Оноре де Бальзак

Szenen aus dem Landleben


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Graviers Zimmer steht immer bereit; kommen Sie ...«

      Sie traten ins Haus, dessen Türe vom Arzte mit einer Lebhaftigkeit aufgestoßen wurde, welche Genestas dem Vergnügen zuschrieb, einen Pensionär zu bekommen. »Jacquotte,« rief Benassis, »der Herr wird hier essen.«

      »Aber, mein Herr,« warf der Soldat ein, »würde es nicht angemessen sein, uns über den Preis einig zu werden?«

      »Den Preis wovon?« fragte der Arzt.

      »Der Pension. Sie können nicht mich und mein Pferd ernähren, ohne ...«

      »Wenn Sie reich sind,« antwortete Benassis, »werden Sie wohl bezahlen, wenn nicht, will ich nichts haben.«

      »Nichts«, sagte Genestas, »dünkt mich zu teuer. Doch, reich oder arm, würden Ihnen zehn Franken täglich, abgesehen von den Kosten für Ihre Bemühungen, recht sein?«

      »Nichts ist mir weniger recht, als irgendwelche Bezahlung für das Vergnügen, Gastfreundschaft auszuüben, anzunehmen,« erwiderte, die Brauen runzelnd, der Arzt. »Was meine Bemühungen anlangt, so werd' ich Sie Ihnen nur widmen, wenn Sie mir gefallen. Reiche sollen meine Zeit nicht kaufen, sie gehört den Leuten des Tals hier. Ich will weder Ruhm noch Vermögen, ich verlange von meinen Kranken weder Lobsprüche noch Dankbarkeit. Das Geld, das Sie mir etwa einhändigen, wird zu den Apothekern nach Grenoble wandern, um die für die Bezirksarmen unerlässlichen Medikamente zu bezahlen.«

      Wer diese brüsk, aber ohne Bitterkeit hingeworfenen Worte gehört hätte, würde sich wie Genestas innerlich gesagt haben: »Das ist wahrhaftig ein wackerer Mann!«

      »Mein Herr;« sagte der Soldat mit seiner gewohnten Hartnäckigkeit, »ich werde Ihnen also zehn Franken täglich bezahlen und Sie mögen damit tun, was Sie wollen! Das abgemacht, werden wir uns besser verstehen,« fügte er, des Arztes Hand ergreifend und sie ihm mit eindringlichster Herzlichkeit schüttelnd, hinzu: »Trotz meiner zehn Franken werden Sie wohl sehen, dass ich kein Wucherer bin.«

      Nach diesem Kampfe, in dem bei Benassis nicht das geringste Verlangen durchblickte, als edelmütiger Mann oder Philanthrop zu erscheinen, trat der angebliche Kranke in das Haus seines Arztes, wo alles im Einklang mit dem Verfall der Türe und den Kleidern des Besitzers stand. Die geringsten Dinge bezeugten die größte Sorglosigkeit dem gegenüber, was nicht von wesentlichem Nutzen war. Benassis ließ Genestas durch die Küche gehen, den kürzesten Weg, um ins Speisezimmer zu gelangen. Wenn diese verräuchert wie eine Herbergsküche, mit Geräten in genügender Menge versehen war, so war dieser Luxus das Werk Jacquottes, einer ehemaligen Pfarrersköchin, die »wir« sagte und den Arzthaushalt als Alleinherrscherin regierte. Wenn es dort über dem Kaminmantel einen sehr blanken Bettwärmer gab, so liebte Jacquotte wahrscheinlich warm zu schlafen im Winter, und wärmte auf diesem Umweg die Leintücher ihres Herrn, der, wie sie sagte, an nichts dachte; Benassis aber hatte sie gerade aus dem Grunde genommen, der für jeden anderen einen unerträglichen Fehler bedeutet hätte: Jacquotte wollte im Hause herrschen, und der Arzt hatte eine Frau zu finden gewünscht, die bei ihm herrsche. Jacquotte kaufte, verkaufte, machte zurecht, veränderte, stellte auf und verrückte, ordnete an und stellte um – alles nach ihrem Belieben, niemals hatte ihr Herr ihr eine einzige Einwendung gemacht. Auch betreute Jacquotte ohne Kontrolle den Hof, den Stall, den Knecht, die Küche, das Haus, den Garten und den Herrn. Nach ihrem eigenen Dafürhalten wechselte sie das Leinzeug, hielt sie Wäsche und speicherte sie Vorräte auf. Sie entschied über den Eingang ins Haus und über den Tod der Schweine, schalt den Gärtner, setzte die Speisefolge des Frühstücks und des Mittagessens fest, ging vom Keller nach dem Speicher, vom Speicher in den Keller, indem sie dort nach ihrer Laune schaltete und waltete, ohne irgendwelchen Widerstand zu finden. Benassis hatte nur zwei Dinge gewünscht: um sechs Uhr zu Mittag zu essen und monatlich nur eine bestimmte Summe zu verausgaben. Eine Frau, der alles gehorcht, singt immer: auch Jacquotte lachte, schlug wie eine Nachtigall auf den Treppen, immer trällernd, wenn sie nicht sang, und singend, wenn sie nicht trällerte. Von Natur aus sauber, wie sie war, hielt sie das ganze Haus sauber. Wenn ihr Geschmack anders gewesen wäre, würde Monsieur Benassis recht unglücklich gewesen sein, meinte sie; denn der arme Mann passte so wenig auf, dass man ihm Kohl für Rebhühner hätte vorsetzen können; ohne sie würde er dasselbe Hemd häufig acht Tage über anbehalten haben. Doch Jacquotte war eine unermüdliche Wäschezusammenlegerin, Möbelabstauberin aus Charakter, und Liebhaberin einer ganz geistlichen Sauberkeit, der peinlichsten, blendendsten und angenehmsten aller Sauberkeiten. Als erbliche Feindin des Staubs entstaubte, wusch und plättete sie unaufhörlich. Der Zustand der äußeren Türe verursachte ihr lebhaften Kummer. Seit zehn Jahren entlockte sie ihrem Herrn an jedem Monatsersten das Versprechen, die Türe neu machen, die Mauern des Hauses frisch weißen und alles hübsch herrichten zu lassen; und der Herr hatte sein Wort noch nicht gehalten. Auch unterließ sie, wenn sie Benassis' unendliche Unbekümmertheit beklagte, es selten, folgende entscheidende Phrase, mit der alle Lobsprüche über ihren Herrn endigten, zu äußern:

