Drängen besiegt, hatte er sich meinen Forderungen gegenüber schon sehr gefällig erwiesen; es gelang mir, ihm begreiflich zu machen, dass er ohne sein Wissen für sich selber gearbeitet hatte. Nach mehrtägigen Vorstellungen, Verhandlungen, Besprechungen von Bauanschlägen, nachdem ich mein Vermögen verpfändet hatte, um ihn vor dem Risiko eines Unternehmens zu sichern, von dem ihn seine Frau, die kurzen Verstandes ist, abzuschrecken suchte, willigte er ein, hier vier Pachthöfe zu je hundert Arpents zu bauen und versprach die für die Urbarmachung, den Saatankauf, die Ackergeräte, die Tiere und für die Anlegung der Nutzungswege notwendigen Summen vorzustrecken. Ich meinerseits baute zwei Pachthöfe, ebensosehr um meine öden Grundstücke der Kultur zu unterwerfen, wie um durch das Beispiel die nutzbringenden Methoden moderner Agrikultur darzulegen. Innerhalb von sechs Wochen vermehrte der Flecken sich um dreihundert Bewohner. Sechs Pachthöfe, wo mehrere Haushaltungen wohnen mussten, die Bewerkstelligung ungeheurer Urbarmachungen und die Ausführung der nötigen Landarbeiten riefen Arbeiter herbei. Stellmacher, Erdarbeiter, Gesellen und Tagelöhner strömten herbei. Die Straße nach Grenoble war mit Karren, Gehenden und Kommenden bedeckt.
Es herrschte eine allgemeine Bewegung im Lande. Die Geldzirkulation ließ bei jedermann den Wunsch wach werden, daran teilzuhaben; die Apathie war gewichen, der Flecken war aufgewacht. In zwei Worten endige ich Monsieur Graviers Geschichte, eines der Wohltäter dieses Bezirks. Trotz des bei einem Provinzstädter, einem Büromenschen, ziemlich natürlichen Misstrauens hat er im Glauben an meine Versprechungen mehr als vierzigtausend Franken vorgestreckt, ohne zu wissen, ob er sie wiederbekommen würde. Jede seiner Pachtungen ist heute für tausend Franken vergeben; seine Pächter haben ihre Angelegenheiten so wohl verrichtet, dass jeder von ihnen mindestens hundert Arpents Land, hundert Schafe, zwanzig Kühe, zehn Ochsen, fünf Pferde besitzt und mehr als zwanzig Personen beschäftigt. Ich fahre fort: Im Laufe des vierten Jahres wurden unsere Pachthöfe fertig. Wir hatten eine Getreideernte, die den Landleuten wunderbar erschien, überreich, wie sie auf einem jungfräulichen Boden sein musste.
Das Jahr über habe ich oft für mein Werk gezittert! Regen oder Trockenheit konnten meine Arbeit vernichten, indem sie das Vertrauen, welches ich bereits einflößte, verminderten. Die Getreidekultur machte die Mühle notwendig, die Sie gesehen haben, und die mir etwa fünfhundert Franken jährlich einträgt. Auch sagten die Bauern in ihrer Sprache, dass ich »Schwein habe«, und glauben an mich wie an ihre Reliquien. Diese neuen Gebäulichkeiten, die Pachtungen, die Mühle, die Anpflanzungen, die Wege haben allen den Handwerksleuten, die ich hierhergezogen hatte, Arbeit verschafft. Obwohl unsere Gebäude die sechzigtausend Franken, die wir ins Land gesteckt haben, gut repräsentieren, wurde uns dies Geld reichlich durch die Einkünfte, welche die Konsumenten schaffen, zurückerstattet. Meine Bemühungen, die entstehende Industrie zu beleben, ließen nicht nach. Auf meinen Rat ließ sich ein Baumschulgärtner in dem Flecken nieder, wo ich den Ärmsten predigte, Obstbäume zu kultivieren, um eines Tages das Monopol des Obstverkaufs in Grenoble erobern zu können. ›Ihr tragt Käse hin,‹ sagte ich zu ihnen, ›warum nicht Geflügel, Eier, Gemüse, Wildbret, Heu, Stroh usw. dorthin bringen?‹ Jeder meiner Ratschläge war ein Glücksquell für den, der sie befolgte. Es bildete sich also eine Menge kleiner Geschäfte, deren erst langsame Fortschritte von Tag zu Tag schneller geworden sind. Jeden Montag fahren jetzt vom Flecken nach Grenoble mehr als sechzig mit unseren verschiedenen Produkten angefüllte Karren und man erntet mehr Buchweizen, um das Geflügel zu füttern, als man ehedem für menschliche Ernährung aussäte.
