Thomas Röper

Spieglein, Spieglein in der Hand


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die darauffolgende Nato-Osterweiterung, denn seither stehen in der Folge US-Soldaten an den russischen Grenzen. Hinzu kommt, dass die Regierung von Bush-Senior Gorbatschow versprochen hatte, dass sich die Nato nach der deutschen Wiedervereinigung „keinen Zoll nach Osten“ ausdehnen werde. Wer dies für russische Propaganda hält, kann sich in einem Video4 überzeugen, wie Genscher oder auch US-Außenminister Baker sich dazu damals geäußert haben. Gorbatschow war naiv genug, sich dies nicht schriftlich geben zu lassen. Hier hat die Nato also kein Abkommen verletzt, aber ein gegebenes Versprechen gebrochen. Natürlich wurde auch dies bei Arte nicht erwähnt. Da muss man sich nicht wundern, dass Russland nach diesem und anderen Wortbrüchen sehr skeptisch ist, wenn der Westen etwas verspricht.

      Zu den auf den Ukraine-Konflikt gefolgten Sanktionen sagt Arte, Russland sei von der EU abhängig – ob das stimmt, sei einmal dahingestellt. Dann kommt bei Arte die abgedroschene Behauptung, Russland würde seine Gaslieferungen als Druckmittel einsetzen. Arte erklärt aber nicht, wie das geschieht und bringt keine Beispiele. Das ist wenig verwunderlich, denn es gibt keine. Russland ist seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Lieferant für Europa und es gab nie Probleme, auch keinen politischen Druck aus Russland. Aber es klingt einfach zu gut, das konnte Arte wohl nicht weglassen.

      Natürlich geht es in einer solchen Sendung auch nicht ohne die angebliche russische Einmischung in die US-Wahlen und die französische Präsidentschaftswahl. Aber auch hier werden keine Details geliefert und kein Wort darüber verloren, dass selbst zwei Jahre, nachdem diese Vorwürfe erstmals erhoben wurden, noch immer keinerlei Beweise vorliegen. Sonderermittler Mueller hat bereits Millionen verpulvert, und alles, was er erreicht hat, sind ein paar Anklagen wegen Steuerhinterziehung, aber nichts zum Thema Russland.

      Und dann tut Russland laut Arte etwas ganz Böses: Es finanziert Medien wie RT und Sputnik, die die russische Sicht der Dinge verbreiten sollen. Gut, dass niemand sonst solche Schweinereien betreibt! Hat man bei Arte vergessen, dass Arte selbst ein staatlich finanzierter Sender ist, der ausgerechnet mit Filmen wie diesem nichts anderes tut, als die westliche Sicht der Dinge zu verbreiten? Und was ist mit der Deutschen Welle, Radio Liberty und wie all die staatlichen Auslandssender der westlichen Staaten heißen, die nichts anderes tun als RT und Sputnik? Aber wenn Russland das tut, dann ist das natürlich ganz etwas Schlechtes.

      Noch lustiger wird es, als Arte zum Fall Skripal kommt. Arte beruft sich auf „Experten“, die der Meinung sind, dass Russland den Mordanschlag verübt habe, um die Reaktion des Westens zu testen. Dass bis heute absolut unklar ist, was mit den Skripals passiert ist, interessiert Arte nicht – für Arte steht Russlands Täterschaft so fest, dass man gleich „Experten“ zitiert, allerdings ohne diese zu benennen. Dabei hätte mich wirklich interessiert, was das wohl für „Experten“ gewesen sind.

      Dann geht es um die im Westen weitgehend unbekannte Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, die Russland und China gegründet haben und der inzwischen auch Indien und Pakistan und viele andere asiatische Länder beigetreten sind. Die Organisation soll den Handel und kulturellen Austausch fördern. Nachdem nun der größte Teil Asiens beigetreten ist, sagt Arte, dass es sich „laut Moskau“ nun um eine „globale Organisation, die über die Hälfte der Weltbevölkerung“ vertrete, handelt. Aber warum „laut Moskau“? Für einen Redakteur bei Arte klingt es offenbar gut, wenn man sagen kann, dass Moskau etwas behauptet, doch ein Blick auf die Liste der Mitgliedsländer zeigt, dass die Formulierung durchaus korrekt ist.