      »Man kann ja nicht sagen, dass er dumm ist, da er ja beinahe Wunder im Orte tut, doch manchmal ist er trotz alledem dumm, und zwar so dumm, dass man ihm wie einem Kinde alles in die Hand geben muss!«

      Jacquotte liebte das Haus wie etwas, was ihr gehörte. Hatte sie, nachdem sie zweiundzwanzig Jahre über dort gewohnt hatte, übrigens nicht vielleicht das Recht, sich darüber zu täuschen? Als Benassis ins Land kam und das Haus infolge des Todes des Pfarrers verkäuflich fand, hatte er alles gekauft, Mauern und Grund, Möbel, Tafelgeschirr, Wein, Hühner, die alte Wanduhr mit Figurenwerk, das Pferd und die Dienerin. Jacquotte, das Modell einer Küchenfee, hatte einen vollen Oberleib, der unwandelbar in braunen, mit roten Punkten gemusterten Kattun gekleidet, der geschnürt und dermaßen zusammengepresst war, dass man glauben musste, der Stoff würde bei der geringsten Bewegung auseinanderbrechen. Sie trug ein rundes, gekräuseltes Häubchen, unter dem ihr etwas bleiches Gesicht mit dem Doppelkinn noch weißer aussah, als es in Wirklichkeit war. Klein, beweglich, im Besitze einer flinken, fleischigen Hand, sprach Jacquotte laut und beständig. Wenn sie einen Augenblick schwieg und den Rand ihrer Schürze fasste, um sie zum Dreieck zusammenzulegen, so kündigte diese Geste eine lange, an den Herrn oder den Diener gerichtete Vorstellung an. Von allen Köchinnen des Königreichs war Jacquotte sicherlich die glücklichste. Um ihr Glück so vollständig zu machen, wie ein Glück hienieden sein kann, sah sich ihre Eitelkeit fortwährend befriedigt; der Flecken sah sie für eine Autorität an, die zwischen Bürgermeister und Flurhüter stand.

      Als der Bürgermeister in die Küche trat, fand er dort niemanden vor.

      »Wo, zum Teufel, sind sie denn hingegangen?« rief er. »Verzeihen Sie mir,« fuhr er, sich an Genestas wendend, fort, »dass ich Sie hier einführe. Der Haupteingang führt durch den Garten, aber ich bin so wenig gewöhnt, Leute zu empfangen, dass... – Jacquotte!«

      Bei diesem, beinahe gebieterisch gerufenen Namen antwortete eine Frauenstimme im Hausinnern. Einen Augenblick hernach ging Jacquotte zum Angriff über, indem sie ihrerseits Benassis rief, der prompt in das Esszimmer kam.

      »Ja, so sind Sie, Herr,« sagte sie, »so machen Sie's immer. Stets laden Sie Leute zum Essen ein, ohne es mir zu sagen, und glauben dann, alles sei abgemacht, wenn Sie ›Jacquotte‹ gerufen haben. Haben Sie den Herrn da nicht in der Küche empfangen? Musste man nicht den Salon aufmachen und dort Feuer anzünden. Nicolle ist dort und wird alles besorgen. Jetzt führen Sie Ihren Herrn ein bisschen im Garten spazieren; das wird den Mann unterhalten. Wenn er die hübschen Sachen liebt, so zeigen Sie ihm doch den Hagebuchengang des verstorbenen Herrn; ich werde dann Zeit gewinnen, um alles vorzubereiten: das Essen, das Tischdecken und den Salon.«

      »Ja. Aber, Jacquotte,« fuhr Benassis fort, »der Herr will hierbleiben. Vergiss nicht, ein Auge in Monsieur Graviers Zimmer zu werfen, die Leintücher und alles nachzusehen, und ...«

      »Wollen Sie sich jetzt auch um die Bett-Tücher kümmern?« erwiderte Jacquotte. »Wenn er hier schläft, weiß ich genau, was man für ihn tun muss. Seit zehn Monaten sind Sie nicht ein einziges Mal in Monsieur Graviers Zimmer gegangen. Es gibt dort nichts nachzusehen, es ist rein wie mein Auge... Der Herr wird also hierbleiben,« fügte sie in einem sanfteren Tone hinzu.

      »Ja.«

      »Wie lange?«

      »Meiner