die unbefangene kindliche Seele, einmal in den verderblichen Kreis hineingelockt, den giftigen Dunst ein, von dem betäubt, sie sich als Opfer der unglückseligsten Konvenienz hingeben sollte.

      Ich. Der Konvenienz?

      Berganza. Was anders! – Madames zerrüttete Vermögensumstände machten die Verbindung mit dem reichen Hause wünschenswert, und all die hohen Kunstaussichten und Ansichten, von denen man in so vielen wohlgestellten Floskeln und Phrasen gesprochen, gingen darüber zum Teufel! –

      Ich. Aber noch kann ich immer nicht begreifen, wie Cäcilia –

      Berganza. Cäcilia hatte noch nie geliebt, jetzt nahm sie die gereizte Sinnlichkeit für jenes hohe Gefühl selbst, und konnte das siedende Blut jenen göttlichen Funken, der sonst in ihrer Brust brannte, auch nicht verlöschen, so glimmte er doch nur mühsam fort und konnte nicht mehr zur reinen Flamme auflodern. – Kurz, die Heirat wurde vollzogen.

      Ich. Aber deine Katastrophe, lieber Berganza –

      Berganza. Die ist nun, nachdem das Wichtigste vorüber, mit wenigen Worten bald erzählt. Du kannst denken, wie ich den George haßte. Er durfte in meiner Gegenwart seine ekelhaften Liebkosungen nur bis zu einem gewissen Grade steigern, gewisse ihm ganz eigne Zärtlichkeiten störte ich augenblicklich durch gewaltiges Knurren, und Georgs Versuch, mich einmal mit einer Ohrfeige zur Ruhe zu verweisen, bestrafte ich mit einem tüchtigen Biß nach der Wade, die ich ausgerissen hätte, wenn es möglich gewesen wäre, etwas anderes zu fassen als den festen Knochen. Da stieß das Männlein einen Schrei aus, der bis in das dritte Zimmer nachgellte, und schwur mir den Tod. Cäcilia behielt mich dessenunerachtet lieb; sie bat für mich, aber mich mitzunehmen, so wie sie es im Sinne hatte, daran war nicht zu denken, alles war dagegen, weil ich nach das Bräutigams Wade geschnappt, wiewohl der unentschiedene Charakter, der noch zuweilen ins Haus kam, keck behauptete, Georgs Wade sei eine Negation, ein Non-Ens, die Sünde dagegen daher unmöglich, in Nichts könne man nicht hineinbeißen u.s.w. Ich sollte bei Madame bleiben. Welch ein trauriges Verhängnis! Am Hochzeitstage spät abends machte ich mich heimlich davon; als ich aber bei Georgs hell erleuchtetem Hause vorüberkam und die Haustür weit geöffnet sah, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, von Cäcilien, koste es, was es wolle, noch einmal ganz nach meiner alten Art Abschied zu nehmen. Ich schlich mich daher mit den hineinströmenden Gästen die Treppe hinauf, und mein Glücksstern ließ mich die freundliche Lisette, Cäciliens Kammermädchen, finden, die mich in ihr Stübchen lockte, wo mir bald ein stattliches Stück Braten entgegendampfte. Ich fraß im Zorn und Grimm, und um mich zu der mir wahrscheinlich bevorstehenden weiten Reise recht zu stärken, alles hinein, was sie mir gegeben, und schlich dann in den erleuchteten Korridor. In dem Gedränge der auf – und abtreibenden Bedienten, der Zuschauer, die sich eingefunden, bemerkte mich niemand. Ich schnupperte und spürte bedächtig umher, und mein feines Organ verriet mir Cäciliens Nähe; eine halbgeöffnete Tür erlaubte mir den Eingang, und eben in dem Augenblick kam Cäcilia im prächtigen Brautputz mit einem Paar Freundinnen aus einem Nebenzimmer. Unklug wäre es gewesen, sich jetzt schon zu zeigen, ich drückte mich daher in die Ecke und ließ sie vorüber. Kaum war ich allein, als ein süßer Duft, der aus dem Nebenzimmer strömte, mich hinanlockte. Ich schlüpfte hinein und befand mich in dem herrlich geputzten duftenden Brautgemach. Eine Alabasterlampe warf ihr mildes Licht auf die Gegenstände umher, und ich erblickte Cäciliens zierliche, mit Spitzen reich besetzte Nachtkleider, die auf dem Sofa ausgebreitet lagen. Nicht umhin konnte ich, sie mit Wohlgefallen zu beschnüffeln; indem hörte ich hastige Schritte in dem Nebenzimmer und eilte, mich in einem Winkel neben dem Brautbette zu verstecken. Cäcilia trat erhitzt hinein, Lisette folgte ihr, und in wenigen Minuten war das reiche Gewand mit dem einfachen Nachtkleide vertauscht. – Wie schön sie war! – Ich kroch leise winselnd hervor! – »Was, du da, mein treuer Hund?« rief sie, und meine plötzliche Erscheinung in dieser Stunde schien auf eine ganz eigne gespenstische Weise sie anzuregen, denn eine plötzliche Blässe überflog ihr Gesicht, und die Hand nach mir ausstreckend, schien sie sich überzeugen zu wollen, ob ich denn wirklich da oder ob ich nur ein Phantom sei. Seltsame Ahnungen mußten sie durchdringen, denn Tränen stürzten ihr aus den Augen, und sie sagte: »Geh! geh! treuer Hund, nun muß ich alles verlassen, was mir bisher lieb war, weil ich ihn habe, ach, sie sagen ja, er wird mir alles ersetzen; er ist auch wirklich ein recht guter Mann, er meint es gut, wenn auch bisweilen – doch ich versteh' es ja nicht – nun geh, geh!« – Lisette öffnete die Tür, ich kroch aber unter das Bett, Lisette sagte nichts, und Cäcilia hatte es nicht bemerkt. – Sie war allein und mußte bald dem ungeduldigen Bräutigam die Tür öffnen; er schien berauscht, denn er ergoß sich in den pöbelhaftesten Zoten und mißhandelte die zarte Braut mit seinen plumpen Liebkosungen. Wie er nun so schamlos mit der nie zu befriedigenden Begier des entnervten Lüstlings die geheimsten Reize des keuschen Mädchens enthüllte, wie sie, dem Opferlamm gleich, still weinend unter seinen rohen Fäusten litt, das machte mich schon toll, – ich murrte unwillkürlich, aber niemand hörte es. – Nun nahm er Cäcilien in seine Arme und wollte sie ins Bett tragen, aber der Wein wirkte immer mehr, und er taumelte mit ihr gegen den Bettpfosten, der sie an den Kopf traf, daß sie aufschrie. Sie riß sich aus seinen Armen und stürzte sich ins Bett. »Liebchen, bin ich besoffen? – sei nicht böse, Liebchen«, stammelte er mit fallender Zunge, indem er seinen Schlafrock herunterriß und ihr nachwollte. Aber im jähen Schreck über die entsetzliche Mißhandlung des elenden Schwächlings, der in der keuschen, engelreinen Braut nur das feile Freudenmädchen sah, schrie sie auf in schneidendem Jammer: »Ich Unglückselige,