ein Gewehr schulterte.
»Nein, es ist nur der Karrenführer,« sagte Benassis. »Bewundern Sie ein wenig, wie der industrielle Wohlstand des Herrn sich in allem, selbst in der Ausrüstung dieses Wagenführers widerspiegelt! Ist das nicht das Anzeichen einer auf dem flachen Lande ziemlich seltenen kommerziellen Intelligenz?«
»Ja, ja, all das scheint mit vieler Sorgfalt gearbeitet,« erwiderte der Offizier.
»Nun, Vigneau besitzt zwei ähnliche Fahrzeuge. Außerdem hat er das kleine Reitpferd, auf dem er seinen Geschäften nachgeht; denn sein Handel dehnt sich jetzt sehr weit aus; und vier Jahre vorher besaß dieser Mann nichts! Ich irre mich, er hatte Schulden ... Doch gehen wir hinein.«
»Madame Vigneau muss wohl zu Hause sein, Junge?« fragte Benassis den Karrenführer.
»Sie ist im Garten, Herr; ich sah sie eben dort über die Hecke weg; ich will sie von Ihrer Ankunft benachrichtigen.«
Genestas folgte Benassis, der ihn ein weites, durch Hecken abgeschlossenes Gelände durchqueren ließ. In einer Ecke waren die für die Ziegel- und Fliesenherstellung nötigen weißen Erden und der Ton aufgeschichtet, auf der anderen Seite lagen Reisig- und Holzbündel in Haufen für den Ofen. Weiter fort, auf einem mit Gittern umgebenen freien Platze zerkleinerten mehrere Arbeiter weiße Steine oder formten die Erden zu Backsteinen. Dem Eingang gegenüber unter den hohen Ulmen fand die Fabrikation von runden und viereckigen Ziegeln statt; auf einem großen Platz im Grünen, der durch die Dächer der Trockenschuppen abgeschlossen wurde, in deren Nähe man den Ofen mit seiner weiten Öffnung, seinen langen Schaufeln, seinem hohlen und schwarzen Gange sah. Es befand sich dort, parallel mit diesen Gebäuden, ein Bauwerk von ziemlich elendem Aussehen, das der Familie als Wohnung diente, und wo die Remisen, die Pferde-, Kuhställe und die Scheune untergebracht waren. Geflügel und Schweine trieben sich auf dem großen Areal herum. Die Sauberkeit, die in diesen verschiedenen Gebäuden herrschte, und ihr guter Ausbesserungszustand bezeugten die Wachsamkeit des Herrn.
»Vigneaus Vorbesitzer«, sagte Benassis, »war ein Unglücksmensch, ein Nichtstuer, der nur den Trunk liebte. Früher Arbeiter, verstand er seinen Ofen zu heizen und seine Löhne zu bezahlen, das war alles; im übrigen besaß er weder Tätigkeitsdrang noch kaufmännischen Geist. Wenn die Käufer nicht zu ihm kamen und seine Waren abholten, blieben sie da, wurden schlechter und verdarben. Er starb denn auch Hungers. Seine Frau, die er durch schlechte Behandlung fast schwachsinnig gemacht hatte, verkam im Elend. Diese Faulheit, diese unheilbare Stupidität haben mir so viel zu schaffen gemacht, und der Anblick dieser Fabrik war mir derartig unangenehm, dass ich es vermied, hier vorbeizukommen. Glücklicherweise waren Mann und Frau alt. Eines schönen Tages hatte der Ziegelbrenner einen Paralyseanfall, und ich ließ ihn sofort im Grenobler Hospital unterbringen. Der Besitzer der Ziegelei willigte ein, sie ohne Widerrede in dem Zustande, in dem sie sich befand, zurückzunehmen, und ich suchte neue Mieter, die an den Verbesserungen, die ich in allen Industrien des Bezirks einführen wollte, sich beteiligen konnten. Der Gatte einer Kammerfrau Madame Graviers, ein armer Arbeiter, der sehr wenig Geld bei einem Töpfer, wo er arbeitete, verdiente, und seine Familie nicht erhalten konnte, hörte von meinen Absichten. Der Mann besaß Mut genug, unsere Ziegelei in Pacht zu nehmen, ohne einen roten Heller zu haben. Er richtete sich hier ein, lehrte seine Frau, die alte Mutter seiner Frau und seine eigene Dachziegel formen und machte sie zu seinen Arbeitern. Bei meiner Ehre, ich weiß nicht, wie sie sich einrichteten. Wahrscheinlich borgte sich Vigneau das Holz, um seinen Ofen zu heizen, zweifelsohne holte er seine Materialien nachts tragkorbweise und verarbeitete sie tagsüber. Kurz, er entfaltete heimlich eine grenzenlose Energie, und die beiden alten Mütter in Lumpen arbeiteten wie Neger. Vigneau wusste so einige Öfen voll zu brennen und verbrachte das erste Jahr, indem er durch die Schweißtropfen seines Haushalts teuer bezahltes Brot aß; aber er hielt durch. Sein Mut, seine Geduld, seine guten Eigenschaften erweckten die Anteilnahme vieler Leute für ihn, und er wurde bekannt. Unermüdlich lief er des Morgens nach Grenoble, verkaufte dort seine Ziegel und Backsteine; dann kehrte er um Mittag nach Hause zurück und kam in der Nacht wieder in die Stadt; er schien sich