Henryk Sienkiewicz

Die Kreuzritter


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ihm aus dieser Sache schlimme Folgen erwachsen konnten, war er doch fest entschlossen, nötigenfalls den Kampf aufzunehmen. Das ganze Gefolge des fremden Ritters und des Kreuzritters bestand ungefähr aus fünfzehn Mann, von denen ein jeder mit einem Spieße oder mit einer Armbrust bewaffnet war. Bei einem Zusammentreffen mit ihnen konnten daher zwei vollständig gewappnete Ritter leicht den Sieg davontragen. Macko überlegte daher auch bei sich, ob es nicht ratsamer sei, einem allenfallsigen Urteilsspruche des Gerichtes zuvorzukommen, indem man diese Leute überritt, um sich dann an irgend einem Orte so lange verborgen zu halten, bis der erste Sturm ausgetobt hatte. Mit einem Böses weissagenden Gesichte, das ihm das Aussehen eines zum Beißen bereiten Wolfes verlieh, hielt er sein Pferd zwischen Zbyszko und dem Fremden an, griff an sein Schwert und fragte: »Wer seid Ihr, und was verleiht Euch das Recht zu solchem Auftreten.«

       »Mein Recht stammt daher,« entgegnete der Unbekannte, »daß der König mir befohlen hat, ein wachsames Auge über diese Gegend zu halten, und man nennt mich Powala aus Taczew.«

       Auf diese Worte hin steckten Macko und Zbyszko die schon halb gezückten Schwerter wieder in die Scheiden und senkten das Haupt. Nicht Furcht überkam sie, nein, aber sie neigten das Haupt vor dem weithin bekannten, berühmten Namen, denn Powala aus Taczew, ein mächtiger Edelmann aus hervorragender Familie, der ausgedehnte Ländereien bei Radam besaß, gehörte zu den bekanntesten Rittern in dem Königreiche. Die fahrenden Schüler feierten ihn in ihren Gesängen, besangen ihn als ein Muster an Ehre und priesen seinen Namen zugleich mit den ersten des Landes. In diesem Augenblicke vertrat er zudem die geheiligte Person des Königs, wer sich daher gegen ihn kehrte, der lief Gefahr, seinen Kopf unter dem Beile des Scharfrichters zu verlieren.

       Seinen Grimm unterdrückend, begann daher auch Macko in ehrfurchtsvollem Tone: »Ruhm und Ehre Euch, o Herr – Ruhm und Ehre Eurer Tapferkeit und Mannhaftigkeit.«

       »Ruhm auch Euch, o Herr!« entgegnete Powala, »wenngleich ich gewünscht hätte, unter anderen, nicht so erschwerenden Umständen Eure Bekanntschaft zu machen.«

       »Was meint Ihr damit?« fragte Macko.

       Allein Powala erteilte keine Antwort, sondern wandte sich zu Zbyszko.

       »Konntest Du, Menschlein, nichts Besseres beginnen?« rief er. »Auf der offenen Landstraße vergreifst Du Dich an der Gesandtschaft des Königs! Weißt Du, was Dich hierfür erwartet?«

       »Er ist jung und thöricht, deshalb vermag er sich nicht im Zaume zu halten. Doch Ihr werdet nicht all zu strenge richten, wenn ich Euch die ganze Sache auseinandersetze.«

       »Nicht ich werde ihn richten. Mir liegt nur ob, ihn in das Gefängnis einzuliefern.«

       »Weshalb?« ließ sich nun Macko vernehmen, aufs neue finster dareinblickend.

       »Kraft des königlichen Befehles.«

       »Er ist ein Edelmann!« rief schließlich Macko nach längerem Schweigen.

       »So möge er bei seiner ritterlichen Ehre geloben, sich freiwillig dem hohen Gerichte zu stellen.«

       »Ich gelobe es bei meiner Ehre!« beteuerte Zbyszko.

       »Es ist gut. Wie ist Dein Name?«

       Macko nannte den Namen und das Geschlecht.

       »Wofern Ihr zu dem Hofe der Gattin des Fürsten Janusz gehört, so bittet sie, daß sie Fürsprache für Euch bei dem Könige einlegt.«

       »Wir gehören nicht zu dem Hofe. Aus Litauen, von dem Fürsten Witold kommen wir. Wollte Gott, wir wären niemals mit dem fürstlichen Hofe zusammengetroffen. Diese Begegnung ward zum Unglück für diesen Burschen.«

       Und nun erzählte Macko, was sich in der Herberge ereignet hatte, er schilderte das Zusammentreffen mit der Fürstin und sprach von dem Gelübde Zbyszkos. Zuletzt übermannte ihn aber der Zorn über Zbyszkos thörichtes Gebaren, durch das sie in eine solch bedrängte Lage geraten waren, dermaßen, daß er diesem zurief: »Wollte Gott, Du wärest in Wilna geblieben. Was hast Du Dir denn bei Deinem Thun gedacht, Du Raufbold?«