      Und nicht zuletzt unterstellt Arte Russland Großmachtstreben, weil es sich in Syrien eingemischt hat und laut Arte nur deshalb dabei Erfolg hat, weil die Europäer und die USA so zerstritten sind. Ich frage mich allerdings, wo es zwischen der EU und den USA Streit zum Thema Syrien gab? Erst seit Trump ankündigte, seine Soldaten abzuziehen, gibt es dazu Meinungsverschiedenheiten, vorher jedoch nicht. Und dass der Einsatz von westlichen Soldaten und Flugzeugen in Syrien ein grober Verstoß gegen das Völkerrecht ist, das so etwas nur erlaubt, wenn der UNO-Sicherheitsrat es genehmigt hat, wird vorsichtshalber ganz verschwiegen. De facto führt der Westen, also auch Deutschland und Frankreich, in Syrien einen illegalen Angriffskrieg. Aber das erwähnt Arte lieber auch nicht.

      Wer will nach einem solchen Beitrag von einem staatlich finanzierten Sender wie Arte noch daran zweifeln, dass es im Westen Propaganda gibt?

      1 https://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/24thReportUkraineAugust_November2018_EN.pdf

      2 ISBN-10: 3941956787

      3 https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine

      4 https://www.youtube.com/watch?v=6Qiex1nEWp4&t=6s

      Die Arte-Sendereihe „Mit offenen Karten“ müsste „Mit gezinkten Karten“ heißen

      Vom 15. Januar 2019

      Ich bin gestern auf die Sendereihe „Mit offenen Karten“ von Arte gestoßen, die ich zuvor nicht kannte und habe bereits über die aktuelle Sendung geschrieben, die ein Paradebeispiel für Propaganda im Fernsehen ist, da sie nicht nur einseitig berichtet, sondern es dabei auch mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt, wie ich gestern aufgezeigt habe.

      Heute habe ich mir die Sendereihe einmal näher angesehen und muss leider sagen, dass sich mein erster Eindruck bestätigt hat. Arte verbreitet dort Unwahrheiten und Desinformation in Serie, und es geht oft um den aktuellen „Hauptfeind“ der Nato, um Russland. Und das auch unter Überschriften, die mit Russland zunächst gar nichts zu tun haben. Die Sendung ist also tatsächlich nichts weiter als ein Sprachrohr der Nato.

      Von den letzten fünf Sendungen hatten zwei Russland als Thema, und natürlich ist Russland ganz böse und bedroht alle seine Nachbarn. Um das zu zeigen, muss man die Wahrheit schon ein wenig verdrehen, aber dazu scheint sich die Redaktion nicht zu schade zu sein. Über ein Beispiel habe ich gestern berichtet, das zweite Beispiel ist vom November und beschäftigt sich unter dem Titel „Schweden – Alptraum im Ostseeraum“ eigentlich mit Schweden. Aber der „Alptraum im Ostseeraum“ ist natürlich wieder Russland.

      Nachdem es zunächst um die Geschichte Schwedens seit dem Mittelalter ging, wurde die Nachkriegszeit beleuchtet. Es begann damit, dass die Nato 1949 gegründet wurde, um sich „gegen die Sowjetunion zu verteidigen“. Vergessen wird dabei, dass die Sowjetunion schon damals die deutsche Wiedervereinigung angeboten hatte, wenn Deutschland danach – wie Österreich – neutral bleiben würde. Im Gegensatz zu den USA war die Sowjetunion zu diesem Zeitpunkt also durchaus bereit, auf Einflusszonen zu verzichten, anstatt sie auszudehnen. Und dass der Warschauer Pakt erst 1955 gegründet wurde – und zwar als Reaktion auf die kompromisslose Haltung der Nato – wird ebenfalls nicht erwähnt.

      Jeder kann dazu stehen, wie er möchte, und die Sowjetunion war natürlich eine Diktatur, aber die historischen Fakten sind, wie sie sind.

      Auch die Neutralität Schwedens im Kalten Krieg wurde angeführt, jedoch blieb unerwähnt, dass Schweden zwar ein blockfreier Staat, aber keineswegs neutral war, denn Schweden war seit den 1960er Jahren ein fester Bestandteil der Nato-Planungen. So war zum Beispiel im Kriegsfall vorgesehen, die US-Flugzeuge aus Deutschland nach Schweden zu evakuieren und die UdSSR von Schweden aus anzugreifen, weil Deutschland schon Tage nach Beginn eines solchen Krieges nuklear verseucht gewesen wäre. Schweden war also keineswegs neutral, aber offenbar interessieren solche Fakten Arte nicht.

      Im weiteren Verlauf der Sendung ging es häufig um die Ostsee, die nach den Worten von Arte nach dem Kalten Krieg endlich „aus einem sowjetischen Meer des Kalten Krieges zu einer friedlichen europäischen See“ wurde. Kann mir jemand erklären, was die Ostsee zu einem „sowjetischen Meer“ gemacht hat? Arte versucht es zwar, indem gesagt wird, dass über die wichtigsten Ostseehäfen der Sowjetunion 25 % des