zu vervielfachen. Gegen Ende des ersten Jahres stellte er zwei kleine Jungen als Helfer ein. Als ich das sah, lieh ich ihm einiges Geld. Nun verbesserte sich das Los dieser Familie von Jahr zu Jahr. Seit dem zweiten Jahre machten die beiden alten Mütter keine Ziegel, zerstießen keine Steine mehr; sie bearbeiteten die kleinen Gärten, kochten Suppe, flickten Kleider, spannen des Abends und gingen tagsüber ins Holz. Die junge Frau, die lesen und schreiben kann, führte die Bücher. Vigneau hatte ein kleines Pferd, um in die Umgegend zu fahren und dort Kunden zu suchen; dann studierte er die Kunst des Ziegelbrenners, fand das Mittel, schöne weiße Fliesen herzustellen und verkaufte sie unter dem üblichen Preise. Im dritten Jahre hatte er einen Karren und zwei Pferde. Als er seinen ersten Wagen bestieg, wurde seine Frau beinahe elegant. Alles in seinem Haushalte hielt sich mit seinen Gewinsten im Einklang, und stets hielt er dort Ordnung, Sparsamkeit und Sauberkeit aufrecht, die Quellen seines kleinen Vermögens. Endlich konnte er sich sechs Arbeiter halten und bezahlte sie gut. Er nahm einen Wagenführer und setzte alles bei sich auf sehr guten Fuß, kurz, nach und nach ist er, indem er seinen Verstand anstrengte und seine Arbeiten und seinen Handel ausdehnte, zu Wohlstand gelangt. Im letzten Jahre hat er sich die Ziegelei gekauft; im nächsten Jahre wird er sein Haus erneuern. Jetzt befinden sich alle diese guten Leute wohl und sind gut gekleidet. Die magere und blasse Frau, die anfangs die Sorgen und Unruhen des Herrn teilte, ist wieder rund, frisch und hübsch geworden. Die beiden alten Mütter sind sehr glücklich und sorgen für die kleinen Einzelheiten in Haus und Handel. Die Arbeit hat Geld hervorgebracht, und das Geld hat, indem es Ruhe schuf, Gesundheit, Überfluss und Freude wiedergebracht. Wahrlich, dieser Haushalt ist für mich die lebende Geschichte meiner Gemeinde und junger Handelsstaaten. Diese Ziegelei, die ich einst düster, leer, unsauber und unproduktiv sah, ist jetzt in voller Tätigkeit, voller Menschen, reich und gut versorgt. Da liegt für ein gutes Stück Geld Holz und alle Materialien, die für die Saisonarbeit nötig sind: denn, wie Sie wissen, stellt man Ziegel nur während einer bestimmten Jahreszeit zwischen Juni und September her. Macht diese Betriebsamkeit nicht Vergnügen? Mein Ziegelbrenner hat zu allen Bauten des Fleckens mit beigetragen. Stets munter, immer unterwegs, immer tätig, wird er von den Leuten des Bezirks ›der Fresser‹ genannt.«
Kaum hatte Benassis diese Worte beendigt, als eine junge, gut gekleidete Frau mit einer hübschen Haube, in weißen Strümpfen, einer seidenen Schürze, einem rosa Kleide – ein Anzug, der ein bisschen an ihren ehemaligen Kammerfrauenberuf erinnerte – die leichtvergitterte Tür, die in den Garten führte, öffnete und, so schnell es ihr Zustand erlauben mochte, herbeieilte; doch die beiden Reiter gingen ihr entgegen. Madame Vigneau war tatsächlich eine hübsche, ziemlich rundliche Frau mit gebräuntem Gesicht, dessen Haut aber weiß sein musste. Obwohl ihre Stirn einige Falten bewahrte, Spuren ihrer früheren Not, hatte sie einen glücklichen und einnehmenden Gesichtsausdruck.
»Monsieur Benassis,« sagte sie in schmeichelndem Tone, als sie ihn stehenbleiben sah, »wollen Sie mir nicht die Ehre erweisen und sich einen Augenblick bei mir ausruhen?«
»Sehr gern,« antwortete er, »kommen Sie, Rittmeister.«
»Die Herren müssen's recht warm haben! Wollen Sie ein bisschen Milch oder Wein? – Monsieur Benassis, kosten Sie doch den Wein, den mein Mann so lieb gewesen ist, für meine Niederkunft zu besorgen! Sie sollen mir sagen, ob er gut ist.«
»Sie haben einen braven Mann zum Gatten.«
»Ja, mein Herr,« antwortete sie ruhig, indem sie sich umdrehte, »ich hab' es sehr gut getroffen.«
»Wir wollen nichts genießen, Madame Vigneau; ich wollte nur sehen, ob Ihnen kein böser Zufall begegnet ist.«
»Nichts,« sagte sie. »Sie sehen, ich war im Garten mit Krauten beschäftigt, um etwas zu tun zu haben.«
In diesem Augenblicke kamen die beiden Mütter, um Benassis zu sehen, und der Karrenführer blieb unbeweglich im Hofe stehen, an einer Stelle, die ihm den Arzt zu sehen erlaubte.
»Lassen Sie sehn, geben Sie mir Ihre Hand,« sagte Benassis zu Madame Vigneau.
Er fühlte der jungen Frau mit gewissenhafter Aufmerksamkeit den Puls, indem er sich sammelte und in Schweigsamkeit verharrte. Während dieser Zeit studierten die drei Frauen den Major mit