       »Bah!« entgegnete Zbyszko, »ich betete wegen meines Gelübdes zu dem Herrn Jesus und flehte ihn an, daß er mich auf Deutsche stoßen lassen möge. Reiche Gabe versprach ich ihm dafür. Wie ward mir daher, als ich einen Ritter mit einem Pfauenbusche und in einem Mantel mit schwarzem Kreuze vor mir sah! Eine innere Stimme rief mir zu: Schlag' los auf den Deutschen, ein Wunder ist geschehen. Kurz entschlossen, sprengte ich daher auf ihn ein – wer hätte dies an meiner Stelle nicht gethan?«

       »Hört mich an,« ergriff nun Powala das Wort. »Ich wünsche Euch nichts Schlimmes, denn ich sehe klar, daß dieser junge Bursche weit eher durch den seinem Alter eigenen Leichtsinn, als durch Böswilligkeit gesündigt hat. Daher wäre ich sofort bereit, seine That nicht weiter zu beachten und ihn ziehen zu lassen, als ob nichts geschehen wäre. Allein ich könnte dies nur in der Voraussetzung thun, daß jener Komtur verspricht, sich nicht bei dem Könige zu beklagen. Stellt daher diese Bitte an ihn. Vielleicht fühlt auch er Mitleid mit dem Menschlein.«

       »Weit eher stelle ich mich dem Gerichte, als daß ich mich vor dem Kreuzritter beuge!« rief jetzt Zbyszko. »Nein, das thue ich nicht! Es verträgt sich nicht mit meiner Herrenehre.«

       Ernst schaute daraufhin Powala aus Taczew auf den Jüngling und sagte: »Du handelst unrecht. Es wäre wahrlich besser für Dich, Du wüßtest genauer, was sich für die ritterliche Ehre schickt, als im klaren darüber zu sein, was sich nicht für sie schickt. Mich kennt man allenthalben, allein ich sage Dir, daß wenn ich eine solche That vollführt hätte, ich mich nicht schämen würde, für meine Schuld um Verzeihung zu bitten.«

       Zbyszko sah wohl die Wahrheit dieser Rede ein, allein nichtsdestoweniger rief er: »Wenn die Erde hier nur ein wenig niedergetreten wird, so ist sie völlig eben. Anstatt dem Deutschen Abbitte zu leisten, ziehe ich es vor, mit ihm zu Pferde oder zu Fuß um den Tod oder um die Knechtschaft zu kämpfen.«

       »Narr!« warf hier Macko ein. »Mit dem Gesandten willst Du Dich schlagen? Glaubst Du denn, jener werde sich mit Dir armem Schlucker einlassen? – Edler Herr,« wandte er sich hierauf an Powala, »übt Nachsicht mit ihm. Der Bursche ist durch den Krieg völlig verwildert. Es ist daher weit ratsamer, er bleibt dem Deutschen fern, denn er würde ihn nur beleidigen. Ich werde sprechen, ich werde bitten, und sollte der Komtur nach Beendigung der Gesandtschaft mit seinem Beleidiger an irgend einem Platze kämpfen wollen, dann stelle ich mich ihm.«

       »Das ist ein Ritter aus einem hohen Geschlechte, der sich nicht einem jeden stellt!« erklärte Powala.

       »Wie? Trage ich vielleicht nicht Gürtel und Sporen? Mir könnte sich selbst ein Fürst stellen.«

       »Das ist wahr. Laßt Euch aber ihm gegenüber nichts davon merken, daß ich Euch zu einer Fürbitte veranlaßt habe, denn sonst würde er sich nicht mit Euch versöhnen. Nun, möge Euch Gott seinen Schutz angedeihen lassen.«

       »Ich gehe Dir als leuchtendes Vorbild voran!« rief Macko dem Bruderssohne zu, »aber warte, bis ich Dir winke.«

       So sprechend näherte er sich dem Kreuzritter. Starr und unbeweglich, wie eine Bildsäule, saß dieser auf seinem, an Größe einem Kamele gleichenden Rosse und blickte voll Gleichgültigkeit umher. Macko hatte sich während seiner langen Kriegszeit im Deutschen geübt; er setzte daher nun den Komtur in dessen Muttersprache auseinander, was geschehen war, schob alle Schuld auf das jugendliche Alter und auf den unklugen Sinn des jungen Burschen, dem kein anderer Gedanke gekommen sei, als daß Gott selbst ihn den Ritter mit dem Pfauenbusche geschickt habe, und bat schließlich um Verzeihung für Zbyszkos Vergehen.

       Keine Muskel regte sich in dem Gesichte des Komturs. Mit erhobenem Haupte saß er auf seinem Pferde. So starr, so nichtachtend blickte er über Macko hinweg, als ob er nicht einen Menschen, sondern einen Pfahl vor sich