Als der Holzhandel zu beträchtlich geworden war, teilte er sich in verschiedene Zweige. Seit dem vierten Jahre unserer industriellen Ära haben wir Händler für Brennholz, Bauholz, Bretter, Borken, dann Köhler bekommen. Endlich haben sich vier neue Planken- und Dielenschneidemühlen etabliert. Als der ehemalige Bürgermeister einige kommerzielle Ideen zu fassen imstande war, hat er die Notwendigkeit eingesehen, lesen und schreiben zu lernen. Er hat den Holzpreis in den verschiedenen Orten verglichen, hat dabei derartige Differenzen zum Vorteile seines Betriebes bemerkt, dass er sich von Platz zu Platz neue Kunden erworben hat; und er versorgt heute den dritten Teil der Provinz. Unsere Transporte haben sich so plötzlich vermehrt, dass wir drei Stellmacher und zwei Sattler beschäftigen, und jeder von ihnen hat mindestens drei Gehilfen. Kurz, wir verbrauchen soviel Eisen, dass sich ein Zeugschmied im Flecken niedergelassen hat und sich sehr wohl dabei befindet. Das Verlangen nach Gewinst entwickelt einen Ehrgeiz, der meine Gewerbetreibenden seitdem veranlasst hat, vom Flecken aus auf den Bezirk und vom Bezirk aus auf die Provinz zu wirken, um ihre Profite zu vermehren, indem sie ihren Absatz vermehren. Ich brauchte nur ein Wort zu sagen, um ihnen neue Absatzwege anzuzeigen, ihr gesunder Menschenverstand tut das übrige. Vier Jahre hatten genügt, um das Aussehen dieses Fleckens zu verändern. Als ich hier eingezogen war, hatte ich nicht das geringste Geräusch vernommen; bei Beginn des fünften Jahres aber war hier alles voll Leben und Seele. Die frohen Gesänge, der Lärm der Werkstätten und die dumpfen oder scharfen Geräusche der Werkzeuge tönten lieblich in meinen Ohren wider. Ich sah eine tätige, in einem neuen, sauberen, gesunden, schön mit Bäumen bepflanzten Flecken angesammelte Bevölkerung kommen und gehn. Jeder Einwohner hatte das Bewusstsein seines Wohlstandes, und alle Gesichter zeigten die Zufriedenheit, welche ein nutzbringend beschäftigtes Leben verleiht.
Diese fünf Jahre bilden in meinen Augen die jungen Jahre des gedeihlichen Lebens unseres Fleckens,« fuhr der Arzt nach einer Pause fort. »Während dieser Zeit hatte ich in den Köpfen und Ländereien alles urbar gemacht und zum Keimen gebracht. Die fortschreitende Bewegung der Bevölkerung und der gewerblichen Tätigkeit konnte fortan nicht mehr aufgehalten werden. Ein zweites Alter bereitete sich vor. Bald wünschte die kleine Welt sich besser zu kleiden. Ein Krämer kam zu uns, mit ihm der Schuster, Schneider und Hutmacher. Dieser Beginn des Luxus trug uns einen Fleischer und einen Spezereiwarenhändler ein, dann eine Hebamme, die mir recht Not tat; ich verlor ja eine beträchtliche Zeit mit den Entbindungen. Das Neubruchland brachte ausgezeichnete Ernten. Dann wurde die hervorragende Qualität unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch die Düngemittel und die Mistmengen, die man der anwachsenden Bevölkerung verdankte, unterstützt.
Mein Unternehmen konnte sich nun mit all seinen Konsequenzen entwickeln. Nachdem ich die Häuser gesünder gemacht und die Einwohner schrittweise dahingebracht hatte, sich besser zu ernähren und besser zu kleiden, wollte ich, dass auch die Tiere diesen Zivilisationsbeginn verspürten. Von der den Tieren gewidmeten Sorgfalt hängt die Schönheit der Rassen und der Individuen ab, demgemäß auch die der Produkte: ich predigte also die Sanierung der Ställe. Durch den Vergleich des Nutzens, den ein gut untergebrachtes, gut gehaltenes Tier bringt, mit dem mageren Ertrag eines schlecht gepflegten Haustiers veränderte ich unmerklich die Lebensweise des Gemeindeviehs: kein Tier hatte mehr zu leiden. Kühe und Ochsen wurden gepflegt, wie sie es in der Schweiz und in der Auvergne werden. Die Schaf-, Pferde- und Kuhställe, die Milchkammern und Scheunen wurden nach dem Muster meiner und Monsieur Graviers Stallungen, die groß, gut durchlüftet und infolgedessen gesund sind, umgebaut. Unsere Pächter waren unsere Apostel; schnell bekehrten sie die Ungläubigen, indem sie ihnen die Güte meiner Vorschriften durch prompte Resultate bewiesen. Was die Leute anlangte, denen es an Geld fehlte, so lieh ich ihnen solches, indem ich besonders die armen Gewerbetreibenden begünstigte; sie dienten als Beispiel. Auf meine Ratschläge hin wurden fehlerhafte, schwache oder mittelmäßige Tiere verkauft und durch schöne Exemplare ersetzt. So überflügelten nach einer gewissen Zeit unsere Erzeugnisse auf den Märkten die aller anderen Gemeinden. Wir haben prachtvolle Herden und infolgedessen gutes Leder. Dieser Fortschritt war von hoher Wichtigkeit. Und zwar deswegen: In der ländlichen Ökonomie ist nichts ohne Bedeutung. Ehedem wurden unsere Baumrinden um einen Spottpreis verkauft und unsere Leder hatten keinen großen Wert; als unsere Baumrinden und Leder erst einmal verbessert worden waren, erlaubte der Fluss uns Lohgerbereien zu bauen, Lohgerber kamen zu uns, deren Handel schnell zunahm. Wein, der ehedem unbekannt im Flecken war, wo man nur Tresterweine trank, wurde naturgemäß ein Bedürfnis. Schenken wurden aufgemacht. Dann hat sich die älteste der Schenken vergrößert, sich in eine Herberge umgewandelt und versorgt die Reisenden, die anfangen, unseren Weg zu nehmen, um nach der Grande-Chartreuse zu gehen, mit Maultieren. Seit zwei Jahren haben wir einen Handel, der bedeutend genug ist, um zwei Herbergswirten Lebensunterhalt zu verschaffen.
Bei Beginn der zweiten Periode unseres Aufschwungs starb der Friedensrichter. Zu unserem großen Glück war sein Nachfolger ein ehemaliger Notar aus Grenoble, der sich durch eine falsche Spekulation